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Britannien

Überflutungen enthüllen Labours Gleichgültigkeit in der Klimafrage

Stellungnahme von Workers Power, Infomail 318, 30. Juli 2007

Am Freitag, dem 20.7., ergoss sich eine Regenmenge, die sonst in zwei Monaten fällt, innerhalb von nur 24 Stunden über die Midlands und Südengland. Weitere Regenfälle sind vorhergesagt. Gloucestershire und Oxfordshire sind die am schlimmsten betroffenen Gebiete. Mehr als 2.000 Menschen mussten evakuiert werden, 45.000 Wohnungen sind ohne Strom, 35.0000 ohne Trinkwasser.

Die Überschwemmungen ereigneten sich gerade einen Monat nach ähnlichen Unwettern, die Doncaster, Sheffield und Hull verheerend trafen. Allein in Hull wurden 20.000 Wohnungen zerstört, und 7.000 Menschen leben noch in Hotels oder in Behelfsunterkünften. Der Verband britischer Versicherer beziffert die Gesamthöhe für Reparatur- und Reinigungsrechnungen für beide Überflutungen auf annähernd 2 Milliarden britische Pfund. Auch Behörden bestätigen, dass die diesjährige Flut schlimmere Ausmaße als jene von 1947 hat.

Auf  diesen nationalen Notstand hat die Labour-Regierung jedoch völlig unzureichend reagiert. Die Lösungsvorschläge der anderen kapitalistischen Parteien, der Tories (Konservative) und Liberaldemokraten, sind keinen Deut besser.

In unheimlicher Weise ahmt die Staatsgewalt die Vorgehensweise der Nationalgarde in den USA nach, deren erste Reaktion auf die Überschwemmung im Gefolge des Orkans Katrina 2005 in New Orleans Schüsse auf angebliche schwarze Plünderer waren. Die West Mercia Polizeiverwaltung gab sofort eine Warnung gegen „Gelegenheitsdiebe…, die es auf verlassene Fahrzeuge abgesehen hätten“, heraus. Zuerst Schutz des Eigentums - das ist das Glaubensbekenntnis, welches in die Köpfe dieser Hüter des Kapitalismus gehämmert wurde.

Fast alle kapitalistischen Politiker erkennen an, dass das Hochwasser teilweise auf den Klimawandel zurückzuführen ist. Das Meer erwärmt sich, mehr Wasser verdunstet und es regnet heftig und in Strömen. Doch zwischen einer solchen Erkenntnis und einer angemessenen Reaktion darauf liegen Welten, denn der Kapitalismus stützt sich auf Privateigentum, nationale Grenzen und Profite.

In einem Interview mit der BBC sagte Premierminister Brown: „Wie jedes fortgeschrittene Industrieland stellen wir uns auf einige Fragen ein, die im Umfeld des Klimawandels liegen. Es ist ziemlich klar, dass einige der Strukturen des 19. Jahrhunderts, mit denen wir es zu tun haben - Infrastruktur und wo sie lokalisiert sind -, überprüft werden müssen. Wissenschaftler sagen unmissverständlich aus, dass gehäufte Regenfälle keine Frage des „Umfeldes eines Klimawandels“ sind, sondern dessen unmittelbare Folge. Doch unbeeindruckt davon schilderte Brown lässig die Katastrophe, die Hunderttausende in Mitleidenschaft gezogen hat, als einmaliges Ereignis: „Das war, wenn Sie so wollen, eine Verkettung von Zufällen, die alle 150 Jahre einmal sowohl in Yorkshire und Humberside wie auch nun in Gloucestershire und dem Severn-Bezirk vorgekommen sind.“

Brown will Ausgaben für wirkliche Schutzmaßnahmen und die Modernisierung der Infrastruktur vermeiden. Deswegen versucht er, die Sache herunterzuspielen, indem er sie für außergewöhnlich erklärt. Aber Wissenschaftler des britischen Klimaauswirkungsprogramms haben die steigende Häufung und Intensität von Überschwemmungen schon ein Jahrzehnt zuvor vorhergesagt. Die Abteilung für Umwelt warnte davor, dass die Regierung ungenügend vorbereitet sei auf die Nachwirkungen solcher Hochwasser wie 2004 oder 2005. In seiner berühmten ‚Klugheit' geruhte der Eisenkanzler, diesen Rat in den Wind zu schlagen.

Baronesse Young, die Vorsitzende der umlagerten Umweltagentur, sagte, dass mittellose Stadtverwaltungen und „deren Wassergesellschaften“ (die schon lange privatisiert sind) das Kanal- und Abwassersystem aus der viktorianischen Ära ver- und ausbessern müssten. Hilary Benn kündigte eine „unabhängige Prüfung“ an, versprach aber nur das „Gutachten“ für Pläne zum Bau von 3 Millionen Wohnungen, viele auf überfluteten Flächen, bis 2020 „zu verschärfen.“ Die Wohnungsministerin Yvette Cooper erklärte, es sei „unrealistisch“, keine Wohnungen in hochwassergefährdeten Gegenden zu bauen.

Gordon Brown hat im letzten Jahr persönlich den Rotstift bei dem Planungshaushalt der Umweltagentur um 15 Millionen Pfund angesetzt. Die Regierung hat jetzt vereinbart, den Ausgabenetat bis 2011 für die Agentur von 600 Millionen auf 800 Millionen  Pfund aufzustocken. Die völlige Unzulänglichkeit dieser Maßnahme wurde von Baronesse Young enthüllt, als sie der BBC mitteilte, dass die Arbeit an dem Hochwasserschutzsys­tem allein 1 Milliarde im Jahr kosten würde.

Notprogramm gegen Überschwemmungen

Wir können den Kapitalisten und ihren Politikern, die ihnen dienen, nicht den Schutz der Bevölkerung oder unserer Gemeinwesen vor den Auswirkungen der Erderwärmung anvertrauen, geschweige denn deren Umkehr. Wir rufen darum die Arbeiterbewegung, Umweltschutzkampagnen, Mieter- und Anwohnervereinigungen sowie die antikapitalistische Jugend auf, eine Massenkampagne zu initiieren, die die Regierung zwingen soll: a) ein massives öffentliches Ausgabenprogramm für den Ausbau des Hochwasserschutzes aufzulegen und b) ernsthafte Maßnahmen zur Verringerung der Auswirkungen des Klimawandels zu ergreifen.

Die notwendigen Maßnahmen sollten aus einer Besteuerung der Reichen bezahlt werden, um sicher zu gehen, dass die Überflutungskrise nicht als Ausrede herangezogen wird, unsere öffentlichen Dienste wie den NHS (nationale Gesundheitsversorgung) mit Kürzungen zu Leibe zu rücken.

Der Staat sollte voll für die Kosten der Evakuierungen, Aufräumarbeiten, Reparaturen und Neubaumaßnahmen, die infolge des Hochwassers nötig wurden, bürgen. Private Versicherer sollen gezwungen werden, den Schaden für Anrainer und Kleinbesitzer voll zu ersetzen. Diejenigen, die sich weigern, die Prämien anzuheben, um Flutopfer auszunehmen oder sich weigern, diese weiter zu versichern, sollen entschädigungslos verstaatlicht werden!

Alle Politiker und Klimawandelexperten stimmen darin überein, dass solche Unglücke zukünftig wieder passieren werden. Um uns darauf vorzubereiten, brauchen wir eine staatliche Grundabsicherung, die für Schäden haftet, ohne die Opfer auszubeuten. Die großen Versicherungskonzerne sollen enteignet und in eine staatliche Einheitsversicherung übergeleitet werden, die nicht nach dem Profitprinzip funktioniert.

Es darf keine Gemeindesteuererhöhungen geben, um für Deichreparaturen aufzukommen; besteuert die Reichen durch Progressivsteuern auf Betriebsgewinne und große Vermögen!

Die örtliche Arbeiterschaft soll das Schadensmaß mithilfe der Gewerkschaften und Experten ihres Vertrauens abschätzen, Vorrangigkeit der Notarbeiten festlegen und Aufräum- und Reparaturoperationen überwachen.

Der Klimawechsel kann verlangsamt werden. Doch wiederkehrende Hochwasser wie 2007 bleiben in unmittelbarer Zukunft eine Tatsache. Deshalb müssen Britanniens Hochwasserschutz, Infrastruktur und neue Baupläne, z.B. für Häuser, schwere Fluten einkalkulieren. Der Staat muss alle Vorkehrungen treffen, die Arbeiten müssen unter Arbeiterkontrolle und mittels verstaatlichter Industrien ausgeführt werden (Bauten, gemeinnützige Einrichtungen u.ä.). Die privatisierten Wasserwerke sollen ohne Entschädigungszahlungen an ihre früheren Besitzer verstaatlicht und unter Arbeiterkontrolle betrieben werden.

Neue Häuser

Es gleicht einer Ironie, dass Wohnungsbauministerin Yvette Cooper just das neue Grünbuch im Unterhaus vorstellte, als die Nachrichten über das Ausmaß des Hochwassers noch spärlich durchsickerten. Die Klassenorientierung der Antwort der Labourregierung auf die Wohnungsverknappung war eindeutig: 3 Millionen Wohnungen bis 2010, von denen kaum 70.000 „erschwinglich“ und nur 45.000 für den Mietsektor sein sollen.

Kurz: Labour reagiert auf die missliche Lage der Mittelklasse und die Furcht besser verdienender ArbeiterInnen angesichts steigender Immobilienpreise. Millionen leben in überbelegten Heimen unter dem Standard und brauchen billige Mietwohnungen. Doch ihren Bedürfnissen wird nur zu 1,5% der neuen Immobilien Rechnung getragen, während jene, die sich kaum eine Teilhypothek (sog. geteiltes Eigenkapital) leisten können, in den nächsten 3 Jahren sich um erbärmliche 25.000 neue Wohnräume balgen müssen. Sollte es mit den Zinsen bergauf gehen oder die Arbeitslosigkeit in den nächsten 25 Jahren steigen, was im Kapitalismus beinahe sicher ist, werden die Hypothekenverleiher selbst einige davon wieder in Besitz nehmen.

Cooper versuchte, Kritik an den Neubauplänen der Regierung in Hochrisikogegenden unter Verweis auf York und London zu zerstreuen: „Sie wissen, [York] wurde von den Römern in einem Überschwemmungsgebiet erbaut. Downing Street 10 liegt in einer Hochwasserebene. Wenn Sie ordentlich geschützt sind und vernünftige Deiche vor Ort haben, sind neue Häuser sicher, müssen Sie wissen.“

Doch diese Verdrehungskünstlerin sollte niemanden täuschen. York ist eine der am häufigsten und heftigsten unter Wasser stehenden englischen Städte. Gegenwärtig wäre es verbrecherisch, dort noch mehr Häuser hinzusetzen. Downing Street verfügt vergleichsweise über Schutzvorrichtungen. Will Cooper damit sagen, dass die billige Sorte Eigenheime, die sie befürwortet, alle Vorzüge eines Schutzes à la Downing Street genießen werden? Natürlich nicht! Labours Lobgesang auf die Marktwirtschaft wird diktieren, dass exakt die „erschwinglichen“ Heime ohne hinreichende Abwehrvorrichtungen in Hochrisikogebieten gebaut werden.

Es mag nötig sein, einige neue Häuser in Hochwasserregionen zu bauen. Aber sie sollten weder in den Hochrisikogebieten noch ohne notwendige eingebaute Vorrichtungen in Gebäude und Infrastruktur entstehen. Darüber hinaus sollte Wohnen ein Recht für Alle sein, keine auf dem Markt gehandelte Ware, der durch seine wahre Natur dafür sorgt, dass es für die, die sich anständige Wohnungen nicht leisten können, unterdurchschnittliche Varianten an Behausungsmöglichkeiten gibt.

Wir fordern, dass die Regierung alle 3 Millionen neue Immobilien errichtet, um den Engpass aufzuheben. Sie sollten gegen billige Mieten im öffentlichen Sektor entstehen, über die neueste Technologie zur Verringerung der Kohlendioxidabgase und des Abfalls verfügen sowie in den sicherst möglichen Regionen liegen. Die Arbeiterklasse soll mit Mietervereinigungen und Wohnviertelkomitees und Gewerkschaften darüber entscheiden, wo und welche Sorte Häuser gebaut werden sollen.

Klimaveränderung und Sozialismus

Diese Überschwemmungen sollten jedermann deutlich machen, wie unvorbereitet der kapitalistische Staat darauf ist, mit den Auswirkungen der Klimaverschiebung fertig zu werden. „Ökosteuern“, dazu ersonnen, Verbraucher anzuspornen, mehr umweltverträgliche Erzeugnisse und Dienstleistungen zu kaufen, Emissionszertifikathandel, wo die riesigen Multis und reichen Nationen die „Verschmutzungsrechte“ von anderen Kapitalisten und halbkolonialen Ländern aufkaufen, sowie andere Marktmechanismen sind völlig unangemessen. Mit dem CO2-Handel wird beabsichtigt, massive Erweiterungspläne für Kohlendioxid emittierende Branchen in den entwickelten Nationen zu schüren, indem die weniger entwickelten die Hauptlast des Kampfes gegen den Klimawandel zu tragen gezwungen werden.

Der Kapitalismus ist durch den Kampf um Profitmaximierung und Privateigentum gekennzeichnet. Hinzu kommt, dass er ein System von Nationalstaaten ist. All das macht eine rationale und globale Antwort auf die Klimaveränderungen auf dem Bodes dieses Systems unmöglich. Die Krise ist aber als globale bestimmt. Die internationale Arbeiterklasse ist die einzige Kraft, die eine weltumspannende Lösung durchsetzen kann - eine, die den Klimawandel frei von den Zwangsjacken privater Profit und Nationalismus bekämpfen kann. Das ist aber nur unter einer demokratisch geplanten Wirtschaft möglich - im Sozialismus.

Weltweit sollte die Arbeiterbewegung als nächste Forderungen u.a. eintreten für:

einen organisierten Ausstieg aus der auf fossilen Brennstoffen und Kohleverbindungen ausstoßenden Techniken beruhenden Energieerzeugung; Weiterbeschäftigung von Werktätigen in aufgegebenen oder heruntergefahrenen Industriezweigen ohne Lohneinbußen und Verschlechterungen sonstiger Arbeitsbedingungen;

Nationalisierung des Bau- und Ausrüstungsgewerbes, der Energieerzeugung und des Verkehrswesens unter Arbeiterkontrolle ohne Entschädigungszahlungen an die vorherigen Eigentümer, damit wir die Zukunftsentwicklung als nachhaltige planen können, gemäß den Bedürfnissen und nicht für Profit, damit wir die Auswirkungen der Entwicklung auf unser Klima in Rechnung stellen können.

Das Ringen um den Erhalt der Umwelt und die Umkehrung ihrer Verschlechterung ist Teil des revolutionären Kampfs gegen den Kapitalismus im 21. Jahrhundert, um dem System von Umweltzerstörung, Ausbeutung und Krieg ein Ende zu bereiten.

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