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Haiti

Ein Land - zwei Katastrophen

Hannes Hohn, Infomail 464, 14. Januar 2010

Haiti, eines der ärmsten Länder der Welt, wurde von einem schweren Erdbeben der Stufe 7 getroffen. Große Teile des Karibik-Staates sind verwüstet, Zehntausende sind tot. Es gibt Befürchtungen, dass sogar Hunderttausende umgekommen sind.

Die Nachrichten und die ersten Bilder sind erschreckend - vor allem, weil die Naturkatastrophe ein Land traf, das ohnehin schon besonders unter Armut, Hunger und Not leidet.

Bereits vor einigen Monaten hatte Haiti für Schlagzeilen gesorgt. Anfang 2008, kurz vor Ausbruch der Finanzkrise, waren die Lebensmittelpreise explosionsartig gestiegen, v.a. in der „Dritten Welt“. Grund dafür waren Börsen-Spekulationsgeschäfte und Währungsturbulenzen. Im April 2008 gab es daher in Haiti eine Hungerrevolte, die zu massiven Auseinandersetzungen zwischen dem Staat und den empörten und verzweifelten Massen führte und 5 Tote und hunderte Verletzte forderte. Haitis derzeitiger Präsident Rene Preval konnte sich damals nur mit Mühe an der Macht halten. Nun ist sein Regime mit einem noch dramatischeren Ereignis konfrontiert.

Natürlich ist ein Erdbeben dieser Stärke für jedes Land der Welt ein Problem, doch dass es in Haiti so viele Schäden und Opfer gibt, hat nicht nur mit dem Beben an sich zu tun, sondern damit, dass Haiti ein besonders armes, verelendetes kapitalistisches Land ist. Viele Häuser sind baufällig, v.a. in den Slums. Schon immer trieb selbst der geringste Erdstoss die BewohnerInnen aus ihren Häusern, weil sie deren Einsturz befürchten. Bauunternehmer, Spekulanten und Miethaie haben aus purer Gier oft wacklige Gebäude einfach aufgestockt, um doppelt kassieren zu können.

Viele Opfer hätten auch vermieden werden können, wenn es ein ordentliches Gesundheitssystem geben würde. Doch in Haiti mangelt es an Krankenhäusern, Ärzten und Krankenwagen. Selbst wo diese vorhanden sind, können sich die meisten HaitianerInnen medizinische Versorgung nicht leisten. Dazu kommt, dass Menschen, die nicht ausreichend ernährt sind, von Epidemien, die auch jetzt wieder ausbrechen werden, besonders bedroht sind.

Schon 2008, als es weltweit in über 40 Ländern Hungerrevolten gab, hätte das Anlass sein müssen, dass die internationalen Institutionen, die Politiker und Regierungen der kapitalistischen Welt ihre Weltordnung in Ordnung bringen - geschehen ist nichts. Der jüngste Weltklima-Gipfel in Kopenhagen ist nur ein erneutes Beispiel dafür, dass der Kapitalismus einfach unfähig ist, die großen Probleme der Welt zu lösen, ja auch nur zu mildern.

Hintergrund

Der soziale Absturz Haitis zum Armenhaus der Karibik ist nicht untypisch für die Entwicklung und die Perspektive vieler Länder der „Dritten Welt“.

Ursprünglich galt das koloniale Haiti als eines der „reichsten“ Länder der Region. Doch um seine Unabhängigkeit von der Kolonialmacht Frankreich zu erreichen, musste Haiti sich durch enorme Zahlungen „freikaufen“. Diese Zahlungen dauerten fast das gesamte 19. Jahrhundert hindurch und ruinierten das Land. Misswirtschaft unter den wechselnden korrupten Regimen kam hinzu.

Das Pro-Kopf-Einkommen lag 2007 bei ca. 600 US-Dollar jährlich. 80% der HaitianerInnen müssen von weniger als 2 Dollar am Tag leben. Auch das Problem des Hungers - in einem Land, wo mehrere Ernten im Jahr möglich sind - ist typisch. Die Landwirtschaft produziert in hohem Maße für den Export anstatt zuerst für den eigenen Bedarf.

Selbst der beträchtliche Tourismus bringt den EinwohnerInnen wenig. Die Touristik-Einnahmen des Landes stammen überwiegend aus der Verpachtung des Hafens Labadee und der dortigen Strände an die Kreuzfahrtreederei Royal Caribbean Cruises. Die Reederei zahlt Haiti jedoch nur 6 (!) Dollar pro Tourist. Das Gelände ist gegenüber dem Rest des Landes hermetisch abgeriegelt.

Den Opfern der Katastrophe helfen - und deren Ursachen bekämpfen!

Millionen Menschen auf der ganzen Welt sind tief erschüttert über die Katastrophe. Sie wollen helfen, indem sie spenden und karitative Organisationen unterstützen.

Doch was tun die westlichen Staaten, deren Weltordnung Haiti über Jahrhunderte in ökonomischer und politischer Abhängigkeit und Armut gehalten hat, um den Notleidenden zu helfen? Sie vergeben Peanuts! Die deutsche Regierung will gerade 1,5 Millionen Euro an Soforthilfe geben - ein Nichts gegenüber jenen Hilfen, welche marode Banken erhielten.

Die Regierungen der USA, der EU u.a. Profiteure der Armut des Landes müssen gezwungen werden, ohne Bedingungen für die Schäden aufzukommen und den Wiederaufbau massiv zu unterstützen. Die Schulden des Landes und die damit verbundene Zinslast müssen gestrichen werden! Um sicherzustellen, dass die Hilfsgelder und -mittel nicht in dubiose Kanäle fließen, muss deren Verteilung durch die Arbeiterklasse, die Bauern und die SlumbewohnerInnen kontrolliert werden.

Ein Wiederaufbau darf nicht bedeuten, dass anstelle alter Slums „neue“ Elendsviertel entstehen. In Städten wie Port au Prince muss es eine massives Programm zum Wiederaufbau, zur Einführung einer flächendeckenden Wasserversorgung, zum Bau von Schulen und Krankenhäusern für alle geben.

Doch das erfordert neben Entschädigungszahlungen von den Imperialisten auch, dass die großen Unternehmen und die Vermögen im Land den imperialistischen Investoren, Großgrundbesitzern und der einheimischen Elite entrissen werden müssen. Es muss bedeuten, dass die imperialistischen Grundbesitzer eineignet werden und ihr Land unter Betrieben, die von LandarbeiterInnen kontrolliert werden, unter Genossenschaften und landlosen Bauern aufgeteilt wird. Nur so kann die Landwirtschaft gemäß den Bedürfnissen der Bevölkerung umgestellt werden. Die Hafenbesitzer und die Großunternehmen der Tourismusbranche müssen ebenfalls entschädigungslos enteignet und unter Arbeiterkontrolle weitergeführt werden.

Der Kampf für ein solches Programm ist notwendig, um die Wiederholung der Hunger- und Umweltkatastrophen zu verhindern. Er ist untrennbar mit dem Kampf gegen imperialistische Ausbeutung und korrupte Marionettenregime verbunden - also mit dem Kampf für eine sozialistische Umwälzung durch eine Regierung der ArbeiterInnen, Bauern und der städtischen Armut.

Nachsatz

Unter den Trümmern der Slums in Haiti sind erneut auch Hoffnungen auf eine Verbesserung des Kapitalismus, auf dessen Reformierbarkeit begraben worden.

Selbst die Art und Weise, wie über das Ereignis in Haiti berichtet wird, sagt schon alles darüber, was Kapitalismus bedeutet. Der Autor erfuhr vom Erdbeben über den Nachrichten-Ticker auf n-tv. Der Ticker meldete eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes. Er teilte auch mit, dass ein US-Medienmilliardär eine Million Dollar für Haiti gespendet hat. Während Millionen HaitianerInnen von 2 Dollar täglich leben müssen, kann ein Milliardär sofort ganz locker eine Million geben ....

Noch makabrer war, dass der n-tv-Ticker zu einer Reportage lief, die vom Bau des weltweit größten Luxuskasino-Komplexes in Macau berichtete, welcher mehrere hunderte Millionen Dollar kostet.

Besonders krass (wenn auch ungewollt) zeigte n-tv so, dass die Reichen dieser Welt das Überleben der Menscheit einfach verzocken. Deshalb: Casino schließen! Kapitalismus stürzen!

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