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Bankenblockade am 18. Oktober

Post-Autonomer Opportunismus

Peter Lenz, Infomail 506, 18. September 2010

Verschiedene Organisationen und Einzelpersonen rufen für den 18. Oktober zu einer Blockade systemrelevanter Banken in Franfurt/Main auf. Sie treten als „Büchner-Bündnis“ auf. Einen Tag lang soll die für die Gesellschaft „ruinöse“ Geschäftstätigkeit der Banken blockiert werden, es soll den Banken „Schaden zugefügt“ werden.

Nun sind Angriffe auf Banken nichts Neues, neu ist nur das Spektrum, das sich hinter diesen Aufruf stellt. Federführend scheint dabei die „Interventionistische Linke“ (IL) zu sein. Wir kennen dieses Bündnis, diese „Möchte-Gern-Bewegungspartei“ schon aus Heiligendamm und anderen Anlässen. Insgesamt ist die IL ein Bündnis „weichgespülter“ autonomer Zusammenhänge.

Selbst schon ein „buntes“ Gemisch, versuchen sie sich in Bündnispolitik mit GewerkschafterInnen. In der IL finden sich etwa 20 Organisationen wieder, von der organisierten Autonomie in Nürnberg, Berliner Anti-FaschistInnen, Dissent- Marburg, Avanti  bis hin zur ISL und diversen Einzelpersonen wie Werner Rätz, seines Zeichens linkes Feigenblatt von Attac und Befürworter des „Bedingungslosen Grundeinkommens“.

Am 21. August 2010, als zu einer Aktionskonferenz für eine Bankenblockade aufgerufen worden war, sahen sich die ca. 200 BesucherInnen mit einer straffen Konferenzdramaturgie konfrontiert: inhaltliche Diskussionen waren nicht gefragt, zu allerletzt Diskussionen über Forderungen, das behindere nur das gemeinsame Handeln. Wir kennen ein solches Vorgehen auch von den Zusammentreffen der Sozialforen und etlichen Antikrisenbündnissen, wo auch immer die Regie von informellen Zusammenhängen geplant wird.

Wie so oft bewahrheitet sich auch hier die These, dass der „linke Radikalismus“ oft nur eine Antwort auf die Sünden der Reformisten in DGB und Sozialdemokratie und inzwischen auch der Linkspartei ist.

Die InitiatorInnen kritisierten heftig die Antikrisen-Demos der letzten beiden Jahre, teilweise auch zu recht, aber eben nur teilweise. Gerade 2010 kam es zu einem Aufschwung der nicht-reformistischen Kräfte, die es immerhin ansatzweise schafften, den DGB und seine Gewerkschaften zumindest dazu zwingen, so zu tun, als ob sie aktiv werden. Gerade diese Demos werden aber angegriffen, sie würden nur “durch leere Strassen laufen“.

Unsere Bilanz ist eine andere (siehe dazu: http://www.arbeitermacht.de/infomail/492/bilanz.htm).

Nun gibt es viel gerechtfertigte Kritik an den Gewerkschaften und der Linken. Die Demos 2009 waren ohne Folgeaktionen, bei durchaus vorhandenen betrieblichen Antikrisenaktionen wurde von der Gewerkschaftsführung immer darauf geachtet, dass diese vereinzelt, isoliert, zersplittert und unvernetzt blieben. Innergewerkschaftliche Opposition dagegen wurde und wird schärfer als in den vergangenen Jahren bekämpft. Zudem waren die Demos im Juli, insbesondere in Berlin, verschärfter staatlicher Repression ausgesetzt.

Insgesamt aber gibt es zweifelsohne ein Manko an effektiven Widerstandsformen. Vielleicht auch ein gewolltes Abgleiten seitens der Reformisten in rein symbolischen Widerstand, der bestenfalls zum Dampfablassen taugt.

Strategie der IL

Die „Gegenstrategie“ der IL besteht freilich darin, den einen Symbolismus durch einen anderen, scheinbar radikaleren zu ersetzen.

Nicht die scharfe Kritik am Reformismus, nicht die Diskussion darüber, wie die Wirkungslosigkeit zu überwinden sei, steht im Mittelpunkt. Nicht die Frage, warum Betriebsbesetzungen und vereinzelter betrieblicher Widerstand nicht wirkungsvoller unterstützt und die Agierenden besser vernetzt werden könnte, oder die Frage, warum es nicht zu druckvollen, auch politische Streiks kam, steht im Vordergrund. Überhaupt nicht behandelt wird die Frage, wie der dominierende Einfluss der sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer gebrochen und eine organisierte, handlungsfähige Opposition gegen die Bürokratie aufgebaut werden kann.

Es wird schlicht und einfach ein Wechsel in den Aktionsformen angestrebt, der die Wende bringen soll. Dazu sollen Aktionsformen aus Heiligendamm und aus Anti-Nazi-Blockaden zur erfolgreichen Anti-Krisen-Aktionsform transformiert werden.

Die Sprache der „Büchner-Aktionsgruppe“ ist verführerisch, aber im Grunde eine Sprache einer orientierungslosen rechten autonomen Strömung. Deren Mißachtung, ja Blockade jeder ernsthaften Diskussion und Aufarbeitung der Mängel des bisherigen Anti-Krisen-Widerstands wird absolut kontraproduktiv sein.

Verzicht auf Forderungen

Ebenso falsch ist eine Bewegung, die auf Forderungen verzichtet bzw. diese nicht einmal diskutieren will. Die Forderungen, die im ersten Aufruf  des „Büchner-Bündnisses“ enthalten waren, sind inzwischne aus den Aufrufen und von der Homepage verschwunden. Die Forderungen waren zwar durchaus reformistisch, nichts, was an ein Übergangsprogramm erinnern oder auf eine andere Gesellschaft zielen würde. Aber durch den Verzicht auf alle Forderungen wird das nur verschlimmert. Ein politischer Kampf um die Banken, gegen die Bourgeoisie, wird so ausgeklammert und vermieden.

Wir schaden den Banken etwas, einen Tag lang - doch was dann, wie weiter? Keine Antwort, keine Orientierung! Das ist der gleiche Kurs wie die Generalstreiks, die nur einen Tag dauern sollen, und nach denen der Bourgeoisie Ruhe gegönnt wird, ohne eine Strategie der Zuspitzung des Kampfes oder gar der Machtübernahme. Die IL scheint dieses Ziel absolut nicht zu haben, der vermeintliche autonome Tiger ist als Bettvorleger des Reformismus geendet.

Ohne ökonomischen und politischen Streik, Betriebsbesetzungen und andere radikale Aktionsformen der Arbeiterklasse, die sich in Richtung Rätedemokratie, eigene Machtergreifung und Entmachtung der Bourgeoisie entwickeln, wird jede anti-kapitalistische Strategie eine Scheinstrategie sein. Bei der „Büchner-AG“ heißt es dagegen:

„Der politische Kern des Anliegens besteht also in der Intervention in den Alltag der kapitalistischen Praxis. Wir tun das dort, wo wir es als die Menschen, die wir sind, können. Und wir tun es so, dass wir für die Gegenseite den Schaden anrichten, zu dem wir in der Lage sind. Wir sind keine Beschäftigten im Betrieb, die streiken können, sondern BankkundInnen oder Solidaritätsbewegte. Aber auch in diesen Rollen sind wir nicht handlungsunfähig. „Im Kern geht es um einen Streik, einen gesellschaftlichen Streik, der den ,Betriebsfrieden` aufkündigt, in dem wir uns als ihren Mehrwert, als Quelle ihres Reichtums verweigern. In einer Wirtschaftsordnung, die uns nur als ,Kostenfaktoren` führt, wollen wir den Preis erhöhen." (Werner Rätz in:„ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 552 / 20.8.2010, Widerstand als Breitensport“)

Die für den Kampf zentrale Frage, wie wir politische Massenstreiks gegen das Sparpaket, gegen die Kosten der Krise erzwingen können, löst Rätz stelltvertretend für das IL-Spektrum durch einen Trick. Die Blockade einer Bank durch „KundInnen und Solidaritätsbewegte“ definiert er einfach um zu einem „gesellschaftlichen Streik“.

Damit wird nicht nur der eigentlichen Aufgabe ausgewichen. Zugleich wird auch eine für sich durchaus sinnvolle symbolische Blockade der Banken zu einer „neuen Aktionsform“ hochstilisiert, die politische Wunder vollbringen soll, die sie nie und nimmer vollbringen kann.

Die Überhöhung der Blockade kommt zwar rhetorisch radikal einher. Im Grunde aber hat sie einen opportunistischen Kern. Der Kampf zur Gewinnung der Arbeiterklasse, der Jugend, der  Frauen oder ImmigrantInnen für eine revolutionäre Arbeiterpolitik - also den politischen Kampf in den Massenorganisationen und gegen den Reformismus - wird nicht geführt, bestenfalls verkommt er zu einer Nebenaufgabe neben der Suche nach der „neuesten“ Aktionsform, mit der die Reformisten aber letztlich gut leben können.

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