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Die Aufgaben der ägyptischen Revolution

Mubarak wurde gestürzt,  doch jetzt muss es darum gehen, die Revolution permanent zu  machen

Stellungnahme  der Liga für die Fünfte Internationale (LFI) nach Rücktritt von  Mubarak, Infomail 535, 14. Februar 2011

Freitag der 11. Februar  2011 ist bereits ein historischer Tag in der Arabischen Welt und  in Wirklichkeit auch dem Rest der Welt geworden. Die  diktatorische Präsidentschaft von Hosni Mubarak, eine der stabilsten der Region, ist zusammengebrochen nachdem Millionen  von ÄgypterInnen die Straßen beinahe jedes Dorfes und jeder  Stadt gefüllt haben. Das staatliche Fernsehen, der  Präsidentenpalast, das Parlament – all diese Gebäude waren von  DemonstrantInnen umstellt.

Die emotionale  Erleichterung war unbeschreiblich – die Bilder von feiernden  ÄgypterInnen wurden in aller Welt übertragen. Es waren die  Bilder von Menschen, die gekämpft und einen beeindruckenden Sieg  errungen haben. Neben dem Bildmaterial zum Zusammenbruch der  Berliner Mauer und dem Kampf für Bürgerrechte in den USA wird  sich auch der Tahrir Platz in diese Berichterstattungen einreihen.

Die Enttäuschung nach der  Anspräche des Präsidenten am Donnerstag, in der jede/r den  Rücktritt von Mubarak erwartet hat, wurde durch Erleichterung  und Hoffnung ersetzt.

Jeder und jede, der/die  jemals die Hoffnung während Auseinandersetzungen mit den Reichen  und Mächtigen verloren hat, alle, die jemals gedacht haben, dass  die Macht von Regierungen und Diktatoren zu stark sei, können  aufgrund der ägyptischen Ereignisse Kraft tanken. Eine Frau  sagte in einem Interview mit Al Jazeera: „Ich habe auf diesen  Moment mein ganzes Leben gewartet, nicht nur als Ägypterin,  sondern auch als Frau. Jetzt ist alles möglich, sogar Freiheit  für Palästina.“

In der Tat gab es zwar  Zeiten, in der die Revolution zu langsam erschien, vielleicht  sogar ihre Richtung verloren hat, doch die ungebrochene  Entschlossenheit der Massen, die sich selbst befreien wollten, wurde zur zentralen Triebkraft der ägyptischen Politik.  Konfrontiert mit diesen Kräften kam es zu Rissen und Spaltungen  innerhalb des Regimes, die Armee war paralysiert und die verhassten Polizeikräfte wurden von der Straße gezwungen. Die  ägyptische Revolution ist der Beweis, dass Massenmobilisierungen  Regime stürzen können. Die Revolution zeigt auch, dass  angesichts des Drucks der Ereignisse der mächtige US  Imperialismus verblüfft war und die Welle an Protesten nicht  stoppen konnte.

Der Grund für die Manöver  des Regimes am 10. Februar und die darauf folgende Ansprache des Präsidenten kann eindeutig im organisierten Eintreten der  ArbeiterInnenklasse in den Kampf gefunden werden. Die Sturheit  und Unnachgiebigkeit von Mubarak, seine Weigerung  zurückzutreten, obwohl ihm das Militär bereits die Unterstützung  verwehrt hat, hat nach dem Freitagsgebet am 11. Februar noch größere Zahlen auf die Straßen gebracht und seinen Sturz  besiegelt.

Mubarak hat nun endgültig  sein Amt zurückgelegt – und Millionen Menschen im Nahen Osten  werden nun inspiriert die kommenden Ereignisse beobachten. Wer  wird als nächstes mit Massenprotesten konfrontiert? Wer wird als  nächster gestürzt werden? Die Monarchien von Jordanien und Saudi  Arabien werden sich auch nicht ewig halten können. Das iranische  Regime wird bereits vor Angst zittern.

Doch die  ägyptische Revolution ist noch nicht vorbei

Als Mubarak zurückgetreten  ist, hat er seine Macht nicht an Suleiman, sondern an die Armee abgegeben. Jetzt regiert der Hohe Rat der Streitkräfte das Land.  Viele der Pro-Demokratie DemonstrantInnen haben tiefe Illusionen  in die Armee. „Die Menschen und die Armee sind vereint“ ist eine  weit verbreitete Losung auf den Straßen und am Tahrir Platz. Als  eine Stellungnahme, um die Basis der Soldaten für die Proteste  zu gewinnen, ist dieser Slogan lobenswert, doch wenn es um die Armeeführung geht stimmt er nicht mehr.  Die  Armee ist eine Institution, die nicht die selben Interessen wie  die breite Mehrheit der Bevölkerung hat. Natürlich: die Masse an  Soldaten wird aus der ArbeiterInnenklasse und der städtischen  Armut rekrutiert, oftmals werden sie aufgrund des wirtschaftlichen Zwangs der Arbeitslosigkeit zwangsverpflichtet.  Doch die Generäle an der Spitze sind ohne Zweifel Teil des alten  Regimes. Der Fall Mubaraks wurde durch eine Revolution  ausgelöst, die einen Teil des Regimes gezwungen hat einen  anderen zu opfern; die Generäle sind jedoch mindestens so  korrupt wie andere Teile des Regimes.

Die Rolle des Militärs in  der Politik ist fast immer eine negative. In Pakistan hat das  Militär oft in die Politik interveniert, um die Ordnung  wiederherzustellen, hat Generäle die Verantwortung von Regierungen übertragen und sich anschließend geweigert die Macht  abzugeben. In der Türkei hat die Armee regelmäßig in die Politik  interveniert, entweder durch einen Militärputsch oder die  Androhung eines solchen. In Portugal hat das Militär nach der  Revolution 1947 die Macht übernommen und eine Übergangsregierung  installiert, die für zwei Jahre im Amt blieb, bevor die ersten  verfassungsmäßigen Wahlen stattgefunden haben.

Die Armee setzt die  Stabilität und geregelte Ordnung über alles. Sie ist eine hoch  zentralisierte Repressionsmaschinerie und ein zentraler  Bestandteil des kapitalistischen Staates. Die Armee muss gespalten werden, so wie auch die NDP und das Regime gespalten  wurden.

Und genau darin besteht die  nächste Frage, die von der Revolution beantwortet werden muss.  Der Präsident ist verschwunden, aber die Armee bleibt. Die  Industriebosse behalten ihre Stellung. Die kapitalistische  Klasse bleibt in alter Position. Die westlichen Botschaften, die  mit Spionen und Diplomaten ausgestattet sind, um damit ihre  Interessen zu sichern, bleiben unberührt.

Die Energie und die Anzahl  der DemonstrantInnen kann noch mehr erreichen – die  ArbeiterInnenklasse muss ihre Streiks fortsetzen, muss ihre  wirtschaftlichen und sozialen Forderungen aufrechterhalten und ihre Macht konsolidieren. Nur eine verfassungsgebende  Versammlung, die von allen gewählt werden kann und deren  Delegierte rechenschaftspflichtig sind, kann eine neue  Verfassung ausarbeiten. Die Macht muss in die Hände der  ArbeiterInnenklasse und der Armen gelegt werden und durch ihre  eigenen Komitees des Widerstandes gefestigt werden. Die Armee  hat bereits versprochen den Ausnahmezustand zurückzunehmen –  dieser muss unmittelbar zurückgenommen werden, volle  demokratische Rechte müssen gewährleistet werden.

Die Liga für die Fünfte  Internationale steht in absoluter Solidarität mit den  ägyptischen Massen und mit allen Menschen und Völkern, die gegen  Unterdrückung kämpfen. Wir solidarisieren uns mit der ägyptischen ArbeiterInnenklasse, die sich gerade im Widerstand  befindet – jetzt ist die Aufgabe des Tages eine revolutionäre  Partei zu gründen. Viele mehr werden sich an die ÄgypterInnen  orientieren und den Widerstand in Revolutionen umwandeln. Die  Zukunft gehört den Milliarden, nicht den Milliardären.

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