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Südossetien

Was steckt hinter Georgiens Krieg mit Russland?

Richard Brenner, Infomail 376, 12. August 2008

Die Bevölkerung von Georgien und Südossetien ist in ein blutiges Machtspiel zwischen den USA und Russland um die Kontrolle über die ölreiche Kaukasusregion verstrickt worden.

Während die Weltöffentlichkeit auf das große Spektakel der olympischen Eröffnungsfeier in Peking blickte, hat US-Präsident Bushs neoliberale Marionette in Georgien, Präsident Sakaschwili, einen mörderischen Überraschungsangriff auf Südossetien gestartet, dessen Bevölkerungsmehrheit sich seit 1992 von Georgien abtrennen will und bis zum 8.8.08 unter Kontrolle von AnhängerInnen der Unabhängigkeit stand, unterstützt von 500 Mann russischer „Friedensstreitkräfte“.

Videoaufnahmen zeigen, dass georgische Düsenjäger und Artillerie Schläge gegen die südossetische Hauptstadt Tskinwali geführt haben. Die Ausrüstung wurde ihnen großzügig von den USA zur Verfügung gestellt, die seit zwei Jahren die neoliberale, unterdrückerische und pro-NATO orientierte Sakaschwili-Regierung stützt. Bei der Bombardierung und Einnahme der Stadt wurden hunderte von Zivilisten getötet und noch mehr verletzt, darunter auch Angehörige der dort stationierten russischen Sicherheitstruppe. Tausende von ossetischen Flüchtlingen wurden aus der Stadt und den umliegenden Ortschaften vertrieben.

Russland mobilisierte seinerseits Spezialeinheiten und reguläre Verbände und eroberte die südossetische Hauptstadt schnell wieder zurück. Sie bombardierten Luftstützpunkte in Nähe der georgischen Hauptstadt Tiflis sowie militärische Ziele in der Stadt Gori, wo anscheinend georgische Truppen zusammengezogen worden waren, um in Südossetien einzumarschieren. Das georgische Parlament erklärte daraufhin den Kriegszustand und berief Reservisten ein. Sakaschwili rief ausländische Mächte, namentlich die USA, um Hilfe an und versucht nun, einen Waffenstillstand zu erreichen.

Während die Kampfhandlungen andauerten, konnte sich der UN-Sicherheitsrat nicht auf eine gemeinsame Erklärung verständigen. Heuchlerische Stimmen aus dem Lager der USA und ihrer britischen Verbündeten beschworen Russland, „Georgiens territoriale Unverletzlichkeit“ zu achten, womit das Recht der georgischen Regierung gemeint war, die abtrünnigen Kräfte in Südossetien zu unterdrücken und abzuschlachten.

Die russischen Medien stellten demgegenüber heraus, dass die inkonsequente Behandlung des Rechts von Nationen auf Unabhängigkeit seitens der USA und Britanniens so entlarvend wie eigennützig ist. Sie erkennen den Kosovo an, verweigern aber Südossetien die Anerkennung. Sie fordern von Russland, die Grenzen Georgiens zu respektieren, verletzen aber ständig rücksichtslos die Grenzen des Irak und Afghanistans.

Der russische Standpunkt ist jedoch nicht weniger heuchlerisch. Ihr UN-Delegierter unterstützte am 9.8.08 scheinheilig die nationalen Rechte der Südosseten und jene der Abchasier, der anderen großen Minderheit in Georgiens Westen. Aber wer kann Russlands Bekenntnis zum Selbstbestimmungsrecht von Nationen für bare Münze nehmen, wenn es selbst die tschetschenische Nation blutig unterdrückt, die seit Jahren für Loslösung von Russland kämpft? Bei einer starken russischen Militärpräsenz in Südossetien wird dessen Unabhängigkeit bestenfalls auf dem Papier stehen.

Hinter diesem Krieg stehen sowohl auf russischer wie auf georgischer Seite die Manöver der imperialistischen Mächte und ihrer Ölkonzerne. Auf dem Spiel stehen die Ölreserven rund um das kaspische Meer und neue Gas- und Ölleitungen außerhalb der territorialen Kontrolle Russlands.

Teil dieser Winkelzüge war auch die „Rosenrevolution“ in Georgien 2003, die Sakaschwili, einen prowestlichen Neoliberalen, an die Macht brachte. Die Nichtregierungsorganisation „Liberty Institute“ mit Sitz in USA spann dabei mit die Fäden. Die USA haben die im Inland zunehmend unbeliebtere georgische Regierung mit der NATO-Mitgliedschaft zu ködern versucht, wogegen andere NATO-Mitglieder erst kürzlich Einspruch erhoben haben. Eine Bedingung für die Zulassung wäre, dass es keine fortwährenden Gebietsstreitigkeiten mit Nachbarländern gibt. Das war wahrscheinlich ein Beweggrund für Sakaschwilis misslungenen Versuch, sich Südossetiens zu bemächtigen.

Welche Position?

SozialistInnen auf der ganzen Welt sollten eine eindeutige Haltung zum russisch-georgischen Konflikt einnehmen. Unser Ausgangspunkt sind die beiden Prinzipien des Leninismus: Feindschaft gegen die imperialistischen Mächte, zumal sie nach der (Neu)aufteilung der Welt trachten, um deren Reichtümer ausplündern zu können und miteinander um die regionale Vorherrschaft zu rivalisieren, aber zugleich Beistand für das Recht der Nationen auf Selbstbestimmung bis zur und unter Einschluss des Rechts auf Formierung eines getrennten Staates, wenn sie dies wünschen.

Angewendet auf den vorliegenden Fall heißt das: völlige Ablehnung des gescheiterten Versuchs der imperialistischen Marionettenregierung in Georgien, Südossetien ruhig zu stellen, stattdessen Unterstützung des bewaffneten Widerstands der dortigen Bevölkerung. Die Rechte der georgischen Minderheit in Südossetien müssen allerdings gewahrt werden und allen Versuchen zu ethnischen Säuberungen, von welcher Seite auch immer, muss entgegen getreten werden.

Nur zwei Wochen vor dem georgischen Angriff haben sich US-Einheiten massiv an gemeinsamen Übungen mit georgischen Truppen beteiligt. Ob der Angriff auf Tskinwali, die Hauptstadt Südossetiens, im US-Verteidigungsministerium geplant worden ist oder ob Sakaschwili sich durch die US-Unterstützung so ermutigt fühlte, dass er beschloss, sich in ein provokatives Abenteuer zu stürzen, um damit den Einsatz der NATO und die USA zu einer Konfrontation mit Russland zu nötigen, ist noch ungeklärt.

InternationalistInnen in Georgien sollten in jedem Fall für den Abzug aller georgischen Truppen aus Südossetien, für den Hinauswurf aller US-Militärberater und -einheiten aus Georgien und für den Sturz des kriminellen Sakaschwili-Regimes eintreten! Ebenso müssen alle „Vermittlungen“ durch die EU oder die europäischen imperialistischen Staaten wie Deutschland und Frankreich, die z.T. im Schlepptau der USA, zum Teil im eigenen Großmachtinteresse agieren, zurückgewiesen werden.

SozialistInnen dürfen aber keineswegs die russische Militärintervention unterstützen, die ausschließlich durch die Vormachtpläne des Kremls im Kaukasus bestimmt ist, zumal sich Russland dort die Vorrechte auf reiche Ölvorkommen und die strategische Position für die große kaspische Ölleitung sichern will. Russland ist ein kapitalistischer Staat, eine imperialistische Macht, die selbst nationale Minderheiten wie die TschetschenInnen blutig unterdrückt.

SozialistInnen und InternationalistInnen in Russland müssen sich bedingungslos für das Recht der SüdossetInnen auf Unabhängigkeit einsetzen, sich aber gleichzeitig gegen Medwedjews und Putins Militärpläne wenden. Sie haben OssetInnen dazu ermutigt, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen, um so einen Vorwand dafür zu haben, das Land zu besetzen, um ihre „eigenen“ Bürger zu schützen.

Die russischen Raubkapitalisten und ihr bonapartistisches Regime haben die Gelegenheit ergriffen, die sich ihnen mit dieser Krise bot, um ihre regionale Kontrolle zu verstärken. Der russische Gesandte bei der Dringlichkeitssitzung im UN-Sicherheitsrat am 8.8.08 hat nicht nur die Beachtung der südossetische Rechte angemahnt, sondern unter Hinweis auf den Angriff auf Tskinwali auch die „Lebensfähigkeit Georgiens als Staat“ auf hinterhältige Weise in Zweifel gezogen. Jeder Versuch russischer Truppen, einen Regimewechsel in Georgien zu Stande zu bringen, wäre ein klarer Verstoß gegen die nationale Unabhängigkeit des Landes und würde die Massen in die Hände der Reaktion treiben.

Wie auf dem Balkan in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg wird der Kaukasus heute zum Schlachtfeld für innerimperialistischen Zwist und Stellvertreterkriege. Da sich nun die wirtschaftlichen Gewitterwolken global weiter zusammenbrauen, enthüllen die Anzeichen von sich zuspitzenden Spannungen zwischen den USA und Russland die Umrisse noch finsterer Zeiten. Jetzt muss sich die Arbeiterklasse auf der ganzen Welt mehr denn je von den Grundsätzen des Internationalismus leiten lassen: Unterstützung für das Recht von unterdrückten Nationen auf Selbstbestimmtheit und entschlossener Kampf gegen den Imperialismus!

Georgien - Hände weg von Südossetien!

US-Militärberater raus aus Georgien!

Russische Truppen raus aus Südossetien!

Selbstbestimmung für Südossetien und Abchasien!

Nieder mit den imperialistischen Plänen der USA, Russlands und der EU für den ölreichen Kaukasus!

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