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Regierungskrise

FDP-Chaos und Atom-Kommissionen

Tobi Hansen, Infomail 548, 7. April 2011

„Leistung muss sich wieder lohnen“ - das war einer der zentralen Slogans der FDP bei der Bundestagswahl 2009. 14% holte sie damit, das beste FDP-Ergebnis bei Bundestagswahlen in der  Geschichte. Zuvor konnte sich Westerwelle, als „Oppositionsführer“ vier Jahre lang gegen die CDU/CSU/SPD-Koalition profilieren, besonders die bürgerlichen WählerInnen dankten es der FDP, während CDU/CSU wieder verloren, war die FDP stark wie nie. Vier Ministerposten plus Vizekanzler, manch Hofjournalist fragte damals, ob Westerwelle „vor Kraft noch laufen könne“.

Doch wie bei einem aufgepumpten Bodybuilder, welcher vor lauter Anabolika-Muskeln auch einfachste Bewegungen nicht mehr geregelt bekommt, so wurde auch bei der FDP viel heiße Luft rausgelassen, durch verschiedene Nadelstiche ist die FDP wieder da, wo sie historisch hingehört - um die 5%.

Klientelpolitik

Während Vizekanzler Westerwelle gegen Hartz IV-EmpfängerInnen hetzte und gleichzeitig eine Unterstützung nach der anderen fürs Groß -und Kleinkapital durchsetzte, wurde das größte Wahl-Schwindel der FDP „vergessen“ - eine Steuerentlastung, angeblich für die niedrigen und mittleren Einkommen. In Zeiten größter Staatsverschuldung und verschiedenster Rettungspakete sind große Steuersenkungen für die Masse der Bevölkerung nicht machbar, wenn man gleichzeitig das Großkapital bedienen wollte. Dem musste natürlich auch die Wahlfängerei Westerwelles Tribut zollen. Zusammen mit der CDU/CSU wurde monatelang ein groteskes Theater von der schwarz/gelben Koalition aufgeführt, wie ruhig war es da noch unter Schwarz/Rot. Die Große Koalition konnte alle Vorgaben des Kapitals umsetzen: Rente mit 67, Mehrwertsteuererhöhung, Banken-Bailout, Konjunkturpaket. Mit Merkel und Steinmeier lief der Motor rund - fürs Kapital.

Die „Traumkoalition“ des deutschen Kapitals war jedoch bald nur noch das Zerrbild einer Regierung. Gegenseitige Beschimpfungen, ein bißchen Kopfpauschale und eine Entlastung fürs die Hoteliers, das war die traurige Bilanz des ersten Jahres unter Schwarz/Gelb.

Meisterstück Atompolitik

Das „Meisterstück“ sollte die Verlängerung der AKW-Laufzeiten werden, immerhin hatten alle Parteien der Koalition dies stets gewollt und im letzten Herbst wurde es dann auch umgesetzt. Die Atomlobby diktierte morgens per Telefonkonferenz noch schnell die gesetzlichen Rahmenbedingungen. Zuvor gab es öffentliche Widersprüche zwischen Wirtschaftsminister Brüderle und Umweltminister Röttgen. „Klimakanzlerin Merkel“ versuchte die Verlängerung der Atomkraft als „Brückentechnologie“ zu verschleiern. Sicher daran waren jedoch nur weitere Milliardengewinne für E.ON, EnBW, RWE und Vattenfall.

Die Katastrophe von Fukushima bewies erneut die Unzulänglichkeit der Kernkraft - und damit auch die Unzulänglichkeit der Bundesregierung. Binnen weniger Tage setzte Merkel die Laufzeitverlängerung für die ältesten 7 Meiler aus. Dieses Zick-Zack bezahlte Schwarz/Gelb mit den verlorenen Landtagswahlen von Baden-Württemberg. Als CDU und FDP nach den Wahlen Fukushima für ihr Wahlergebnis verantwortlich machten, zeigten sich Auflösungserscheinungen bei der Regierung.

Nun will Kanzlerin Merkel die Atomfrage per Moratorium und „Experten“-Kommissionen entscheiden lassen, wozu Ex-Umweltminister Töpfer reaktiviert wurde. Dies ist vergleichbar mit der Schlichtung zu „S21“ mit Alt-CDUler Geissler. Mit Hilfe dieser Ehemaligen soll die aktuelle Politik dem Wahlvolk „verkauft“ werden. Doch im Wirtschaftsflügel der Union wird schon Kritik laut, dort wird „Töpfer mit seinen Priestern“ sehr kritisch gesehen.

Die FDP konnte leider keine „Alten“ mehr vorweisen, sie hat nur einen Wirtschaftsminister Brüderle, welcher vor den Landtagswahlen beim BDI das Atom-Moratorium mit den Landtagswahlen rechtfertigte und somit der „Glaubwürdigkeit“ von Partei und Regierung einen weiteren Bärendienst erwiesen hat.

Besonders die FDP hat seit 2009 alle Landtagswahlen verloren und ist heute nur noch ein Schatten der Erfolgspartei von 2009. Seit Beginn des Jahres wird daher über eine Ende des Parteivorsitzenden Westerwelle spekuliert. Jetzt ist es Realität geworden: Gesundheitsminister Rösler wird Westerwelle als Vorsitzender und Vizekanzler folgen. Sehr wahrscheinlich ist auch, dass es dabei nicht bleibt. Noch kleben Brüderle und Fraktionsvorsitzende Homburger an ihren Ämtern, aber auch ihre Zeit scheint abgelaufen. Nach zwei Jahren „Wunschkoalition“ hat die FDP abgewirtschaftet, ein personeller und wohl auch programmatischer Neuanfang stehen bevor. Schon wird darüber spekuliert, inwieweit sich die FDP der SPD und den Grünen öffnen muss, inwieweit Solidarität nicht auch liberal ist - dahinter steht natürlich die Angst, 2013 (wenn die Koalition bis dahin hält) komplett aus dem Bundestag zu fliegen, dann stünde der FDP wohl eher eine Entwicklung a la FPÖ oder „Freiheit“-Partei in den Niederlanden bevor.

Perspektive der Bundesregierung

Neben den verlorenen Wahlen und der AKW-Politik bekommt die Bundesregierung derzeit auch  Gegenwind für ihre Entscheidung zur Libyen-Resolution. Mögen strategische Gedanken Westerwelle und Merkel zur Enthaltung getrieben haben, wodurch Deutschland nach einem militärischen Scheitern danach als „Verhandlungsmacht“ Einfluss nehmen könnte, so wurde dies zumindest nicht in den eigenen Reihen kommuniziert. Die eigenen Außen -und Sicherheitspolitiker (die „Atlantiker“), die SPD und die Grünen - alle sahen einen kriegerischen Einsatz, für den es sogar eine aktuelle Zustimmung der Bevölkerung geben könnte, endlich mal als eine „populäre“ Kriegsentscheidung des deutschen Imperialismus, stattdessen gab es eine Enthaltung und Applaus von der Linkspartei.

Kanzlerin Merkel neigt nicht zu panischen Entscheidungen, vorgezogene Neuwahlen, wie Schröder sie 2005 inszenierte, sind von der CDU-Chefin kaum zu erwarten. Merkel hat auch in ihrer Partei keine Konkurrenz zu fürchten, diese hat sie konsequent in den letzten Jahren ausgeschaltet. Will die CDU bei den nächsten Bundestagswahlen erneut regieren, muss sie mit Merkel in den Wahlkampf ziehen. Merkel wird auf das „Aussitzen“ setzen, eine bewährte Methode von Kanzler Kohl, von dem sie anscheinend einiges im Umgang mit der eigenen Partei gelernt hat.

Sobald mit Töpfer der Ausstieg aus der Laufzeitverlängerung verkündet wird, werden die deutschen Stromnetze massiv ausgebaut, dann wird die Kanzlerin versuchen, sich als die „Wegbereiterin“ zur Energiewende darzustellen.

Von der Opposition ist derzeit zumindest nicht zu erwarten, dass sie die Bundesregierung in weitere Verlegenheiten bringt. Über den Bundesrat könnten SPD und Grüne die Bundesregierung vor sich hertreiben und sich auf die Machtübernahme 2013 vorbereiten – freilich immer nur soweit eine solche „Oppositionspolitik“ auch mit dem Staatsinteresse vereinbar ist.

Daher sollten sich weder die Anti-AKW-Bewegung, noch die sozialen Bewegungen darauf vertrösten, dass diese Regierung schon am Ende ist. Auch mit SPD und Grünen lässt sich im Bundesrat noch manche Sauerei verabschieden, so wie diese Bundesregierung noch einiges für ihre eigene Klientel durchsetzen muss, wenn sie die kommende Wahl nicht schon jetzt verloren haben will.

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