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Bahn-Privatisierung

Nach den Kabinettsbeschlüssen der Bundesregierung

Peter Lenz, Infomail 362, 8. Mai 2008

Der Parteirat der SPD hatte mit 25 Gegenstimmen beschlossen, dass 24,9 Prozent an den DB-Transportbereichen verkauft werden sollen. Auch CDU/CSU haben dem in der Großen Koalition zugestimmt.

Börsengang

Mehdorn will im Herbst 2008 an die Börse. Verkehrsminister Tiefensee (SPD) will durch den Verkauf bis zu acht Milliarden Euro einnehmen. Der Bund will die Aktie im November oder Dezember an die Börse bringen, der Prozess könnte sich aber auch ins nächste Jahr hinziehen. "Wenn der Markt es nicht hergibt, dann wird man vielleicht noch ein, zwei, drei Monate warten", sagte Tiefensee im Deutschlandfunk. Die tatsächlichen Verkaufseinnahmen sind also unkalkulierbar (FAZ-NET, 3.5. 2008).

Trotz der globalen Finanzkrise erwarte Mehdorn einen guten Börsenwert für die Bahn. Als Investoren peilt der Konzernchef private und institutionelle Anleger an, auch Mitarbeiteraktien soll es geben.

Verkehrsminister Tiefensee erwartet keine Probleme, Investoren zu finden. Die Bahn-Aktie „werde sicher sein und für langfristigen Erfolg bei Rendite und Wertsteigerung sorgen“, sagte er. Dabei ist das Marktumfeld wegen der globalen Finanzkrise eher ungünstig (Spiegel Online = Spon 29.4.08).

Aus Kreisen des Kapitals wird bemängelt, dass - anders als bei den Börsengängen von Telekom und Post - nicht klar sei, ob sich der Bund langfristig aus der Bahn zurückziehen werde. "Das wirkt sich negativ auf die Attraktivität der Aktien aus", so Mehdorn (Spon 29.4.08).

Investoren sollen bei der Bahn zwar im Aufsichtsrat sitzen können, sollen dort jedoch kein Stimmrecht bekommen, ließ Tiefensee verlauten.

Weitere Schritte

Daher spekuliert Mehdorn bereits über weitere Privatisierungsschritte „Mit den Gewerkschaften habe der Konzern jedenfalls eine Vereinbarung, die die Privatisierung des Transportgeschäfts bis zu 49,9 Prozent möglich mache (spon, 29.4.09).“

Schienennetz und Bahnhöfe sollen komplett im Bundesbesitz bleiben. Die Erlöse sollen „zu je einem Drittel in die Sanierung der Bahn-Infrastruktur, in das Eigenkapital des Konzerns und in den Bundeshaushalt fließen (FAZ-NET, 3.5.08).“ Das neue Eigenkapital will die Bahn für Firmenzukäufe zur Stärkung ihrer Position im internationalen Markt verwenden.

CDU/CSU streben eine weitergehende Privatisierung an, was die SPD verhindern will. Die Privatisierungsgrenze von 24,9 Prozent lässt sich aber nicht langfristig festschreiben. "Was nach einer Bundestagswahl in welcher Konstellation auch immer passiert, kann man jetzt im Augenblick noch nicht vorhersehen", sagte SPD-Fraktionschef Peter Struck der ARD.

Die FDP sieht den Einstieg in die Trennung von Infrastruktur und Verkehr. Die „Schutzmechanismen“ sieht sie richtigerweise als Beruhigungsmanöver gegenüber der SPD-Linken und Transnet. Die Transportholding werde auf Kapitalerhöhung drängen, die der Bund nicht finanzieren könne - und schon sinkt der Bundesanteil unter 75 Prozent. FDP-Chef Westerwelle sprach von einem kleinen Schritt in die richtige Richtung, der aber nicht ausreiche.

Kritik der Bundesländer

„Kritik üben die Bundesländer. Der niedersächsische Verkehrsminister Walter Hirche warf der Regierung vor, die Teilprivatisierung zulasten der Länder zu gestalten und den Bundesrat zu umgehen. Die Länder bestünden aber auf einem Mitspracherecht und blieben dabei, eine Bundesratsinitiative vorzubereiten, sagte der FDP-Politiker dem NDR (Spon 29.4.08)“.

Mehdorn will jetzt die  Landesregierungen beruhigen. Er versicherte, dass es wegen der Teilprivatisierung des Unternehmens weder Streckenstilllegungen noch Arbeitsplatzabbau geben werde. Der Börsengang habe "nichts, aber auch gar nichts (Spon 29.4.08)." mit dem Rückzug der Bahn aus der Fläche oder Streckenstilllegungen zu tun.

Na klar! Deshalb sind "Privatisierungsvertrag, die Vereinbarung zur Finanzierung des Gleisnetzes, Regeln zur Sicherung des Fernverkehrs und der Tarifvertrag“  ja auch geheim oder gar nicht vorhanden, wie die Initiative „Bahn von unten“ aufzeigt.

Becks Ansehen sinkt weiter

Die SPD-Beschlüsse zur Bahnprivatisierung haben Becks Umfragewerte weiter sinken lassen. Auch in der SPD wird dieses Manöver Spuren hinterlassen. Parteitagsbeschlüsse sind für die SPD-Oberen ohnedies nur Makulatur. Die SPD-Linke ist „natürlich“ auch nicht in der Lage oder bereit, einen Sonderparteitag durchzusetzen. Dabei entschieden die Delegierten des SPD-Parteitags vom Oktober 2007 dagegen, dass Private Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Bahn erhalten sollen. Die Beschränkung der Privatanteile an den Transportsparten auf 24,9 Prozent räumt diese Bedenken nicht aus.

Der Bund kann nun zwar alle VertreterInnen im Aufsichtsrat benennen. Faktisch werden Investoren einen vom Bund dominierten Aufsichtsrat aber auf Dauer nicht akzeptieren. Tiefensee faselt von „guten Investoren“ mit „strategischen Zielen“ statt „Renditehunger.“ Aber welche „renditeunabhängigen“ Ziele sollen das sein?!

Investoren werden auf die eine oder andere Weise Einfluss auf Schienennetz und Bahnhöfe erlangen. Die Infrastruktur wird nicht in direkten Bundesbesitz kommen, sondern im Eigentum der DB AG bleiben, die im Konzern mit den Privateigentümern verbunden wird.

Sichere Arbeitsplätze?

„ Die Deutsche Bahn verzichtet bis 2023 auf Kündigungen als Folge der geplanten Teilprivatisierung. Mit der am Freitag mit den Gewerkschaften Transnet und GdBA getroffenen Einigung sichert sich das Unternehmen die Rückendeckung für den Teilverkauf. Ein Transnet-Sprecher sagte, die Beschäftigungssicherung für die nächsten 15 Jahre sei bei einem Spitzentreffen mit dem Bahnvorstand in Berlin vereinbart worden (27. April 2008, FAZ.NET).“

Die Vereinbarung gelte für Kündigungen aus „privatisierungstechnischen Gründen.“ Die Verlängerung des bestehenden allgemeinen Beschäftigungspaktes, der noch bis 2010 läuft, soll in zwei Jahren neu verhandelt werden. Für den Kündigungsverzicht hatten die Gewerkschaften angeboten, „den Privatisierungsprozess konstruktiv zu begleiten 27. April 2008, FAZ.NET).“

„Transnet-Chef Norbert Hansen hatte vor dem Treffen betont, kein Investor dürfe über Personalabbau zu einer Dividende kommen. Außerdem müsse abgesichert werden, dass der Konzern im Ganzen erhalten und nicht zerschlagen werde. Auch der konzernweite Arbeitsmarkt, der nicht mehr benötigte Eisenbahner auffängt, dürfe nicht angetastet werden.“ (27. April, FAZ.NET)

Was das in der Realität bedeutet, verdeutlicht das Bündnis „bahn von unten“:

„Geplant ist, die DB-internen Arbeitsagenturen und Zeitarbeitsfirmen in den Infrastrukturbereich im Bundeseigentum zu verschieben. Die privatisierten Transportbereiche können ihre Beschäftigten dann dorthin abschieben.“

Die Transportbereiche der DB AG werden Druck machen, um die Infrastrukturkosten zu senken. Beides müsste die öffentliche Hand zahlen.

Am 8. Mai wird dann gemeldet, dass Transnet-Chef  Hansen mit einem Job im Bahnvorstand belohnt werden soll.

„Der Vorsitzende der Bahngewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, soll angeblich in die Konzernführung aufsteigen. Der Gewerkschafter könne neuer Personalvorstand im Konzern werden, will das privatisierungskritische Bündnis "Bahn für Alle" aus Unternehmenskreisen erfahren haben. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, dieser Plan werde von der SPD unterstützt. Einen Tag später, am 9. Mai wurde das auch offiziell. Hansen will, wo so mancher Gewerkschaftsbürokrat vor ihm, Arbeitsdirektor werden.

Ablehnung der „Bahnreform“ in der Bevölkerung

Die Bevölkerung ist weiterhin mit großer Mehrheit gegen eine Privatisierung der Bahn. Einer  Emnid-Umfrage von Ende März zufolge sind nur 11 Prozent der Bevölkerung für einen Verkauf der Transportsparten. 70 Prozent der gesamten Bevölkerung, 73 Prozent der SPD-AnhängerInnen lehnen jede Bahnprivatisierung ab.

Das heißt allerdings nicht, dass man mit dem gegenwärtigen Zustand zufrieden sein kann. Schon heute hat die Bahn AG Strecken vernachlässigt, Bahnhofsgebäude verkauft, es fehlen Züge, Die Eigeninvestitionen der DB AG haben sich von 2002 bis 2007 auf zwei Milliarden Euro halbiert. In Thüringen und Sachsen-Anhalt wurden erst kürzlich weitere Verbindungen gestrichen.

Für ein Investitionsprogramm würden einmalig höchstens zwei Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Das würde nicht reichen, die Löcher zu stopfen, die der Privatisierungskurs der DB AG bereits gerissen hat.

In Hessen werden an kleinen Bahnhöfen Lautsprecher, sogar Uhren abgebaut, um Kosten zu sparen. Die Bahn arbeitet schon heute profitorientiert, was sowohl Beschäftigte als auch Fahrgäste in den letzten Jahren deutlich zu spüren bekamen.

Mehdorn hat weitreichende Pläne zur verstärkten Auslandsexpansion. Ende letzten Jahres schrieben wir in der Neuen Internationale 125:

„Mit den Logistik-Töchtern Schenker, Bax und Stinnes hat die Bahn AG in den letzten Jahren in den Weltmarkt expandiert. In Spanien hat die DBAG gerade wieder ein neues Unternehmen übernommen. Es gibt weitere Pläne und Abkommen mit Russland, China und der Türkei. Allein in China beschäftigt Schenker schon über 3.000 ArbeiterInnen im Logistikbereich. Auch die Übernahme der slowenischen Staatsbahn steht auf Mehdorns Wunschzettel.

Der Gang an die Börse soll der Bahn frisches Kapital zuführen, die Kapitalisten an zukünftigen Monopolprofiten im internationalen Transportsektor teilhaben lassen und weitere Zukäufe ermöglichen. Ziel ist dabei die Schaffung eines global agierenden deutschen Transport-Konzerns. Trotz des scheinbaren Scheiterns der Börsenpläne in der bisherigen Form werden Kapital und Regierung nicht locker lassen. Alle Investitionen werden auf dieses Ziel konzentriert. Personalkosten sollen beständig gesenkt, die Belegschaft diszipliniert werden.“

Vor allem aber bietet die aktuelle Stoßrichtung, die Bahn AG auf den Kapitalmärkten zu platzieren, keinerlei Möglichkeit, unter Beteiligung von Fahrgästen und Beschäftigten einen attraktiven Plan für den Nah- und Fernverkehr auszuarbeiten. Angesichts steigender Benzinpreise und zunehmender Umweltbelastungen sind dies aber existenzielle Fragen. Im Rahmen der Profitzielsetzungen, denen jetzt der Weg geebnet wurde, gibt es dafür keinen Platz.

Eine Privatisierung wird unweigerlich die große Masse der Bevölkerung in Form schlechterer Leistungen und höherer Preise treffen und zu weiteren Entlassungen, verschlechterten Arbeitsbedingungen usw. bei den Beschäftigten führen.

Wir brauchen keine Profitbahn und keinen Wettbewerb, der nur zu ökologischem und sozialem Wahnwitz führt. Notwendig ist vielmehr ein rationales, geplantes Verkehrssystem, das gemäß den Bedürfnissen der Beschäftigten und NutzerInnen organisiert und von diesen kontrolliert wird - ein Konzept, das nicht auf die weitere Privatisierung und Konkurrenz zielt, sondern auf die Verstaatlichung des gesamten Transportsektors unter Kontrolle der Beschäftigten.

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