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Tarifverhandlungen Buchhandel/Verlage Bayern

Ein aktiver Arbeitskampf ist möglich

Korrespondentin München, Infomail 315, 4. Juli 2007

In der letzten Tarifrunde 2006, als der Mantel- und Gehaltstarifvertrag verhandelt wurde, hatte der Arbeitgeberverband Buchhandel/Verlage sämtliche Regelungen aus dem Manteltarifvertrag (MTV) in Frage gestellt. Ihr erklärtes Ziel ist nach wie vor, eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich, Kürzungen bei den Kündigungsfristen, die Streichung von Sonderkündigungsschutzrechten für ältere KollegInnen und bei Rationalisierungsmaßnahmen, Kürzungen bei den Zuschlägen für Sonn- und Feiertags- und Mehrarbeit und Kürzungen bei den Sonderzahlungen (Weihnachts- und Urlaubsgeld) durchzusetzen.

Ausgangssituation

Nach mehreren Streiks gegen diese Absicht, den MTV vollständig auszuhöhlen, wurde in der letzten Tarifrunde 2006 der Manteltarifvertrag für ein Jahr verlängert. Mittlerweile ist die Laufzeit des MTVs zum 31.03.2007 ausgelaufen und dieser gilt nur noch in der „Nachwirkung“ (Regelungen aus dem MTV gelten rechtswirksam nur noch für Gewerkschaftsmitglieder).

Im letzten Sondierungsgespräch Anfang dieses Jahres zwischen der ver.di-Tarifkommission und dem Arbeitgebeverband wurde ausgemacht, dass der MTV erst wieder im Herbst verhandelt werden soll und dass Verhandlungen zum Gehaltstarifvertrag, der zum 1. April 207 auslief, diesmal unabhängig vom Manteltarifvertrag durchgeführt werden. In den letzten Jahren wurde vom Arbeitgeberverband immer versucht, hohe Gehaltsforderungen von ver.di mit Verschlechterungen im MTV zu erkaufen. Die ver.di-Tarifkommission hat sich auf dieses Kompensationsgeschäft nicht eingelassen, und konnte auch deswegen in den letzten Jahren nur sehr bescheidene Gehaltserhöhungen durchsetzen.

Die Gehaltstarifverhandlungen

Die ver.di-Tarifkommission hat dies zum Anlass genommen, eine Gehaltsforderung von fünf Prozent aufzustellen. Eine Forderung, die den Reallohnverlust der letzten Jahre und die immer größere werdende Schere zwischen den Gewinnsteigerungen der Unternehmen und des zunehmenden Gehalts- und Lohnverlustes der Kollegen/innen zumindest zum Teil kompensieren soll.

Die erste Tarifverhandlung zwischen Arbeitgeberverband und Tarifkommission, die nach zweimonatiger Verzögerung von Seiten des Arbeitgeberverbandes, am 12. Juni stattfanden, wurde von ver.di nach kurzer Verhandlung ergebnislos abgebrochen. Der Arbeitgeberverband konnte sich angeblich nicht mehr an die Abmachung, MTV und Gehaltstarifvertrag separat zu verhandeln, erinnern. Er war nur bereit, ein Angebot zu machen, wenn ver.di bereit sei,  beim MTV Zugeständnisse zu machen.

Das zeigt, dass der Arbeitgeberverband weiterhin fest entschlossen ist, gerade beim MTV einen größeren Einbruch zu durchzusetzen, um die Personalkosten drastisch zu senken. Der Vertreter des Buchhandels, der auch der Verhandlungsführer im Verband ist, hat hier eine Vorreiterrolle: Im Buchhandelsbereich ist ein harter Kampf um den Buchmarkt entbrannt, in dem nur die großen Handelsketten überleben können, die auch in anderen Bundesländern Filialen eröffnet haben, um die Renditen halten zu können. Neben dem Kampf um die Vergrößerung der Marktanteile, in dem einige Buchhandlungen zugrunde gehen werden, geht es um die drastische Senkung der Personalkosten. Dafür müssen die Unternehmer einen drastischen Einbruch im MTV erreichen - bis dahin, dass der Flächentarifvertrag insgesamt in Frage gestellt wird. Darauf müssen sich die Beschäftigten und die ver.di Tarifkommisssion einstellen.

Im Buchverlagsbereich ist die Situation zwar nicht ganz so drastisch, aber auch hier hat natürlich kein Gesellschafter Interesse daran, dass der MTV in seiner Gesamtheit erhalten bleibt.

Die Streikbewegung

Die Voraussetzungen, diese Gehaltsforderung durchzusetzen und den MTV in seinem Bestand zu erhalten, sind problematisch, aber auch nicht aussichtslos. Es hängt davon ab, ob es gelingt, die Grundlage der Streikbewegung zu verbreitern und zu intensivieren. Wichtig ist auch, dass andere Tarifbereiche wie Baden-Württemberg, die auch gerade in Tarifverhandlungen sind, nicht einbrechen!

Die Streikbewegung in Buchhandels- und Verlagsbereich ist dadurch geprägt, dass es nur wenige Buchverlage und Buchhandlungen gibt, die streikfähig sind. Das liegt zum einen daran, dass sich der Arbeitgeberverband früher an die Abschlüsse im Einzelhandel gehalten hat und diese weitgehend übernommen hat, von daher war von Seiten der Gewerkschaft nie die Notwendigkeit gesehen worden, die Kolleginnen und Kollegen in ganzer Breite in den Streik zu führen; zum anderen handelt es sich bei den Belegschaften um eine Klientel - zu 80 % Angestellte -, die von ihrer materiellen Grundlage her stärker ideologisch an die Geschäftsleitung gebunden werden durch zahlreiche materielle Verbesserung und Aufstiegsmöglichkeiten.

Dass aber auch Angestellte durchaus mobilisierbar sind, zeigt die Situation bei Hüthig Jehle Rehm (HJR) in München, einem juristischen Fachverlag, der zum Konzern des Süddeutschen Verlages gehört:

In diesem gibt es seit ca. 5 Jahren zu jeder Tarifrunde regelmäßig Streiks, an denen sich ca. 70 bis 80 Prozent der Belegschaft beteiligen.

Das liegt zum einen daran, dass der BR seine Aufgabe, die Einhaltung der Regelungen aus dem MTV zu überwachen und durchzusetzen, in seiner praktischen Betriebsarbeit der Belegschaft gegenüber sichtbar macht und bei der Durchsetzung auch den Konflikt mit den Geschäftsführungen sucht. Auf der anderen Seite liegt es auch daran, dass eine gewerkschaftliche Struktur - eine ver.di-Betriebsgruppe - existiert. In dieser können sich Gewerkschaftsmitglieder und (noch) nicht Gewerkschaftsmitglieder des Verlages organisieren, die Strategie, wie die Forderungen gegen den Arbeitgeberverband durchgesetzt werden können, diskutieren und umsetzen und sich darüber klar werden, was hinter der Vorgehensweise des Arbeitgeberverbandes steckt.

Bei der diesjährigen Runde haben die KollegInnen von HJR München zwei eintägige Streiks kurz hintereinander durchgeführt. Zum ersten eintägigen Streik haben die KollegIinnen der ver.di-Betriebsgruppe die Belegschaft innerhalb von zwei Tagen mobilisiert. Diese fand einen Tag nach der ersten Verhandlungsrunde statt zusammen mit den KollegInnen der Süddeutschen Zeitung, die sich auch gerade in Tarifverhandlungen befinden. Auch bei den Angestellten der Süddeutschen wurde der Streikaufruf sehr gut befolgt, das Streikversammlungslokal war voll, die Stimmung sehr kämpferisch. Der zuständige Gewerkschaftssekretär für die Angestellten der Zeitungsverlage hat in seiner Ansprache klar gemacht, dass es bei den Verhandlungen nicht darauf ankommt, wer am besten für seine Forderungen argumentieren kann, sondern darauf, ob die KollegInnen selbst bereit sind, in den Kampf zu gehen, um ihre Forderungen durchzusetzen.

Nach der Streikversammlung diskutierten einige KollegInnen von HJR, wie der Streik weiter fortgeführt werden soll. Die KollegInnen waren sich schnell darüber einig, dass jetzt aufgrund der Blockadehaltung des Arbeitgeberverbandes sehr schnell ein erneuter eintägiger Streik erfolgen muss. Geeinigt wurde sich darauf, dass zusammen mit den KollegInnen des Weltbildverlages, die letztes Wochenende einen dreitägigen Streik in der Auslieferung durchgeführt haben, ein Tag gemeinsam gestreikt wird. Weiter wurde beschlossen, dass die KollegInnen von HJR eine gemeinsame Streikversammlung mit den streikenden KollegInnen des Weltbildverlages durchführen sollen. Zum einen, um dem Arbeitgeberverband zu zeigen, dass die KollegInnen gemeinsam fähig sind, Streiks durchzuführen und zum anderen, um sich gegenseitig den Rücken zu stärken.

Auch wenn die Diskussion mit den KollegInnen bei diesem zweiten Streik schwieriger waren als beim ersten Streik, haben sich wieder ca. 70 % der KollegInnen dem Streik angeschlossen und der größere Teil ist zur Streikversammlung nach Augsburg, auf der diese herzlich von den WeltbildkollegInnen begrüßt wurden, gefahren.

Fazit

Die zwei eintägigen Streiks bei HJR kurz hintereinander waren ein Novum für die Belegschaft, was zeigt, dass die KollegInnen die Schnauze voll haben, ständig mehr Arbeit aufgehalst zu bekommen, ohne die entsprechende Entlohnung dafür zu erhalten. Diese Bereitschaft zeigt aber auch, dass die Einsicht in die Notwendigkeit, sich selbst für die eigenen Interessen einzusetzen und dafür in den Streik zu gehen, relativ hoch ist.

Dies wäre nicht möglich gewesen, wenn zum einen KollegInnen aus der ver.di-Betriebsgruppe nicht ständig in Diskussion mit den KollegInnen gewesen wären. Zum anderen wären diese beiden Streiks nicht möglich gewesen, wenn sich der gewerkschaftliche Organisationsgrad der Belegschaft nicht weiter erhöht hätte und wenn nicht mehr KollegInnen bereit und in der Lage gewesen wären, die Belegschaft in den Streik zu führen. Von anfangs 2-3 KollegInnen diskutieren jetzt sechs mit der Belegschaft und versuchen sie davon zu überzeugen, dass die einzige Antwort auf die Blockadehaltung des Arbeitgeberverbandes Streiks sind.

Doch darf man auch nicht verheimlichen, dass sich die Streikbewegung bei HJR jetzt auch in einer kritischen Phase befindet: Bereits beim zweiten Streik kamen bei der Belegschaft Zweifel auf, ob sie stark genug sind, die Forderungen durchzusetzen, wenn nicht andere Verlage und Buchhandlungen in die Streikbewegung gezogen werden. Zum anderen zögern einige KollegInnen noch vor dem entscheidenden Schritt, Arbeit liegen zu lassen und damit den Umsatz des Verlages zu treffen.

Auf dem letzten Treffen der ver.di-Betriebsgruppe haben die KollegInnen darüber Bilanz gezogen und Schritte entwickelt, wie diese Probleme überwunden werden können.

Entscheidend ist jedoch, dass eine Arbeit wie bei HJR im gesamten Einzugsbereich von ver.di geführt werden muss. Das wird aber durch den Apparat und die Gewerkschaftsspitze nicht passieren. Dazu ist vielmehr die Organisierung der Beschäftigten, v.a. der Aktiven in ver.di über die Betriebsgrenzen hinaus notwendig - der Aufbau einer klassenkämpferischen Basisbewegung.

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