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Libyen

Nein zur UN-Flugverbotszone, nein zur imperialistischen Intervention!

Martin Suchanek, Infomail 544, 18. März 2011

Mit 10 Stimmen bei 5 Enthaltungen hat der UN-Sicherheitsrat am 17. März die Errichtung einer Flugverbotszone und weitere Sanktionen über Libyen beschlossen. Das Mandat verbietet zwar den Einsatz von Bodentruppen, erlaubt aber Luftangriffe je nach Interpretation der Lage durch einzelne Staaten bzw. Militärallianzen wie die NATO. Französische Zeitungen berichten, dass ein Militärschlag in den nächsten Stunden beginnen könnte, während sich Britannien und die USA bedeckt halten.

In jedem Fall haben die imperialistischen Staaten und ihre Verbündeten freie Hand zur direkten militärischen Intervention. Damit ist der Sicherheitsrat den Hardlinern in der EU und im Westen gefolgt, allen voran Frankreich und Britannien. Entscheidend ist, dass die USA diese Initiative unterstützt haben. Sie stellen letztlich die entscheidende Kraft im imperialen Dreierverbund dar, der nun seine Aktionen eng miteinander absprechen will.

Warum votierten USA, Frankreich, Britannien für den Luftschlag?

Es ist kein Wunder, dass gerade diese drei imperialistischen Mächte für den Luftschlag zum „Schutz der Zivilbevölkerung“ votierten. Vordergründig geht es dabei darum, Gaddafi und seine Milizen daran zu hindern, die eigene Bevölkerung zu massakrieren. Das ist natürlich reiner Hohn. Als das Regime in Tripolis stabil war, war der libysche Machthaber, wie er selbst erklärt, enger Freund Sarkozys. Vor allem aber half er, die Interessen der Ölkonzerne zu sichern, unterstützte den Krieg gegen den Irak und zeigte wenig Skrupel, tausende, wenn nicht hunderttausende afrikanische Flüchtlinge an der Einreise in die EU zu hindern. Dafür wurde er hofiert und mit moderner Technik ausgerüstet.

Wie verlogen das „Menschenrechtsargument“ ist, zeigt auch die Lage in Bahrain, wo die saudischen Truppen die reaktionäre Monarchie mit blutiger Gewalt stützen – mit stillschweigender Zustimmung der USA.

In Libyen ist der ehemalige Verbündete und imperialistische Büttel - wie zuvor schon Mubarak - lästig, wenn nicht „untragbar“ geworden. Untragbar nicht deshalb, weil der ehedem gern gesehene Staatsgast plötzlich ganz anders geworden wäre, sondern weil ihm die Sicherung imperialistischer Interessen in „seinem“ Land und dessen dauerhafte Befriedung nicht mehr zugetraut werden.

Dass Frankreich, Britannien und die USA an vorderster Front mit ihrem Eingreifen stehen, hängt vor allem damit zusammen, dass diese imperialistischen Staaten am meisten an politischem Einfluss im Nahen Osten und Nordafrika zu verlieren haben. Frankreich sieht Nordafrika als traditionelle und eine seiner wenigen verblieben Einflusssphären, wo es eine tonangebende Rolle spielen kann.

Die USA und ihr Hauptverbündeter Britannien sind am engsten mit der bestehenden imperialistischen Ordnung der gesamten Region verbunden.

Das erklärt umgekehrt, warum sich China, Russland und Deutschland im Weltsicherheitsrat der Stimme enthielten. Ihre imperialistischen Interessen sind andere. Sie wollen nicht auf Gedeih und Verderb an die US-Politik gebunden sein und letztlich als deren Marionetten erscheinen (was für die französische und britische Nahostpolitik letztlich der Fall sein wird).

Sie wissen um die enormen Risiken dieser Politik - beginnend mit den militärischen Problemen eines möglichen „zweiten Irak“. Vor allem aber wissen sie, dass die militärischen Probleme keineswegs die Hauptschwierigkeit der Politik der USA, Frankreichs, Britannien darstellen. Das eigentliche Problem ist der wirtschaftliche Niedergang dieser imperialistischen Staaten, v.a. der USA. Ihre Fähigkeit, eine Neuordnung der Welt zu organisieren, steht daher auf tönernen Füßen.

Das zeigt sich schon, wenn die Frage nach dem längerfristigen Ziel der Intervention, der UN-Resolution erhoben wird. Soll ein Waffenstillstand samt eventueller Teilung des Landes erzwungen werden? Soll Gaddafi militärisch gestürzt werden - wenn ja, so wird das einen Angriff auf Tripolis mit Bodentruppen, einen imperialistischen Einmarsch und ein blutiges Massaker erfordern. Wenn nein, dann muss ein Kompromiss, eine Neuverteilung der Macht zwischen den FührerInnen des Aufstandes und der Gaddafi-Clique gefunden werden (mit oder ohne Gaddafi selbst). Das wiederum ist - wie eine Teilung des Landes - nur möglich, wenn die aufständischen Massen in Libyen demobilisiert werden, weil deren politische und soziale Hoffnungen, die an den Kampf gegen das Regime geknüpft sind, für einen solchen Kompromiss notwendigerweise geopfert werden müssen. Oder besteht das Ziel einfach darin, eine militärische Dauerpräsenz in Libyen zu errichten, sobald ein Waffenstillstand und Verhandlungen zwischen den Bürgerkriegsseiten erzwungen wurden?

Gemeinsam ist den USA, Britannien und Frankreich nur eines: das Kriegsziel „Befriedung und Stabilisierung“ der Lage, das Ziel, einen möglichst großen Einfluss auf eine Neuordnung des Landes zu erringen - eine gemeinsame Vorstellung, wie eine politische Neuordnung des Landes aussehen soll, gibt es nicht.

Die fünf Länder, die sich der Stimme enthalten haben, allen voran Deutschland, Russland, China haben sich realpolitisch und opportunistisch verhalten. Einer imperialistischen Intervention anderer Mächte wollten sich die drei nicht offen entgegenstellen, offen unterstützen wollen sie sie aber auch nicht. Wie alle andern riefen sie zu „Ausgleich“ und „Change“ auf und halten sich ansonsten alle Optionen offen.

Die Reaktion der Massen

Die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates, eine Flugverbotzone über Libyen zu errichten und Militärschläge gegen das Land zu legitimieren, stößt bei den arabischen Massen heute auf Zustimmung.

Wie die Aufständischen in Bengasi interpretieren sie die UN-Resolution als eine Unterstützung ihres Kampfes. Genau darin liegt aber die tragische Illusion, die noch dadurch genährt wird, dass die „Arabische Liga“ und die UN dieses Mandat durchgeführt haben. Dabei ist die Arabische Liga wenig mehr als ein Instrument pro-imperialistischer, reaktionärer Potentaten, die „bestenfalls“ tönerne Resolution verabschieden, seit Jahrzehnten jedoch nichts zuwege bringen, wenn es z.B. um die Befreiung der palästinensischen Volkes gegen die zionistischen Unterdrücker geht.

Die UN ist ein Instrument des Imperialismus, das sich mit der illusionären Fassade schmückt, die „Weltgemeinschaft“ zu repräsentieren. Mandate und Beschlüsse, die irgendeine praktische Geltung haben, gibt es nur, solange es den Interessen der Großmächte dient.

Ein Eingreifen der USA, Frankreichs, Britanniens kann sich also auf ein „humanitäres“ Mandat und ungewöhnlich große Zustimmung durch die arabischen Massen stützen.

Es ist unvermeidlich, dass diese Illusionen an der harten Realität und dem Zynismus der imperialistischen Politik - siehe nur Bahrain oder Palästina - zerbrechen werden. Auch in Libyen wird eine verstärkte Intervention der Großmächte unvermeidlich dazu führen, dass die sozialen Verhältnisse des Landes - Monopol der Großkonzerne an den Rohstoffen gegen Brosamen für ihre libyschen Verbündeten, zunehmende soziale Ungleichheit, Perpetuierung reaktionären gesellschaflichter Verhältnisse wie die Unterdrückung der Frauen, der „Clans“ usw. - nicht überwunden, sondern nur gefestigt werden.

Die entscheidende Frage ist aber: Gelingt es den libyschen und generell den Massen in der arabischen Welt, diese Illusionen zu überwinden, bevor sie sich in einen Strick um ihren Hals verwandelt haben, der mithilft, die imperialistische Herrschaft in der Region zumindest kurzfristig zu stabilisieren.

Perspektive

Daher müssen die ArbeiterInnen und alle Unterdrückten auf der ganzen Welt jede Intervention der USA, Britanniens, Frankreichs und ihrer Verbündeter auch unter US-Mandat strikt ablehnen und bekämpfen!

Der Sieg der libyschen Revolution kann nicht durch die Luftschläge und politische Neuordnung durch die Imperialisten erreicht werden, sie soll dadurch vielmehr politisch instrumentalisiert und enthauptet werden.

Zur Unterstützung der Aufständischen sind Freiwillige aus den arabischen Staaten notwendig, personelle und materielle Unterstützung aus diesen Ländern. Eine imperialistische Intervention bedeutet, dass die USA, Frankreich, Britannien letztlich zum Schiedsrichter im Bürgerkrieg in Libyen werden. Luftschläge könnten der Vorbote zu einer Bodeninvasion, zu einer Besetzung des Landes werden. Im schlimmsten Fall - von dem wir durchaus noch weit entfernt sind - könnten die Aufständischen zu einer Bodentruppe der Imperialisten degenerieren. In jedem Fall bedeutet es, dass die westlichen Großmächte die politische Ordnung im Land maßgeblich bestimmen werden und ihre Kontrolle auch die Rohstoffe des Landes noch größeren werden kann. Schließlich geht es in bei allem humanitären Gerade auch darum, zu verhindern, dass Flüchtlinge nach Europa kommen.

Zur Verhinderung eines solchen Szenarios gibt es nur eine Möglichkeit - Aufklärung über und Entlarvung der wirklichen politischen Ziel der Imperialisten und der revolutionäre Kampf gegen das Gaddafi-Regime und die anderen arabischen Despoten von Bahrain bis Riad.

Die Aufständischen dürfen sich nicht zum Spielball der USA, Frankreichs, Britanniens, der UN oder der NATO machen lassen. Das heißt einerseits, dass die Führung des Aufstandes in Bengasi - so der in sich heterogene „Nationale Übergangsrat“ – den Massen selbst Rechenschaft legen und unter deren Kontrolle gebracht werden muss. Er muss diese bewaffnen, alle wesentlichen Tagungen, Entscheidungen und etwaigen Abmachungen müssen offengelegt und von den Aufständischen - v.a. den ArbeiterInnen und Jugendlichen in Bengasi u.a. „Rebellenstädten“ - getroffen werden.

Dazu sind die Bildung von demokratischen, räteartigen Strukturen als von den Massen kontrolliertes Organ und die Schaffung einer Miliz unter deren Kontrolle dringend notwendig. Diese sind gleichzeitig auch die beste Form, um einen etwaigen Ansturm von Gaddafis Truppen abzuwehren und gleichzeitig den eigenen Kampf zu organisieren, also die Führung des Kampfes zu übernehmen.

Entscheidend wird es außerdem sein, dass die Aufständischen nicht nur räte-ähnliche Kampf- und Machtorgane schaffen. Es gilt zugleich auch, eine politische Alternative zur aktuellen Führung des „Übergangsrats“, eine revolutionäre Arbeiterpartei in enger Bindung mit der ägyptischen und tunesischen Revolution zu schaffen, die für ein alternatives Programm der permanenten Revolution kämpft, das die Interessen der Arbeiterklasse und aller anderen unterdrückten und ausgebeuteten Schichten des Volkes in Libyen zum Ausdruck bringt.

Die Revolution in Libyen ist nun an einem Wendepunkt angelangt. Die drohenden Militärschläge der USA, Frankreichs, Britanniens müssen von uns mit allen Mitteln bekämpft werden!

In den imperialistischen Staaten - allen voran in Frankreich, Britannien und den USA - müssen die Gewerkschaften und die Parteien der Arbeiterklasse die Solidarität mit der arabischen Revolution damit verbinden, jetzt Massendemonstrationen gegen die Angriffe zu organisieren und eine Bewegung aufzubauen, die die imperialistische Intervention auf der Straße und durch politische Streiks stoppt.

Die Drohung von Luftschlägen und einer verstärkten imperialistischen Intervention bedeutet aber nicht, dass der Volksaufstand in Libyen - integraler Teil der Revolution im Nahen Osten und Nordafrika - seinen progressiven Charakter verloren hat. Wir bekämpfen die imperialistische Intervention nicht, weil Gaddafi nach dem UN-Beschluss zum „Anti-Imperialisten“ mutiert wäre. Wir bekämpfen sie vielmehr, weil die imperialistische Intervention v.a. das Ziel verfolgt, eine revolutionäre Entwicklung in Libyen wie im ganzen arabischen Raum zu brechen.

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