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„Neue“ SPD-Spitze

Alter Wein in alten Schläuchen

Martin Suchanek, Infomail 380, 8. September 2008

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, lautet ein altes Sprichwort. Und Spott ist das Mindeste, was die SPD verdient. Den Schaden hat leider nicht nur die Sozialdemokratie, sondern von allem jene, deren Interessen sie vorgibt zu vertreten - die  Millionen ArbeiterInnen und Angestellten, RentnerInnen, Jugendlichen und MigrantInnen: praktisch alle, die nicht zu den Gewinnern der Agenda-Politik gehören.

Es ist für die SPD bezeichnend, dass Becks Abgang einen Erfolg des rechten Parteiflügels markiert. Dabei war der Ex-SPD-Vorsitzende als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident mit „Vorschlägen“ zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit aufgefallen, die vom Berliner Finanzsenator Sarrazin stammen könnten.

Ein Kurzhaarschnitt - und schon wären „gammelnde“ Arbeitslose leicht vermittelbar. Und schwer gebeutelte Kleinunternehmer hätten angesichts von Millionen KundInnen ein tolles Umsatzplus.

Als SPD-Vorsitzender tat Beck, was einer tun muss, der eine durch und durch arbeiterfeindliche und imperialistische Politik als politische Großtat preist, sie zugleich „sozial“ tüncht und obendrein deren „Veränderung“ und eine „Nachbessern“ einfordert.

Beck verkörperte den immer weniger tragbaren Versuch, in gegensätzliche Richtungen drängenden Druck aus Partei und Gesellschaft „auszugleichen“. Einerseits musste er der wachsenden Unzufriedenheit und Wut in der Arbeiterklasse Tribut zollen und daher Themen wie den Mindestlohn forcieren, ja sogar vom „demokratischen Sozialismus“ schwadronieren. Andererseits wurde er von der Parteirechten, den Anhängern und Machern der „neuen Mitte“ schon längst zum Abschuss freigegeben und demontiert. „Überraschend“ war beim Rücktritt höchstens, dass Beck so schnell abging.

Der Kurs von Steinmeier und Müntefering

Mit Steinmeier als Kanzlerkandidat und Müntefering als Kandidat für den Parteivorsitz soll jener Kurs der „neuen Mitte,“ der in der Praxis ohnedies nie zur Disposition stand, auch wieder ohne Wenn und Aber öffentlich vertreten werden.

Angesichts der Streichung von Placebos fordert die Parteilinke, dass sie sich auch „einhaken“ und ihr hessisches „Experiment“ fortsetzen dürfe. Von Opposition und Mobilisierung gegen die Agenda-Politik keine Spur.

Vielmehr fordern Rechte wie Linke in der SPD, dass man endlich die „Programme“, Konzepte, Ideen, Verbesserungsvorschläge und all die anderen Segnungen, die die Partei resp. deren Parteitage zu bieten haben, weiter und „verstärkt“ umsetzt. Solche Drohungen kennen wir zur Genüge und wenn es eine Lehre aus der Politik von Schröder, Müntefering, Beck, Steinmeier oder Steinbrück gibt, so wohl die, dass sie ernst zu nehmen sind.

Die SPD setzt ihren Kurs fort, „Führung“ beim Exekutieren der Interessen des deutschen Kapitals zu beweisen – und koste es die Basis der eigenen Partei. Schließlich, so hofft Steinmeier, werden er und seine SPD noch gebraucht. Zum einen, um im Schulterschluss mit den sozialdemokratischen Gewerkschaftsbossen weiter den „sozialen Frieden“ in den Großbetrieben zu sichern. Und so, wie die SPD für die Agenda-Politik das Abbröckeln ihrer Basis in Kauf nimmt, so sind die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer bereit, die Gewerkschaften zu immer engeren Vertretungen einer schrumpfenden Arbeiteraristokratie in den Großbetrieben zu machen.

Neben dieser ur-sozialdemokratischen „Leistung“ kalkulieren Steinmeier und Co., dass wichtige Fraktionen des deutschen Kapitals auf die SPD auch zur Verfolgung der strategischen Interessen des deutschen Imperialismus setzen – sprich darauf, dass die deutsch-französische Führung in der EU auch als Gegengewicht zu den USA gestärkt und ein an den eigenständigen Interessen Deutschlands ausgerichtetes „partnerschaftliches“ Verhältnis zu Russland verfolgt wird.

Welche Alternative?

Diese Lage der SPD kommt in den Umfragen und bei den nächsten Wahlen fast ohne eigenes Zutun der Partei Die Linke zugute. Freilich wäre Die Linke keine reformistische Partei, sähe sie darin nicht auch eine „Verantwortung,“ der Linken in der SPD einen politischen Blankoscheck zu überreichen.

Ein rot-grüne Minderheitsregierung Ypsilantis wird jetzt erst recht ohne Wenn und Aber – sprich mit Zustimmung zum Haushalt und anderen Kröten - unterstützt werden. Wer das nicht tue und sich der Zustimmung zu deren Vorgaben verschließe, wird die Hessische SPD nunmehr argumentieren, halte nicht nur Koch, sondern auch Steinmeier, Müntefering und Steinbrück die Stange. Und die Schuld dafür will sich Die Linke keinesfalls in die Schuhe schieben lassen. Da heißt es wie in Berlin: Schönreden und durch!

So wie Münte und Steinmeier die SPD-„Linke“ an der Leine führen – so schickt sich die Hessische SPD - ganz ihrem Berliner Vorbild folgend - an, die Partei Die Linke an die Leine zu nehmen.

Trotz der erz-reaktionären Politik von Steinmeier und Co. zeigt sich darin nicht nur das Elend der Sozialdemokratie und ihres rechten, führenden Flügels. Es zeigt sich auch, dass, so wie die Bourgeoisie die SPD in ihrem Schlepptau hat, deren rechter Flügel den linken, dieser wiederum Die Linke politisch hinter sich zieht.

Auch darum ist der Kurs der Partei Die Linke keine Alternative, sondern nur eine linkere Variante derselben bürgerlichen Arbeiterpolitik. Also der Politik einer Partei, die sich zwar sozial auf die Arbeiterklasse stützt, aber den Kapitalismus verteidigt, die Interessen des Kapitals und nicht die der Lohnabhängigen vertritt. In Zeiten von Krise und Stagnation, von zunehmender imperialistischer Konkurrenz heißt die sozialdemokratisch bewerkstelligte Integration der Arbeiterklasse eben nicht mehr „Sozialstaat“ und Betriebsverfassungsgesetz, sondern Agenda 2010, EU-Verfassung, Afghanistankrieg - Steinmeier und nicht Brandt.

Die Krise der SPD, das ist gewiss, geht weiter – und das ist gut so. Die Wurzel ihrer Krise ist freilich nicht, wie manche behaupten, ihrer Abkehr von Reformismus und Sozialdemokratie geschuldet, sondern vielmehr dem Umstand, dass sie die sozialdemokratische Politik, eine Politik, die immer die bestehenden kapitalistischen Verhältnisse verteidigt, bis zur bitteren Konsequenz umsetzt.

Die Krise der SPD ist auch eine Chance – eine Chance, den Widerstand gegen die Politik der Großen Koalition und die Angriffe des Kapitals gegen einen Gegner zu führen, dessen Einfluss in der Arbeiterklasse schwächer wird. Aber es ist auch eine Verpflichtung, der Krise der Sozialdemokratie, der bürgerlichen Reformpolitik eine revolutionäre Politik gegenüberzustellen, die die aktuellen Abwehrkämpfe mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbindet.

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