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Sri Lanka

Präsident Rajapakse lässt auf Arbeiter schießen

Socialist Party of Sri Lanka (SPSL), Infomail 562, 16. Juni 2011

Roschen Chanaka Ratnasekera, ein 21jähriger Maschinenarbeiter, ist tot. Erschossen von der Polizei am 30.5., als sie streikende ArbeiterInnen attackierte, die gegen den Rentenraub durch die Regierung protestieren wollten, der Tausende um ihre Ersparnisse bringt.

Die Polizeiattacke wurde von der Armee unterstützt. Ihr aggressiver Versuch, die Kundgebung zu zerstreuen, rief die militante Antwort anderer ArbeiterInnen hervor. In der Freihandelszone von Katunjake gingen 40.000 auf die Straße und zwangen die Verwaltung, die gesamte Zone zu schließen.

Am 1.6., als sich die Nachricht vom gewaltsamen Tod des Arbeiters verbreitet hatte, hielten GewerkschafterInnen eine spontane Kundgebung in der Hauptstadt Colombo ab. Der Polizeiinspektor Mahinda Balasunja wurde vom Regime geopfert, um von der Verantwortung des Staates am Mord abzulenken.

Die Rentenpläne sind nun fürs erste zurückgezogen worden, aber der Versuch sie einzuführen und der großartige Abwehrkampf, der ihnen Einhalt geboten hat, könnten einen bedeutenden Wendepunkt in der srilankesischen Politik kennzeichnen. Präsident Mahinda Rajapakse hat einen brutalen Krieg gegen die Tamilen geführt, in dem zehntausende ZivilistInnen getötet wurden und Armee wie Polizei  zu schärfster Gewaltanwendung ermutigt wurden, in der Gewissheit, dass die Regierung sie stets schützen würde.

Rajapakse rechtfertigte die Außerkraftsetzung von gesetzlichen Beschränkungen für den staatlichen Gewaltapparat durch die Behauptung, der Sieg würde dem ganzen Land Frieden und Wohlstand bringen. Diese Lüge wurde von den staatlichen Medien verbreitet und hier wie in den buddhistischen Tempeln wurde das Gift des sinhalesischen Chauvinismus verspritzt und von vielen geglaubt. Die Sozialistische Partei Sri Lankas argumentierte während des Krieges, der Frieden würde bald die Wahrheit zu Tage fördern. Tatsache ist, dass die Rajapakse-Familie den Krieg dazu benutzte, die Staatsfinanzen zu kontrollieren und mit Auslandsanleihen zu bezahlen. Nun wollen sie die ArbeiterInnen und Bauern zwingen, diese Anleihen zurück zu zahlen. Der Rentenplan war Teil dieser Politik.

Der Widerstand der Arbeiterklasse zeigte, dass die Arbeiterinnen kampfbereit sind und dass die jüngste Kampferfahrung sie noch entschlossener gemacht hat. Aber die Arbeiterorganisationen, die Gewerkschaften, zeigen viele Schwächen. Es gibt mehr als ein Dutzend Gewerkschaften allein in der Freihandelszone. Dies spaltet die Arbeiterschaft, wo sie Zusammenhalt benötigt. Viele Gewerkschaften sind sehr klein und nur örtlich organisiert, doch die Offensive umfasst ArbeiterInnen quer durchs Land.

Sogar die landesweit organisierten Gewerkschaften und Bündnisse wie das Vereinigte Gewerkschaftsbündnis JTUA, die Freihandelszonen- und Allgemeine Dienstleistergewerkschaft FTZGSTU, das Nationale Gewerkschaftszentrum NTUC sowie die Nationale Gewerkschaft der WanderarbeiterInnen NUMW erwiesen sich als ungeeignet zur Führung eines entschlossenen Kampfes. Viele von ihnen werden von Nichtregierungsorganisationen (NGO) unterstützt, andere wie die NTUC sind mit politischen Parteien wie der angeblich marxistischen JVP verbunden, alle aber sind beschränkt in ihrer Ausrichtung auf Kompromisse.

Ihre Kampfführung beim Rentenstreit zeigt den Widerspruch, in dem sie befangen sind. Positiv ist, dass sie als Gewerkschaften unmittelbar die Bedeutung begriffen haben, die im Widerstand gegen die Regierungspläne liegt, und dass sie 20.000 Streikende dagegen auf die Beine gebracht haben. Viele davon, in der Mehrzahl Arbeiterinnen, die am stärksten von den Kürzungen betroffen wären, hatten nie zuvor gestreikt. Ein solch massiver Streik machte auch auf das Regime Eindruck. Nach einer Woche signalisierte Arbeitsminister Gamini Lokuge Bereitschaft zur Neuverhandlung der Pläne. Im Glauben, schon genug erreicht zu haben, bliesen die Gewerkschaftsspitzen den Streik daraufhin ab.

Damit hatte der Minister natürlich gerechnet. Vom direkten Druck befreit, machte er keine Anstalten, die Pläne wirklich zurück zu ziehen. Nun beschlossen die ArbeiterInnen, den Streik auch gegen den Rat ihrer Führer fortzusetzen. Durch diese Entschlossenheit wurde die Rücknahme der Pläne erzwungen, obgleich auch dies keine Gewähr dafür bietet, dass sie endgültig vom Tisch sind. Die Militanz der ArbeiterInnen sollte durch die Polizei- und Militärattacken gebrochen werden. Nach der Auseinandersetzung und den Schüssen entdeckten die Gewerkschaftsführungen plötzlich wieder ihren Kampfgeist. Sie sprachen davon, alle ArbeiterInnen in den Freihandelszonen - etwa 250.000 - in den Ausstand zu rufen, sogar vom Generalstreik war die Rede, bis das Rentengesetz völlig zu Fall gebracht wäre.

Wie sollten die ArbeiterInnen auf diesen Sinneswandel reagieren? Sie sollten ihren Führern ihre Erwartung klar machen, nicht nur über Streiks zu reden, sondern sie auch unverzüglich auszurufen. Jetzt, da das ganze Land die Bedeutung des Rentengesetzes erfasst hat, sollte genau wie beim ersten Anstoß für den begrenzten Streik ein landesweiter Streik organisiert werden, bis das Gesetz völlig verschwindet. Dies könnte einen Widerstand der gesamten  Arbeiterklasse erzeugen und sogar darüber hinaus gehende Möglichkeiten eröffnen.

Sollten die ArbeiterInnen nur abwarten, bis ihre Führer zu handeln geruhen? Nein! Vergangene Woche erst haben wir erlebt, dass ihnen nicht vertraut werden kann, wenn es um einen wirklich entschlossenen Kampf geht. Die Gefahr besteht, dass sie immer noch nach einem Kompromiss Ausschau halten. Zugleich mit der Aufforderung, sich wie Führer zu verhalten, müssen die ArbeiterInnen sich selbstständig organisieren, um die notwendigen Maßnahmen durchzuführen, wie sie es bereits in Katunajake getan haben. Diese Eigenorganisierung muss vor Ort, aber auch landesweit so rasch wie möglich erfolgen. Auf Ortsebene gewählte Streikausschüsse als Vertretung aller Streikenden - und nicht nur der gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen - sind der erste entscheidende Schritt, dass die ArbeiterInnen selbst ihre Aktion kontrollieren.

Längerfristig sollten die AktivistInnen in allen Gewerkschaften fordern, dass Schritte in Richtung auf eine Überwindung der gewerkschaftlichen Spaltungen unternommen werden. Die Sozialistische Partei Sri Lankas (SPSL) - die Sektion der Liga für die Fünfte Internationale - unterstützt den Aufbau von Industriegewerkschaften, die die gesamte Arbeiterschaft in einer Industrie unabhängig von  Unternehmen, Tätigkeit, Ausbildung oder Standort zusammenfasst. Die Textilindustrie z.B. ist Sri Lankas größter Devisenbewirtschafter , doch die große Mehrheit ihrer Belegschaft, besonders Frauen, erhält erschreckend niedrige Löhne. Die Unternehmer ziehen ihren Vorteil daraus, dass es viele verschiedene Gewerkschaften und einen geringen Organisierungsgrad der Beschäftigten gibt.

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