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Honduras

Nieder mit dem Militärputsch!

Dave Stockton, Infomail 435, 1. Juni 2009

Am 28. Juni putschten die Generäle der honduranischen Armee mit Unterstützung des obersten Gerichts gegen den amtierenden Präsidenten Jose Manuel Zelaya Rosales und wiesen ihn nach Costa Rica aus.

Jugendliche, ArbeiterInnen und Arme, also der Großteil der Wahlbevölkerung, gingen auf die Straße, um gegen die Amtsenthebung des Präsidenten zu protestieren. Der honduranische Gewerkschaftsführer Angel Alvarado rief aus Protest gegen den Staatsstreich für den 29.6. zum Generalstreik auf.

Gegner des Putsches werden mit dem Kriegsrecht und der militärischen Besetzung der Stadtzentren bedroht. Auf DemonstrantInnen wurden Warnschüsse abgegeben. Radiosender berichten von Straßensperren und Stilllegungen des öffentlichen Verkehrs durch die Militärs, um Zelayas AnhängerInnen aus entlegeneren Regionen davon abzuhalten, in die Hauptstadt Tegucigalpa zu kommen.

Der Zivilrat der Bevölkerungs- und indigenen Organisationen von Honduras (COPINH) hat eine Verlautbarung herausgegeben:

„Wir sagen allen, dass das honduranische Volk große Demonstrationen, Aktionen in ihren Gemeinschaften und in den Stadtbezirken unternehmen wird. Brücken werden besetzt und eine Protestkundgebung vor dem Sitz des Präsidenten abgehalten. Von den Provinzen Lempira, Morazan und Visitacion Padilla rufen wir die honduranische Bevölkerung auf, allgemein für die Verteidigung der eigenen Rechte und der direkten Demokratie des Volkes zu demonstrieren. Den Faschisten sagen wir, sie werden uns nicht zum Schweigen bringen, vielmehr wird dieser feige Akt auf sie mit aller Macht zurückfallen.“

Hintergründe des Putsches

Die Krise brach aus, als die Armee sich weigerte, Wahlurnen für eine Meinungsumfrage, die von Präsident Zelaya gefordert wurde, aufzustellen. Die Frage sollte lauten: Stimmen Sie zu, dass bei den allgemeinen Wahlen im November 2009 eine vierte Wahlurne aufgestellt werden soll, mit der per Stimmzettel über die Einberufung einer nationalen Verfassungsgebenden Versammlung, die eine Verfassung billigen soll, entschieden worden soll.

Die Abstimmung am 28.6. hatte nur beratenden Charakter. Entscheidungsreferenden sind in der gegenwärtigen Verfassung streng begrenzt und verbieten eine fortgesetzte Präsidentschaftskandidatur zur Wiederwahl.

Der Befehlshaber des vereinigten Armeestabes, General Romeo Orlando Vasquez Velasquez, verbot die Verteilung der Wahlurnen für diese Abstimmung und anderer in einem Luftwaffenstützpunkt gelagerten Materialien. Daraufhin entließ der Präsident den Armeechef wegen Nichtbefolgung einer direkten Weisung des Staatsoberhaupts und stellte an der Spitze einer Mobilisierung selbst die Wahlunterlagen sicher.

Daraufhin traten alle Sektionschefs der honduranischen Streitkräfte in Solidarität mit Vasquez Velasquez zurück. Der weigerte sich jedoch, seine Entlassung anzunehmen. Dabei wurde er auch vom Kongressparlament und dem obersten Gerichtshof unterstützt, der ihn wieder ins Amt einsetzte. Die katholische Kirchenhierarchie rief ebenfalls zum Boykott des Referendums auf.

Vasquez ist wie viele andere Militärführer des Landes Absolvent der Militärakademie Schule der Americas (SOA), die von den USA errichtet worden ist. Der US-Kongressabgeordnete Joseph Kennedy bemerkte: die „US-Armeeschule der Americas ist eine Akademie, aus der schon mehr Diktatoren hervorgegangen sind als aus irgendeiner anderen in der Weltgeschichte.“

Alle Einrichtungen der honduranischen Elite wandten sich gegen Zelaya, weil sie ein Ja bei dem Referendum befürchteten. Obwohl es kein rechtsverbindliches Referendum gewesen wäre, hätte ein positives Ergebnis es unmöglich gemacht, der Bevölkerung ein echtes Referendum im November zu verwehren.

Die „Bürgerbewegung zur Wiederherstellung von Honduras“ vermerkt die große Begeisterung von Basisorganisationen für den Gedanken einer neuen Verfassung:

„Die Abstimmung ist sehr populär und hat die weit verbreitete Mobilisierung von ParteiaktivistInnen und fortschrittlichen Sektoren hervorgerufen, uns eingeschlossen. Das Volk sieht allgemein eine Gelegenheit zur strukturellen Änderung von einigen der vielen Ungleichheiten in Honduras und mit Hilfe einer neuen Verfassung zur Beseitigung von Einrichtungen, die auf Korruption und Privilegien der national und international Mächtigen beruhen.“

Mit einem Erdrutschsieg bei einer solchen Abstimmung hätte eine Welle für den gesellschaftlichen Wandel und demokratische Rechte ausgelöst werden können. Alle Macht und Privilegien der Plantagenbesitzer, der Konzerne, der Hierarchien von Streitkräften und Kirche könnten damit in Frage gestellt werden. All diese Eliten waren von der Aussicht erschreckt, dass Honduras den selben Weg gehen könnte wie Venezuela, Bolivien und Ekuador.

Doch Zelaya hat bisher wenig getan, um die gehätschelte Elite zu gefährden. Er selbst sagte nach seiner Absetzung: „Stellen Sie sich vor, wenn ich eine wirkliche Reform vorgeschlagen hätte? Sie hätten mich auf der Stelle hingerichtet.“ Auch für das Militär war er bislang keine Gefahr. Er beklagte sich:

„Das Land ist militarisiert. Ich bin der Präsident, der das Militär am meisten unterstützt hat, und sie vergelten es mit Verrat.“ Er fügte hinzu: „Wir können unsere Differenzen durch Dialog beilegen.“ Doch welche Art Dialog wäre das, wenn die eine Seite alle Waffen besitzt und die andere vollkommen unbewaffnet ist?

Die Rolle der USA

Wie sieht die Rolle der USA in dieser Auseinandersetzung aus? Zwischen 1963 und 1982 erlebte Honduras drei Putsche, in denen sich die Militärdiktaturen abwechselten. Im Januar 2009 hob Zelaya den Mindestlohn von 157 auf 285 Dollar und rief damit eine Gegenoffensive der Unternehmer hervor, die viele ArbeiterInnen entließen. Dann zog sich Zelaya die Missbilligung der USA zu, als er sich der „Bolivarischen Alternative der Americas“ (ALBA) von Hugo Chavez anschloss. Die USA wollen trotz Obamas „Charmeoffensive“ eine Radikalisierung der Lage in Honduras nicht hinnehmen. Die HonduranerInnen schauen deshalb mit Argwohn auf die USA.

Der COPINH-Rat hat erklärt, dass der US-Botschafter „im voraus - alarmiert durch die hier enthüllten Ereignisse - abgereist ist und die Direktoren der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und andere der US-Administration nahe stehenden Einrichtungen ersucht hat, das Land zu verlassen, womit er seine Mitwisserschaft über die Kräfte, die den Putsch versucht haben, gezeigt hat.“

Seit dem Putsch hat US-Außenministerin Hilary Clinton erklärt: „Die Aktion gegen den Präsidenten Manuel Zelaya verletzt Grundsätze der interamerikanischen Charta (…) sie sollte von allen verurteilt werden. Wir fordern alle Konfliktparteien in Honduras auf, die gesetzlichen Regeln zu beachten.“

Auch Präsident Obama tut so, als herrsche Waffengleichheit zwischen Putschisten und Putschopfern.

„Ich bin tief besorgt über die Berichte aus Honduras über die Entfernung und Vertreibung von Präsident Zelaya. Wie die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) rufe ich alle politischen und sozialen Handlungsträger in Honduras auf, die demokratischen Normen zu respektieren, die Regeln der Gesetze und die Grundsätze der interamerikanischen demokratischen Charta. Alle existierenden Spannungen und Streitigkeiten müssen friedlich durch Dialog und ohne Einmischung von außen gelöst werden.“

Honduras ist wirtschaftlich stark von den USA abhängig. Vor kurzem noch drohten die US-Behörden damit, Visa nicht zu erteilen, Handelssanktionen zu verhängen oder Geldüberweisungen zu blockieren, wenn US-Interessen bedroht wären. Überweisungen von honduranischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in den USA machten allein 2007 2,56 Mrd. Dollar aus - mehr als ein Fünftel des Bruttosozialproduktes von Honduras. Die USA ist bei weitem der größte Handelspartner des Landes, 62% der Exporte gehen in die USA. Es würde kaum mehr als ein heftiges Stirnrunzeln seitens der US-Regierung brauchen, um die honduranische Armee zur Räson zu bringen, wenn sie es denn wirklich wollte.

Möglich ist natürlich, dass die Netzwerke des CIA und der US-Truppen, über die viele lateinamerikanische Militärs mit dem großen Bruder im Norden verbunden sind, u.a. auch die berüchtigte Schule der Americas, weiterhin gemäß der Bush-Linie operieren oder sogar versuchen, Obama in Verlegenheit zu bringen. Der Vertreter Venezuelas bei der OAS hat beobachtet:

„Da ist eine Person, die für die US-Diplomatie sehr wichtig ist und die Verbindungen mit alten Kollegen aufgefrischt und den Staatsstreich ermutigt hat.“ Er verweist auf Otto Reich, einen ehemaligen Staatssekretär der Bush-Administration. Reich operiert nun in der Region unter dem Deckmantel einer Nichtregierungsorganisation. „Wir kennen ihn als Einfädler (…) 2002 versuchte er, die Legalität von Präsident Hugo Chavez zu  bestreiten.“

Auch wenn Obama ein solcher Putsch gerade nicht ins Konzept passt, ein zweites Venezuela-Szenario möchte er natürlich auch vermeiden. Paradoxerweise könnten die Verschwörer gerade einen solchen Prozess nun mit in Gang gebracht haben.

Ob die USA irgendetwas unternehmen, um die honduranische Elite zu zügeln, wird davon abhängen, wie beharrlich und wirksam die Massen auf den Straßen bleiben, wie wirkungsvoll die Gewerkschaften bei der Durchführung eines Generalstreiks sind und wie in der Konfrontation mit entsprechender Agitation die Truppen die Bevölkerung unterdrücken werden.

Wenn die Soldaten sich den Schießbefehlen ihrer Offiziere widersetzen, könnte der Putsch zerbröckeln und eine Radikalisierung wie in Venezuela eintreten. Entscheidend dafür wäre die Formierung von Delegiertenräten von ArbeiterInnen, der ländlichen und städtischen Armen, die den Kampf aufnehmen. Neben den Massenaktionen im Land könnte auch die verbale Opposition der meisten lateinamerikanischen Regierungen und der jetzigen US-Administration zur Fraktionierung des honduranischen Oberkommandos und der politischen und wirtschaftlichen Elite beitragen und die gegenwärtige revolutionäre Lage in eine Revolution ummünzen.

Eine große Gefahr droht durch einen Kompromiss, der zweifellos seitens der USA lanciert werden könnte, um die Massen ihrer demokratischen Rechte zu berauben, sich eine souveräne Verfassungsgebende Versammlung zu wählen, von der sie die Erfüllung ihrer lebenswichtigen Forderungen verlangen könnten. Dieser Forderungen gibt es viele.

Soziale Lage

Honduras war eine jener US-kontrollierten Halbkolonien, oft auch abschätzig als ‚Bananenrepubliken’ bezeichnet, deren Einkünfte sich in den 20er Jahren bis zu 90% aus dem Export von Bananen speisten. Kaffee und Bananen sind nach wie vor die vorherrschenden Anbau- und Ausfuhrartikel.  50,7% der honduranischen Bevölkerung leben unterhalb der nationalen Armutsgrenze. Die Vereinten Nationen schätzen, dass über ein Fünftel aller Einwohner unterernährt sind. Honduras ist nicht nur ein unsagbar armes Land, das drittärmste in seiner Hemisphäre, auch die sozialen Unterschiede sind unfassbar groß.

10% der Haushalte besitzen 42% des Reichtums von Honduras, die ärmsten 10% nur 1,2%. 44% der Bevölkerung leben laut UN-Statistik von weniger als zwei Dollar am Tag, Die Zahlen der US-Administration sprechen von 38% Arbeitslosigkeit oder Unterbeschäftigung, dabei sind über eine Million nicht mitgezählt, die auf der Suche nach besseren Lebensumständen in die USA ausgewandert sind.

Welche Lösung?

Die harten Lebensbedingungen in Honduras können nicht durch Flickwerkreformen verbessert werden. Selbst das venezoelanische Modell, das auf dem Ölreichtum des Landes beruht und der Entmachtung großer Teile des alten Armeekommandos nach dem missglückten Staatsstreich 2002, würde dem nicht genügen können. Auch das Modell des wohlwollenden, links gerichteten „sozialistischen“ Präsidenten, der alles kontrolliert, kann nicht übernommen werden.

Es stimmt zwar, dass Venezuelas soziale Reformen und die Bevölkerungsmobilisierungen, obschon unter Chavez Kontrolle, als Anregung für Millionen in Lateinamerika gewirkt haben. Aber die Ausbeutung und Ungleichheit in Honduras kann nur durch die Übernahme der politischen Geschicke durch die ArbeiterInnen und Bauern in Gestalt von demokratischen Delegiertenräten, einer bewaffneten Massenmiliz und eine revolutionäre Partei beendet werden.

Der erste Schritt bestünde darin, die Putschisten und Verschwörer davon zu jagen. Das heißt: Mobilisierung der Betriebe und der Straßen, der ArbeiterInnen und Bauern, das heißt politischer Generalstreik. Dann kann eine revolutionäre Verfassungsgebende Versammlung gewählt werden, wo die Abgeordneten der Armen radikale Lösungen für die Probleme des Landes finden können: alles Land denen, die es bebauen, Arbeiterkontrolle über die Fabriken und Banken, freie Bildung und Gesundheitswesen und eine umfassende Alphabetisierungskampagne.

Eine solche Revolution sollte nicht auf halbem Wege stehen bleiben, sondern zu sozialistischen Maßnahmen voran schreiten: Enteignung der Großgrundbesitzer, Banker und Unternehmer. Vor allem darf und kann ein Umwälzung in einem so kleinen Land nicht an seinen Grenzen halt machen, es muss die Umwälzung ausweiten: als regionale, kontinentale und letzten Endes Weltrevolution.

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