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Die französischen Sozialisten (PS):

Zwischen Blairismus und rechtem Reformismus

Korrespondent, Paris, Infomail 286, 14. November 2006

2007 soll eine Wende in der französischen Politik sein. Nach fünf Jahren massiver Angriffe der verschiedenen rechten Minister, aber auch entschiedenen Widerstands der ArbeiterInnen und der Jugend wird die zweite Amtsperiode von Jacques Chiracs zu Ende gehen. In keinem anderen Land Westeuropas ist es der Arbeiterklasse so sehr gelungen, den neoliberalen Angriffen auf den Öffentlichen Dienst, staatliche Vorsorge und Arbeiterrechte mit Mobilisierungen und Widerstand entgegenzutreten.

Im Jahre 2003 setzte die Regierung zum Angriff auf die Renten an, doch der Massenwiderstand hinderte Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin, seine Pläne komplett umzusetzen. Im Jahre 2004 brachte der erste Teil der Privatisierung des Stromkonzerns EDF das Land fast zum Generalstreik. 2005 und 2006 schwächten der Aufstand in den Vorstädten und der Kampf gegen das CPE-Gesetz, gegen billige und leicht kündbare Arbeitsverträge für die Jugend Ministerpräsident Dominique de Villepin schwer.

Während die Unternehmer neue Angriffe für mehr Unsicherheit und Ausbeutung der ArbeiterInnen vorbereiten, müssen sie jetzt auf die Präsidentenwahlen 2007 warten. Die rechte Partei UMP hat einen „natürlichen“ Kandidaten: Nicolas Sarkozy, Spezialist für „Recht und Ordnung“, der seine Kampagne mit rassistischer Demagogie untermauert, um die Unterstützung der Le Pen-Wähler für sich zu gewinnen.

Auf der Linken ist die Lage nicht so klar. Nachdem sie bei den Regionalwahlen 2005 klar gewann, hat die französische SPD, die Parti Socialiste (PS) die Absicht, die Massenunzufriedenheit über die rechten Angriffe zu benutzen und hat reelle Chancen, die nächsten Wahlen zu gewinnen.

Der Kandidat der PS wird am 16. November von den Mitgliedern der Partei bestimmt. Die Mitgliederzahl der PS hat sich auf 200.000 erhöht (80.000 Beitritte im letzten Jahr), da die PS ihre Mitgliedschaft mit den „20 Euro-Mitgliedskarten“ erneuert hat. Durch einige Klicks auf dem PC kannst du der PS beitreten, ohne Kontakt mit irgendeiner lokalen Abteilung aufzunehmen.

Die drei PS-Kandidaten dieser internen Kampagne sind Ségolène Royal, Dominique Strauss-Kahn und Laurent Fabius. Die drei behaupten, sie kämpfen für einen neuen politischen Kurs. Sie haben auch Gründe dafür: alle drei sind politische Kinder Mitterrands. Sie sind in den 80er Jahren an die Spitze der Partei gekommen und haben dabei die Tricks eines erfolgreichen reformistischen Politikers gelernt: links reden und rechts handeln; sich als KandidatInnen der ArbeiterInnen vorstellen und nach den Wünschen der Bourgeoisie regieren. Jetzt wollen sie aber völlig ‚neu’ erscheinen - und sogar das politische System allgemein kritisieren (Ségolène Royal) - um vergessen zu machen, was sie selbst getan haben, als sie in der Regierung waren.

Ségolène Royal geht hier eindeutig am weitesten. Sie gehörte in den 1980ern zum Kabinett Mitterrand und war dreimal Ministerin. Sie verwendet alle Techniken des politischen Marketings und hat es mit Hilfe der Medien geschafft, eine Popularitätsaura um sich zu erzeugen. Dieser Erfolg ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass sie selbst kein klares Programm veröffentlicht hat. Über mehrere Themen schmeichelt sie den WählerInnen mit Hilfe unverbindlicher leerer, aber modischer Formeln wie „Partizipationsdemokratie“. Sie verlangt Beiträge der BürgerInnen, die alle „legitime Experten“ seien, und sie behauptet, sie höre ihnen zu, um gerecht zu handeln.

Wenn sie Programmatisches offen äußert oder andeutet, so zeigt sich, dass sie eindeutig rechts im PS-Spektrum steht. Sie bewundert Tony Blair und will wie er die Partei noch mehr von der „alten“ Sozialdemokratie zum Neoliberalismus drängen. Dem mischt sie noch einen sehr französisches Hauch von Nationalismus bei, der auch gut zu Marschall Pétain passen würde: „Die Trikolore und die soziale Sicherheit sind es, die unsere nationale Gemeinschaft verbinden. Denn hier passen das Nationale und das Soziale zusammen und der Staat garantiertdiese Verbindung.“ Das alles wird in ihrem Begriff „gerechter Ordnung“ zusammengefasst, der tatsächlich sehr an die reaktionäre „moralische Ordnung“ erinnert. Sie hat z.B. vor, für Jugendliche neue Gefängnisse zu bauen, die von der Armee geleitet werden sollen, damit sie ihre „Selbstachtung wiedergewinnen“ können! Gleichzeitig soll die Sozialhilfe für junge Straffällige eingestellt werden, um die Eltern zu „verantwortlich“ zu machen.

Warum kämpft sie dann aber für Massengewerkschaften und spricht von der „Pflicht, einer Gewerkschaft beizutreten“? Sie träumt nicht etwa von einer starken Arbeiterbewegung. Vielmehr möchte sie so mit den „uralten sozialen Beziehungen“ (gemeint sind Streiks) einfach Schluss machen, damit Arbeitgeber und Gewerkschaften eine „gemeinsame Fähigkeit“ haben, „die wirtschaftlichen Veränderungen vorauszusehen und zu begleiten.“ Das ist dann vorbildliche Klassenkollaboration, wo die Gewerkschaften von Arbeitgebern und Staat geleitet werden. Sie appelliert schließlich an „eine Republik des Respekts, wo sich die Franzosen mit den Privatbetrieben aussöhnen.“

Sind Strauss-Kahn oder Fabius eine Alternative für diese rechte Wendung Royals? Nein! Strauss-Kahn, der als neoliberaler Minister zu Jospins Regierung gehörte, kämpft für ein sozialdemokratisches Programm der „kleinen Schritte.“ Als er aber selbst an der Macht war, hat die Regierung Jospin den Rekord an Privatisierungen von öffentlichen Betrieben aufstellt und die arbeiterfeindliche EU-Agenda von Lissabon unterstützt.

Fabius war Ministerpräsident unter Mitterrand und setzte einen Lohnstopp durch. Er ist ein Technokrat ohne Charisma. Er versucht seit einiger Zeit, etwas linke Glaubwürdigkeit für sich zu gewinnen, indem er für das „Nein“ anlässlich des Referendums zur EU-Verfassung eintrat. Er wollte sich aber tatsächlich von der PS nie trennen. Er stellt sich als „den Kandidaten der Kaufkraft vor und sein Vorschlag, den SMIC (den Mindestlohn) bis zum Jahr 2012 auf 1.500 Euro/Monat zu erhöhen, klingt radikal - aber praktisch ist er nur ein leeres Versprechen. Ein paar Anpassungen wegen der Inflation würden den SMIC auch auf diese Höhe bringen, selbst unter einer rechten Regierung.

Was das wesentliche Problem der gleichen Rechte für die ImmigrantInnen betrifft, haben alle PS-KandidatInnen die gleiche Position wie das PS-Programm: „Wir werden gegen die illegalen Immigranten streng sein. Unser Land kann nicht alle Leute aufnehmen.“ Während es eine Massenmobilisierung gegen die Vertreibung von Familien und Kindern gab, hat die PS die Absicht, die repressive rassistische Politik gegen Gastarbeiter fortzusetzen.

Die ArbeiterInnen und die Jugend können also keinen Fortschritt von den PS-Kandidaten erwarten. Diese werden eben die Agenda der Kapitalisten anwenden: mehr Privatisierungen, weniger öffentliche Dienste, weniger Geld für die Schulen und das Gesundheitssystem.

Eine dringende Aufgabe der RevolutionärInnen in Frankreich ist also, in den Wahlkampf einzugreifen, um ein antikapitalistisches Aktionsprogramm zu verteidigen, um den Widerstand gegen die Angriffe der Regierung zu organisieren.

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