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Wahlen in Mecklenburg/Vorpommern

Nichtwähler klare Wahlsieger

Janosch Janglo, Infomail 575, 7. September 2011

Der Trend, sich immer stärker von Parlamentswahlen fernzuhalten, hat sich auch bei der Landtags- und Kreistagswahl in Mecklenburg/Vorpommern gezeigt. Mit 51,4% war es die schlechteste Wahlbeteiligung seit 1990, 2006 lag sie „noch“ bei 59,1%.

Damit drückte fast die Hälfte der WählerInnen aus, dass sie von diesen Wahlen kaum eine Veränderung ihrer sozialen Lage erwarten. Daran hat auch nicht die Teilnahme der Partei DIE LINKE etwas geändert, die ihren Negativtrend seit 2002 fortsetzt. Sie hatte zwar auf dem Papier einen Zuwachs von 1,6%, sieht man sich aber die abgegebenen Zweitstimmen an, büßte sie über 13.000 Zweitstimmen ein, wenn auch nicht so dramatisch wie 2002 und 2006 nach 8 Jahren „rot-roter“ Regierung.

Die geringe Wahlbeteiligung drückt zwar eine gewisse Desillusionierung gegenüber dem bestehenden System aus, vor allem aber auch eine politische Demoralisierung großer Teile der Bevölkerung – geht sie doch auch ansonsten mit einer weitgehenden Passivität und geringen Mobilisierungen in Mecklenburg-Vorpommern einher.

Daher kann sie – so verständlich sie auch sein mag – keineswegs als progressiv betrachtet werden.

Zum Ergebnis

Die LINKE muss sich fragen lassen, warum sie aus den Krisenjahren 2008/09 mit der massiven Ausweitung des Niedriglohnsektors keine Wählerstimmen hinzugewinnen konnte. Sicherlich waren den Lohnabhängigen noch die 8 Jahre „rot-rote“ Regierung im Gedächtnis, bei der sich die Linkspartei kräftig am Sozialabbau mitbeteiligte. Dadurch wird sie von mehr und mehr Lohnabhängigen nicht mehr als Alternative, als konsequente Vertretung ihrer sozialen Interessen, sondern als Bestandteil des bestehenden Systems betrachtet. Gerade unter Jugendlichen, die in Mecklenburg-Vorpommern oft nur die Perspektive abwandern oder Niedriglohnjob haben, erzielte sie schwache Ergebnisse.

Bei den Erstwählern und den 25-44jährigen wählten 12-13 Prozent Linkspartei - damit liegt sie hinter der NPD. Es sieht so aus, als habe die Linkspartei als Protestpartei von Erwerbslosen und Lohnabhängigen mit ihrer ständigen Anbiederung als Juniorpartner einer Regierung in Mecklenburg langsam abgewirtschaftet.

Diese Lücke versuchte die NPD auszufüllen, die sich als Vertreter des „kleinen Mannes“ profilieren wollte, was ihr 2006 zum Teil auch gelang. Aber 4 Jahre bürgerliches Parlament haben auch bei der NPD zu Abnutzungserscheinungen als „Protestpartei“ geführt. Die NPD führte mit einem um fast ein Drittel geschrumpften Wahlkampfetat einen aggressiven rassistischen Wahlkampf, musste aber aufgrund der fehlenden Proteststimmung von 2006 Verluste von 1,3% einfahren, das sind rund 20.000 Zweitstimmen. Nichtsdestotrotz verzeichnete die NPD v.a. in Grenznähe zu Polen leichte Zuwächse. Teilweise erreichte die NPD dort in einzelnen Gemeinden Stimmenanteile von bis zu 33%!

Nach Baden-Württemberg mussten v.a. CDU und FDP erneut eine Schlappe hinnehmen. Die CDU verlor 5,7%, die FDP als Lieblingspartei des Kapitals bei den letzten Bundestagswahlen verlor satte 6,9% und verpasste damit den Wiedereinzug in den Landtag. Parteivorstandsmitglied Kubicki musste richtigerweise feststellen, dass "die FDP generell verschissen“ hat.

Zweifellos steckt die FDP und mit ihr auch die gesamte Regierungskoalition auf Bundesebene in einer Krise. Die nächste Ohrfeige könnte schon bald bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin folgen. Schon jetzt liegt der Patient auf der Intensivstation. Von dieser Krise der rechtsbürgerlichen Parteien profitierten SPD und Grüne. So konnten DIE GRÜNEN als einzige Partei reale Stimmenzuwächse verzeichnen und erstmals in den Landtag einziehen. Sie konnten, wie auch auf Bundesebene, die Atomkatastrophe in Fukushima und auch die Protesten um das Zwischenlager in Lubmin, bei den sie sich als „Widerstandspartei“ in die öffentliche Wahrnehmung schummelten, für sich nutzen.

Was kommt nach der Wahl?

Der erwartete klare Sieg der SPD erklärt sich v.a. aus drei Gründen: Erstens gibt es z.Zt. kaum kämpferische Mobilisierungen in MeckPomm und anderswo, welche die Regierung in Bedrängnis bringen; zweitens führt die Krise der schwarz/gelben Bundesregierung fast automatisch dazu, dass die SPD als Opposition im Bund an Stimmen gewinnt; drittens ist die Linkspartei keine wirkliche Opposition zur SPD, sondern eher deren linkes Anhängsel.

So war es kein Wunder, dass die SPD und Ministerpräsident Sellering jubeln konnten. Angesichts der erneut aufbrechenden Krise an den Börsen und Finanzmärkten ist jedoch absehbar, dass die Lohnabhängigen, die Armen, Arbeitslosen und selbst viele „Mittelständler“ demnächst mit heftigeren sozialen Angriffen rechnen müssen.

Bis jetzt ist noch nicht klar, wer mit der SPD koaliert, die CDU oder die LINKE. Die Gewerkschaften und die Lohnabhängigen müssen jedoch von der SPD fordern, dass es keine Neuauflage einer Großen Koalition gibt, dass SPD und LINKE an der Regierung gezwungen werden, ihre sozialen Versprechungen umzusetzen.

Sie wurden vor allem von RentnerInnen - also ehemaligen LohnarbeiterInnen – und gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen und Angestellten gewählt. Die Stimmen für SPD und LINKE drücken die Hoffnung der Mehrheit der politisch bewussteren Schichten der Arbeiterklasse und der Gewerkschaften aus, dass „ihre“ Parteien soziale Verbesserungen durchsetzen könnten oder wenigstens ein geringeres „Übel“ wären als die CDU.

Wir teilen diese Hoffnungen, diese Illusionen nicht. Aber wir halten es für notwendig, alles daran zu setzen, dass diese Illusionen in reformistische Parteien einem Test unterzogen werden - und der ist am ehesten möglich, wenn sie an der Regierung sind. Dazu ist es notwendig, Forderungen an diese Parteien zu stellen und sie mit eigenen Mobilisierungen zur Umsetzung progressiver Forderungen wie z.B. den Mindestlohn zu zwingen.

Darin kann sich erstens am ehesten zeigen, dass diese Parteien nicht nur nicht bereit sind, für eine andere, sozialistische Gesellschaft zu kämpfen (was ihre AnhängerInnen ja ohnedies nicht erwarten), sondern dass sie auch nicht bereit sind, Reformen einzuführen, sobald diese ernsthaft mit den Kapitalinteressen kollidieren. Zweitens ist eine solche Taktik auch eine Möglichkeit, in Mecklenburg-Vorpommern eine dringend notwendige soziale Bewegung aufzubauen, die für Mindestlohn, Arbeitszeitverkürzung, ein Programm gesellschaftlich nützlicher öffentlicher Arbeiten unter Arbeiterkontrolle u.a. dringende Forderungen kämpft. Diese kann nicht nur die Reformisten und Gewerkschaftsbürokraten dem Praxistest unterziehen. Sie ist auch unbedingt notwendig, um den Faschisten die soziale Basis abzugraben.

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