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Sarkozys Gesetzesentwurf zur „Kriminalitätsvorbeugung“

Wie die Regierung auf den Aufstand der Vorstädte reagiert

Infomail 289, 1. Dezember 2006

Seit Jahren bauen die liberalen Politiker soziale Rechte ab und machen die Lage der Lohnabhängigen immer prekärer und die soziale Unsicherheit größer, so z.B. durch die Reform der Sozial- und Krankenversicherung und der Renten, durch die Einschränkungen der Kranken- und Altenpflege, durch die Wohnungsnot. Die EmpfängerInnen des RMI (Mindestlohns) werden immer zahlreicher und die Lebensbedingungen in den Vorstädten schwieriger. Die Ungleichheiten war noch nie so groß: der Kapitalismus produziert Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung und Not in immer größerem Maßstab. Der Sozialabbau geht mit immer repressiveren Gesetzen einher, da die Bourgeoisie ihr eigenes System nur so schützen kann. Es geht also für sie darum, die untersten Schichten als „Terroristen“ zu brandmarken.

Der französische Senat hat am 21. September einen Gesetzesentwurf gegen die Kriminalität angenommen, den die Nationalversammlung am 21. November prüfen soll. Am 5. Dezember wird das Gesetz endgültig verabschiedet.

Dieses Gesetz wird seit über drei Jahren auch von allen, die damit beruflich zu tun haben, bekämpft: so von den Beschäftigten im sozialen und medizinisch-sozialen Bereich, der Justiz und der Erziehung, aber auch von verschiedenen Organisationen (z.B. der Liga zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte) und den Gewerkschaften (CGT, FSU, Solidaires ...), die zusammenarbeiten und zu einer Demo am 18. November mit einem gemeinsamen Flugblatt aufgerufen haben.

Was beinhaltet dieses Gesetz?

Es stellt die Gleichheit der Grundrechte in Frage und will gewisse Gesellschaftsschichten zum Sündenbock machen, indem es prekäre Familien, Immigranten, Minderjährige, Geisteskranke, Drogenkonsumenten, das fahrendes Volk usw. als gesellschaftliches Risiko amalgamiert. Verdacht und Repression sollen also anstelle von Schutz, Unterstützung, Pflege und Grundversorgung treten.

Zum Beispiel erlangt z.B. ein Bürgermeister mit diesem Gesetz das Recht, polizeiliche Gewalt auszuüben und kann sogar mit einer „Mahnung zur Ordnung“ fast richterliche Gewalt ausüben. Er könnte unliebsame Menschen leichter evakuieren lassen; er könnte auch in die Erziehung und die Gesundheitsvorsorge durch einen „Rat der Familienrechte und -Pflichten“ eingreifen, d.h. einen elterlichen Verantwortungsvertrag abschließen, Familienhilfen kürzen oder in die medizinischen Betreuung eingreifen und so auch die ärztliche Schweigepflicht aufheben. Auch das Vertrauen zwischen Sozialarbeitern und Leuten in Schwierigkeiten würde somit unterhöhlt. Es würde zu einer Stimmung des Misstrauens und einer Vermischung der Befugnisse führen, die Bürgermeister würden zu einer Art „Sheriff“ mutieren - ganz in der gaullistischen Tradition.

Die Gerichtsverfahren für Minderjährige würden ähnlich denen für Volljährige aussehen. Das Gesetz erlaubt den Behörden auch, jemanden von Amts wegen ins Krankenhaus einzuweisen. Alle Krankenorganisationen, Ärzte und Psychiater denunzieren diese Vermischung von Geisteskrankheit und Kriminalität.

Der Oberstaatsanwalt könnte auch Ausweiskontrollen und Blutabnahmen am Arbeitsort ausführen lassen, wenn er jemanden des Drogenverbrauchs verdächtigt, was die Einspruchsrechte der Arbeitsmedizin und der Hygiene- und Arbeitssicherheitsausschüsse, d.h. die VertreterInnen des Personals, aushebeln würde.

Da niemand ausschließen kann, soziale, persönliche oder erzieherische Probleme mit seinen Kindern zu haben, sind praktisch alle von diesem Gesetz betroffen, das die sozialen Grundrechte und -Freiheiten untergräbt, um einen Polizeistaat zu etablieren.

In ganz Frankreich fanden am 18. November Demos statt, so in Paris, Toulouse, Marseille, Rennes, Nantes, Angers, Bordeaux und Straßburg. Etwa 6.000 waren allein in Paris mit Parolen wie „Mit Sarko werden wir alle Straffällige!“, „Erzieher, keine Denunzianten!“ oder „Greif mein Berufsgeheimnis nicht an!“ unterwegs. Sogar Bürgermeister nahmen an der Demo teil, manche mit einem „Bürgermeister-Cowboy-Hut“.

Im Zusammenhang mit der kommenden Präsidentenwahl 2007 dient dieses provokative Gesetz auch dazu, rechtsextreme Wähler - z.B. die Anhänger Le Pens - zu ködern, ein Ziel, das Sarkozy schon seit Jahren verfolgt.

Nur ein gemeinsamer Kampf gegen die Allmacht der herrschenden Klasse, welche „die Ordnung“, also ihr kapitalistisches Krisensystem schützen will, kann eine solche Demagogie und solche repressiven Maßnahmen vereiteln.

Wir müssen also die Aktivitäten ausweiten und noch mehr Menschen dafür mobilisieren. Statt mehr Repression brauchen wir mehr Mittel für Wohnungen, Gesundheit, Erziehung, garantierte soziale Rechte und öffentliche Daseinsvorsorge!

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