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Elfenbeinküste

Blutige Tragödie

Joana Ramiro, Infomail 550, 19. April 2011

Die Elfenbeinküste liegt in Westafrika und hat bereits eine blutgetränkte Geschichte von Unterdrückung hinter sich. Diktatur, Völkermord und Bürgerkrieg haben die Bewohner dieses Landes ein Jahrhundert lang in Angst und Schrecken gehalten. Gbagbo und Ouattara fechten nun einen blutigen Machtkampf um das Präsidentenamt und die Kontrolle des Landes aus. Aber keiner von beiden kann eine Lösung für die heutigen Probleme der Ivorer anbieten.

Die Elfenbeinküste als künstliches Gebilde der Kolonialherrschaft

Als ehemalige französische Kolonie wurde die Elfenbeinküste ein wichtiger Umschlagplatz für Kaffe, Kakau, Bananen und andere landwirtschaftlichen Waren, die französische Plantagenbesitzer  von ihren einheimischen ZwangsarbeiterInnen erzeugen ließen. Wie in den übrigen Kolonialgebieten wurde das Land unter einem System von rassischer und ethnischer Diskriminierung, politischer Ungleichheit und einer Doktrin der Zwangsassimilation beherrscht.  Durch unterschiedliche Besteuerung und Gesetzeshandhabe wurden die indigenen EinwohnerInnen nicht nur von den Kolonialisten, sondern auch untereinander geteilt in einem vielschichtigen Klassensystem, von den Franzosen erdacht und überwacht. Die geographischen Grenzen wurden am Ende des 19.Jahrhundert zu Liberia und Britisch-Ghana (Goldküste) gezogen, die Nordgrenze jedoch blieb bis Ende der 40er Jahre umstritten, da Frankreich vergebens versucht hatte, Territorien des heutigen Mali und Burkina Faso zu annektieren.

Die Ausmaße des Staatsgebiets umfassten mehrere Königreiche und Stämme mit verschiedenen Sprachen, Kulturen und Religionen. Auf solche Gegebenheiten wurde im Interesse europäischer, insbesondere französischer Kolonialherrschaft keinerlei Rücksicht genommen.  An Glaubensbekenntnissen waren der Islam zu 38,6%, das Christentum (v.a. römisch-katholisch) zu 32,8% sowie andere Religionen mit 11,6% vertreten. Diese Unterschiede blieben unter Unterdrückerregimen fast unbemerkt, kamen aber zum Vorschein, sobald Souveränität und nationale Identität auf dem Spiel standen. Sie sind einige der Schlüsselfaktoren für die andauernden Konflikte in der Region und für die Etablierung von hierarchischen Strukturen in der Elfenbeinküste.

Die  1960 erlangte staatliche Unabhängigkeit der Elfenbeinküste von Frankreich  beruht auf einem politischen Kompromiss und einer Abhängigkeit von den westlichen Industrienationen.  Ihr erster Präsident Felix Houphouet-Boigny, Angehöriger einer lokalen Oberschicht, versuchte eine landwirtschaftliche Gewerkschaft und Gesetzesreformen  zu etablieren, nachdem die einheimischen afrikanischen Bauern ständig von der mächtigen Kolonialistenlobby und politischer Vetternwirtschaft um die Früchte ihrer Arbeit gebracht worden waren. Sein politischer Erfolg und die engen Kontakte zur französischen Administration seit seiner Tätigkeit im französischen Parlament als Abgeordneter der Region Westafrika machten ihn zum ersten Anwärter auf den Präsidentensessel in der unabhängigen Republik Elfenbeinküste. Seine früheren politischen Verbindungen, die oft in Unterstützungen und Absprachen mit kommunistischen Gruppen  im Parlament bestanden, wurden rigoros gekappt.

Die Demokratische Partei der Elfenbeinküste (PDCI) wurde als einzige Partei zugelassen. Sie führte unter Houphouet-Boigny ein gnadenloses Regiment. Seine undemokratische Herrschaft zeichnete sich durch die Einführung eines liberalen Wirtschaftssystems und die wasserdichte Beziehung zu den Westmächten aus. Seine frankophile Politik machte die Elfenbeinküste zu Frankreichs engstem Verbündeten und zum Wachhund des Westens in Afrika.  Er war bekannt wegen seiner antikommunistischen Außenpolitik und war verwickelt in die Putsche gegen linksnationalistische afrikanische Führer wie Ghanas Kwame Nkrumah 1966, Benins Mathieu Kerekou 1977 und Thomas Sankara in Burkina Faso 1987.

Aber die Elfenbeinküste litt ebenso an den selben Problemen wie die meisten Länder Afrikas nach dem Albtraum des Kolonialismus. Ihre Ökonomien waren zu schwach, um sich wirklich unabhängig entfalten zu können. Ein Großteil der Bevölkerung war dazu verdammt, Generationen lang in schlimmer Armut zu darben. Mit dem Preisverfall für Kaffe und Kakau, einer langen Dürreperiode und einer wirtschaftlichen Rezession in den 80er Jahren geriet das Land in eine Finanzkrise. 1990 streikten Staatsbedienstete und Studenten, so dass die Regierung sich gezwungen sah, politische Reformen einzuleiten.  Wahlen mit mehreren Parteien wurden abgehalten. Dies war jedoch nur eine Geste angesichts der politischen Korruption und des Klientelsystems, und Houphouet-Boignys PDCI ging als Gewinner mit über 80% der Stimmen aus den Wahlen hervor. Nach seinem Tode 1993 konnte sein Zögling Henri Konan Bedie nicht mit der alten Politik fortfahren. Bedie begegnete der wachsenden Unzufriedenheit im Land mit der Verhaftung von Oppositionspolitikern und –anhängern.  Er entwickelte eine extrem nationalistische Ideologie, die alle Ivorer fremder Herkunft ächtete. Diese ‚Ivoritäts‘-Politik entfremdete fast ein Drittel der Landesbevölkerung, besonders in der muslimisch geprägten Nordregion, wo die PlantagenarbeiterInnen häufig Einwanderer aus Nachbarstaaten sind. Ethnischer Zwiespalt wurde zum Hauptkennzeichen der Landespolitik, eine Achillesferse für die Entfaltung der Kampfkraft der Armen gegen die Reichen. Die ivorische Bourgeoisie hat ihre Politik der ethnischen Spaltung eindeutig bei den französischen Kolonialherren vor 1960 gelernt.

Streiks, Staatsstreiche und Bürgerkrieg

Als Bedie große Teile der Bevölkerung aus der Gesellschaft ausschloss, entfremdete er auch Mitglieder der Militärelite, die 1999 einen Putsch durchführten, der General Guei an die Macht brachte. In den Augen vieler war Laurent Gbagbo, Führer der sozialdemokratischen Ivorischen Volksfront ( IPF) die einzige politische Alternative zur Militärherrschaft, und er gewann breite Unterstützung nicht nur in seinem eigenen Land, sonder n auch innerhalb der gesamten afrikanischen Linken.

Im folgenden Jahr verhalfen Bevölkerungsaufstände vor den Wahlen Gbagbo zum Wahlgewinn. Um seinen ärgsten Widersacher Alassane Ouattara auszuschalten, nahm aber auch er Zuflucht zu der fremdenfeindlichen Ideologie als politisches Kalkül.

Gbagbos Präsidentschaft war von Beginn an umstritten. Die Gewalt eskalierte, als aufständische Militäreinheiten aus dem Norden mehrere Städte angriffen, die größte Stadt Abidjan für einige Stunden besetzten und dann in dem weiter nördlich gelegenen  Bouake ihr Lager aufschlugen. Als Frankreich und die USA Truppen stationierten, um den Konflikt zu kontrollieren, formierten sich eine Reihe von Rebellenbewegungen um die Kontrolle des Landes. Seit 2007 herrscht Bürgerkrieg.

Die Wahlen 2010 und neuer Konfliktstoff

Die Gbagbo-Regierung verschleppte die Wahlen sechs Mal, ehe sie im Oktober 2010 schließlich stattfanden. Obwohl sie nach ausländischer Beobachtereinschätzung frei und fair verliefen, wurde die Wahlkampagne begleitet von heftigen Zusammenstößen zwischen AnhängerInnen aller Fraktionen. Während die Unabhängige Wahlkommission Alassane Ouattara zum Sieger erklärte, wertete der Verfassungsrat viele Stimmen als ungültig und rief Gbagbo als neuen Präsidenten aus. Beide Körperschaften wurden für ihre einseitige Parteinahme kritisiert. Die Kommission setzt sich überwiegend aus Mitgliedern der Opposition zusammen, der Präsident des Verfassungsrats ist hingegen einer von Gbagbos Verbündeten. Die ‚internationale Gemeinschaft‘ unter Führung der imperialistischen Staaten erkennt Ouattara als neu gewähltes Staatsoberhaupt der Elfenbeinküste an.

Die bewaffneten Auseinandersetzungen brachen im Februar 2011 erneut aus, als die Truppen der Neuen Streitkäfte der Elfenbeinküste, eine politische Koalition aus 3 Rebellenbewegungen mit stark nationalistischer Doktrin, angeführt von Premierminister Guillaume Soro, einem Gegner von Laurent Gbagbo, versuchten, die Grenze zu Liberia zu schließen unter dem Verdacht, dass Gbagbo mehrere Tausend Söldner von dort einschleusen wollte. Gbagbo aber behielt die Oberhand in den meisten südlichen Städten mit starkem Rückhalt des Militärs und großer Jugendgruppen wie den Jungen Patrioten.

Ouatarra genießt  Schutz der UN-Truppen auf ivorischem Boden.  Die UN unterstützt damit jemanden, der angeklagt ist, das Massaker in Duekoue verübt zu haben, wo 800 Menschen nach der ‚Befreiung‘ durch Ouattaras Verbände tot aufgefunden worden. Der UN-Sekretär Ban Ki Mun sagte, er sei ‚besorgt und alarmiert‘ über die Meldung des Massakers. Ouattara streitet dies natürlich ab.

Am 31.3.2011 nahmen Ouattara-treue Einheiten die offizielle Hauptstadt ein, obgleich das eigentliche Machtzentrum in Abidjan liegt. Anfang April brachen in Abidjan Straßenkämpfe aus, als Ouattaras Truppen versuchten den Präsidentenpalast zu umzingeln und Gbagbo gefangen zu nehmen.   

Ausbeutung oder Arbeitermacht

Die große Tragödie des ivorischen Konflikt liegt in der völligen Zerrüttung der zivilen Gesellschaft des Landes und der Ablenkung von den wahren Problemen Armut, politische und finanzielle Korruption, autoritären Herrschaftsformen und Fremdenfeindlichkeit. Deren Lösung kann und muss das Ziel des Klassenkampfs sowohl gegen die ivorische Herrschaftselite wie auch gegen die französischen und anderen imperialistischen Ausbeuter des Landes sein. Ivorer bekämpfen sich gegenseitig unter dem Banner der nationalen Einheit und sogar Demokratie, aber letzten Endes im Interesse von Kräften, die den Erfolg ihrer Anstrengungen nur wieder zunichte machen. Es kann keine Demokratie geben, wenn sich die Strategie ivorischer Politiker auf Rassismus und Islamophobie gründet.

Natürlich ist die französische Kolonialherrschaft die Ursache für die ethnischen und religiösen Widersprüche, die die politischen Verhältnisse der Elfenbeinküste bestimmen. Aber die despotischen ivorischen Autokraten verlängern dieses System und tragen ebenso Schuld an einer Gesellschaft, in der die Herausbildung von  Klassenbewusstsein durch Stammeszugehörigkeit  und Religionsidentifikation überlagert wird gepaart mit gewaltsamen Zusammenstößen, die durch die Existenz dieses Staatengebildes begründet sind.

Das Militär will die Herrschaft eines christlichen Repräsentanten der Mittelschicht aus dem Südteil. Die imperialistischen Mächte wiederum  verteidigen Ouattara nicht, weil er Moslem aus dem verarmten Norden und Sohn eines Arbeitsimmigranten ist. Sie richten sich vielmehr gegen Gbagbo, weil dieser sich als Sozialist gebärdet und gegen westliche Einmischung auftritt. Sie unterstützen Ouattara, weil dieser willens ist zu Verhandlungen mit den Imperialisten in der Ttradition von Houphouet-Boigny.

Eine Unterstützung für einen der beiden ist ausgeschlossen. Ihre politischen Fronten und Koalitionen haben keine andere Basis als den Machtpoker. Sie sind im Grunde rivalisierende Kriegspolitiker, deren Konflikte von  fremden imperialistischen Schiedsrichtern kontrolliert werden sollen, und all dies zum verheerenden Nachteil der einfachen BewohnerInnen der Elfenbeinküste.

Was die Elfenbeinküste und ihre Bevölkerung brauchen, ist eine vereinigte, säkulare, interethnische Bewegung, die auf Klassengrundlage besteht und nicht an Glauben oder Kultur gefesselt ist, sondern ein gemeinsames Verständnis zwischen den Unterdrückten in ihrem Kampf gegen die Unterdrücker  hat. In der Elfenbeinküste ist es notwendig, ja lebenswichtig, eine radikale Wende zu vollziehen vom Krieg zwischen Ethnien zu einem Klassenkrieg der Arbeiterschaft gegen  die politischen und militärischen Eliten.

Um dem Despotismus und der Korruption ein Ende zu bereiten, muss sich die Bevölkerung in den Straßen von Abidjan, Yamoussoukro, San Pedro, Bouake, Man und Daloa  vereinen. ArbeiterInnen müssen ihre eigenen Milizen und Verteidigungsausschüsse aufbauen, um ihre Wohngebiete gegen die Gewalt der sich bekriegenden Präsidenten zu schützen. Als Revolutionäre müssen wir für den sofortigen Rückzug aller imperialistischen Truppen aus der Elfenbeinküste eintreten. Trotz aller üblichen Beteuerungen, Zivilisten schützen zu wollen, sind sie doch dort nur, um einen proimperalistischen  Machthaber zu installieren.    

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