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GDL-Abschluss:

Lehren des Streiks

Martin Suchanek, Infomail 240, 15. Januar 2008

Der GDL-Streik hat für viele Lohnabhängige zweifellos ein positives Signal gesetzt. Endlich wehrt sich eine Gruppe von ArbeiterInnen und Angestellten und lässt sich nicht gleich einschüchtern. Die streikenden BahnerInnen stießen trotz massiver bürgerlicher Hetze, einer selten „breiten“ Gegnerschaft von Bahnvorstand, Unternehmerverbänden, Regierung, Medien bis hin zu den DGB-Gewerkschaften auf große öffentliche Sympathie und (potenzielle) Unterstützung.

Die Tatsache, dass die GDL nicht vernichtend geschlagen werden konnte, sondern einen Teil ihrer Forderungen mittels Streik durchsetzten konnte, hat auch andere ermutigt, höhere Tarifforderungen zu stellen.

Auch wenn ein unterschriftsreifer Tarifvertrag erst Ende Januar vorliegen soll, so sind die Eckpunkte der Vereinbarung schon klar – de facto eigener Tarifvertrag für die LokführerInnen, Arbeitszeitverkürzung von 41 auf 40 Stunden ab 2009, stufenweise Lohnerhöhung auf 11 Prozent.

So positiv die Tatsache, dass sich die BahnerInnen gewehrt haben, auch ist – es muss zugleich eine kritische Bilanz des Kampfes und seines Ergebnisses gezogen werden.

Bahnvorstand und Bürokratie bremsen die Belegschaft aus

Der Kampf der GDL begann zwar als „normaler“ Tarifkampf, aber er wurde rasch zu einer politischen Konfrontation - nicht nur mit dem Bahnvorstand, sondern auch mit der Regierung, der Justiz und der Kapitalistenklasse insgesamt. Er stellte entgegen dem Willen der beteiligten Kräfte sowohl das Sozialpartnerschaftssystem bei der Bahn wie auch die ohnehin ins Trudeln geratene Bahnprivatisierung in Frage.

Diese Entwicklung und die Ungewissheit des Ausgangs einer politischen Konfrontation und eines unbefristeten Streiks der LokführerInnen haben Bahnvorstand und GDL-Bürokratie – aber auch die Regierung – dazu bewogen, einen Kompromiss zu suchen, den Kampf zu entschärfen und so einer weiteren Zuspitzung sowie einer möglichen politischen Radikalisierung der LokführerInnen vorzubeugen.

Diesen Kompromiss ging die GDL-Führung nur allzu gerne ein, weil sie selbst im Grund nur ständische Interessen verfolgte.

Das zeigte sich darin, dass die GDL-Führung die Bahnprivatisierung keineswegs grundsätzlich ablehnte oder ablehnt. In ihren Augen war der Konzern nur noch nicht „reif dafür.“

Das zeigte sich im Laufe der Auseinandersetzung auch darin, dass die GDL nicht darauf orientierte, die gesamte Belegschaft bei der Bahn für einen gemeinsamen Kampf zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Einkommen zu gewinnen, also Druck auf Transnet und GDBA wie den DGB insgesamt auszuüben. Im Gegenteil: Schell und Co. haben den Streik immer nur als reine Tarifangelegenheit der GDL betrachtet.

Dieser enge, auf die eigene Klientel zielende Interessenshorizont bezog sich – wie die Verhandlungsergebnisse bislang zeigen - nicht nur auf die KollegInnen außerhalb des GDL-Organisationsbereichs, sondern auch auf die eigenen Mitglieder. Aus dem Tarifvertrag für das Fahrpersonal, also Lokführer und Zugbegleiter, ist flugs ein Lokführertarifvertrag geworden. Die Zugbegleiter fallen durch den Rost.

Schließlich wurden die gesellschaftlichen Fragen der Bahn überhaupt nicht aufgegriffen. Der Börsengang der Bahn und ihr Umbau zu einem globalen Logistikkonzern haben ja nicht nur für die Beschäftigten, sondern mindestens ebenso für die Bevölkerung, d.h. für alle Lohnabhängigen verheerende Auswirkungen in Form von Streckenstilllegungen und permanenten Preiserhöhungen.

Praktisch ist die GDL-Spitze ebenso wie Transnet oder GDBA bereit, die Bahnprivatisierung „mitzugestalten.“ Diese sozialpartnerschaftliche Politik bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als für einige Zugeständnisse (insbesondere an die kampfstärkeren, also für den Betriebsablauf bei der Bahn strategisch wichtigen Belegschaftsteile) Verschlechterungen bei anderen Teilen und für die Gesamtklasse in Kauf zu nehmen. In diese Hinsicht ist die Politik der GDL ebenso wie jene von Transnet und GDBA schlichtweg spalterisch.

Es ist nicht nur ein „Versäumnis“ der GDL-Führung, dass sie während des Kampfes keine Forderungen gegen die Privatisierung oder gegen die Preiserhöhungen bei der Bahn entwickelt hat, sondern vielmehr Resultat ständischer Politik, dem Bahnvorstand im Gegenzug für weniger Einschnitte, ein paar Verbesserungen usw. die Privatisierung und die „Preisgestaltung“ – sprich Monopolprofite auf Kosten der „Kunden“, also der Mehrheit der Arbeiterklasse zu überlassen.

Weder vor noch nach dem Streik hat die GDL (in der Hinsicht Transnet und der GDBA durchaus ähnlich) Forderungen oder gar eine politische Konzeption einwickelt, den Kampf für die Verteidigung der Interessen der Beschäftigten mit dem Kampf für ein rationelles Verkehrssystem im Interesse der Bevölkerung zu verbinden (z.B. im Kampf für den Ausbau des Streckennetzes, für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr etc.).

Genau diese Forderungen wären es jedoch, mit denen im Streik und über den Streik hinaus die Sympathie vieler Menschen in aktive Solidarität und organisierten gemeinsamen Kampf umgewandelt hätte werden können. Dazu wäre jedoch eine gesellschaftliche Perspektive notwendig, die von den Interessen der gesamten Arbeiterklasse ausgeht und sich nicht auf die zweifellos berechtigten Interessen der Lokführer nach besserer Bezahlung und besseren Arbeitszeiten beschränkt. So ist letztlich Solidarität nicht möglich und auch keine dauerhafter Widerstand gegen die Konzerninteressen.

Fehlen einer Opposition

Für Zugeständnisse im Sinne ihres engen Standesinteresses war die GDL-Führung bereit, den Streik ohne viel Diskussion abzubrechen und damit auch dem Bahnvorstand und der Regierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Das – im Vergleich zu den DGB-Gewerkschaften eher unübliche Hin und her bis zum finalen Abschluss – war nicht mehr als dekoratives Bewerk, das dem grundsätzlichen Charakter der GDL-Politik keinen Abbruch tat und tut.

Dabei kamen der Führung drei Faktoren zugute:

a) ihr eigenes Prestige, das gerade in den ersten Monaten des Kampfes aufgrund der Hetze durch Medien, Bahnvorstand, Gerichte, DGB-Gewerkschaftsbonzen gestiegen war;

b) das Fehlen einer eigenen politischen und gesellschaftlichen Perspektive der Basis, die über jene des GDL-Vorstandes hinausging, und damit

c) das Fehlen einer eigenständigen Organisierung an der Basis, des Kampfes um die Kontrolle über den Streik, über den Gegenstand der Verhandlungen, die Wahl und Abwählbarkeit von Streikleitungen etc.

Das widerspiegelt, dass auch die LokführerInnen in ihrer großen Mehrheit auf keine politische Klassenkonfrontation vorbereitet waren und wie die GDL-Spitze auf einen eigenen Tarifvertrag hofften. Sie waren verwundert, als sie z.B. zu spüren bekamen, dass die Gerichte Organe der Klassenjustiz sind, dass die Presse eben nicht „objektiv“ berichtet usw. usf.

Hinzu kommt - und das ist am allerwenigsten Schuld der LokführerInnen oder der GDL - dass es weder eine klassenkämpferische oppositionelle Basisbewegung in den Gewerkschaften noch eine, und sei es auch kleine revolutionäre Arbeiterpartei gibt, die das Bewusstsein der Streikenden über den Charakter ihres Kampfes oder die praktische Solidarität in anderen Sektoren der Klasse in Form von Massenaktionen hätte organisieren können.

Diese politischen Aufgaben sind es, die wir anpacken müssen, um zukünftige, unvermeidliche und noch weit heftigere Kämpfe bei der Bahn und in anderen Bereichen erfolgreich bestehen zu können!

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