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Deutsche Bahn AG

Beschäftigte streiken gegen Privatisierungsfolgen

Infomail 279, 6. Oktober 2006

4. Oktober 2006: Warnstreik in Berlin. In Berlin haben sich am frühen Morgen Warnstreiks rund 200 Beschäftigte der DB AG an Warnstreiks beteiligt. Die Aktionen wurden um 7.00 Uhr beendet. Durch sie wurde der Zugverkehr in und um Berlin komplett lahm gelegt. Anlass sind die gescheiterten Tarifverhandlungen zur Beschäftigungssicherung. Die Bahn-Mitarbeiter hatten 2005 im Gegenzug zur Beschäftigungssicherung auf Gehalt verzichtet und flexibleren Arbeitszeiten zugestimmt. Der Börsengang der Bahn ist für 2008 geplant. Die Große Koalition will im Herbst über eine Bahnprivatisierung entscheiden.

ICE-Werk Rummelsburg

In der Nacht legten zunächst rund 80 Mitarbeiter des ICE-Werkes Rummelsburg die Arbeit vorübergehend nieder. Dadurch konnten Wartungen, Reparaturen und Durchsichten an den Zügen nicht erfolgen. Es kam zu Behinderungen im Betriebsablauf.

Gegen 5.00 Uhr schlossen sich dann rund 80 Mitarbeiter der Betriebsleitzentrale in Pankow dem Warnstreik an. Diese Zentrale dirigiert den kompletten Zugverkehr im Fern- und Regionalverkehr in Berlin und dem weiteren Umland. An der Aktion beteiligten sich auch Kolleginnen und Kollegen in den Reisezentren Hauptbahnhof und Ostbahnhof. Die Reisezentren öffneten eine Stunde später als üblich.

Mit den Warnstreiks wollen TRANSNET und GDBA den Druck auf die DBAG erhöhen.

Die Tarifverhandlungen zur Beschäftigungssicherung waren vor kurzem gescheitert. Auch „Schlichtung“  und weitere Spitzengespräche brachten keinen Erfolg. Ziel der Gewerkschaften ist es, die Beschäftigungssicherung zu erhalten und damit auch weiterhin betriebsbedingte Kündigungen bei der DB auszuschließen. Doch diese ist bislang auch nur bis 2010 vereinbart und gilt nur, wenn sich bei der DBAG strukturell nichts ändert.

Bereits am Freitag, dem 29.10.06, hatte es Warnstreiks in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und im Saarland gegeben.

In den drei Bundesländern hatten Beschäftigte der Bahn am frühen Freitagmorgen die Arbeit niedergelegt. Schwerpunkt der Warnstreiks war Nordrhein-Westfalen. Vor allem betroffen: die Bahnhöfe in Köln, Dortmund, Saarbrücken und Trier. Im Verlauf des Vormittags weiteten sich die Warnstreiks auf Düsseldorf, Wuppertal, Duisburg und Paderborn aus. Nach Gewerkschaftsangaben beteiligten sich rund 1700 Eisenbahner an den Streiks. Einige Züge im Fern- und Nahverkehr haben eine „erhebliche Verspätung“ gehabt, in Saarbrücken seien Züge komplett ausgefallen.

In den beiden Wochen zuvor waren rund 20.000 Beschäftigte in ganz Deutschland auf die Straße gegangen, o.a. in Kassel.

Die Rolle der GDL (Gewerkschaft deutscher Lokführer)

Der Streikbewegung gegen die Privatisierung stehen die Spaltungsmanöver der GDL entgegen.

Die  GDL wirft der Transnet „Schüren von Angst“ vor. „Lokführer braucht man immer“ schriebt diese gelbe Gewerkschaft.„Kein Lokführer oder Zugbegleiter verliert seinen Arbeitsplatz,“ behauptet die GDL in einem  Flugblatt der GDL und spaltet die Streikfront im angeblichen Sonderinteresse der Lokführer.

Bei jedem Auftragsverlust für die DB AG zu Gunsten eines privaten Konkurrenzunternehmens gehen etwa  die Hälfte der bisherigen Stellen verloren  und die neuen Arbeitsbedingungen sind  meistens schlechter.

Bei einer Übernahme von Teilbetrieben durch Private werden viele Beschäftigte unter die Räder kommen. Ein Flächentarifvertrag für alle Privatbahnen ist bisher am Widerstand der Unternehmen gescheitert. Leiharbeitsfirmen für die Vermittlung von Lokführern sind im kommen. So sind Leiharbeiter und Privatfirmen schon jetzt für die Bereitstellung von Zügen eingesetzt.

Am Donnerstag erwirkte die Lokführergewerkschaft GDL beim Berliner Arbeitsgericht eine Verfügung, die eine zeitgleich mit einer Transnet-Kundgebung anberaumte Betriebsversammlung vor dem Berliner Hauptbahnhof für rechtswidrig erklärte. Die GDL lehnt „politisch motivierte“ Betriebsversammlungen ab.

Die GDL ruft  ihre Mitglieder zum Streikbruch auf.

Die kleinere GDBA (Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands), wie die GDL im Deutschen Beamtenbund angesiedelt, unterstützt Transnet.

Deutsche oder internationale „Heuschrecken“: die Alternative der Transnet

Der Transnet-Vorsitzende Norbert Hansen wendet sich gegen internationale Konzerne wie Veolia (Ex-Connex) und andere Firmen,  die lukrative Teile der DBAG kaufen wollen.

Diese arbeiten mit dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) zusammen, haben Lobbyisten in CDU/CSU, FDP und Grünen und möchten die Streikbrecher-GDL zu ihrem Instrument machen. Ihre Forderung: das Schienennetz dem Bund vorbehalten, alles andere soll zu 100 Prozent privatisiert werden.

Der „integrierte Börsengang,“ der DBAG-Chef Hartmut Mehdorn vorschwebt, kann als Resultat haben,  dass bis zu 49 Prozent der Bahnaktien an Investmentfonds vornehmlich aus den USA oder Asien gehen könnten. Diesen Kapitalisten, aber genauso dem deutschen Kapital, ist wenig an einer umweltfreundlichen Eisenbahn und sicheren Arbeitsplätzen gelegen. Sie wollen Bahn-Grundstücke in City-Lagen und anderen Filetstücken vermarkten. Deutsche und europäische Konzerne wollen diese „Heuschrecken“-Konkurrenz nicht zum Zuge kommen lassen und wettern daher gegen Mehdorns Linie.

Hansen sieht den  Börsengang der DBAG als normalen Akt der Geldbeschaffung für Investitionen an  und verharmlost die Folgen der Privatisierung.

„Der scheinbar technokratische Richtungsstreit um die Form der Privatisierung („mit oder ohne Netz?“) ist Ausdruck eines Konflikts zwischen konkurrierenden Kapitalgruppen, die alle zum Zuge kommen wollen. Jede Seite versucht, ihr Modell mit Hilfe namhafter Professoren „wissenschaftlich“ zu untermauern und Gewerkschaften und Betriebsräte auf ihre Seite zu ziehen.“ (Initiative „Bahn vom unten“)

Die Zerschlagung der DBAG hat schon begonnen

Der DBAG-Vorstand hat trotz gewerkschaftlicher Proteste gewinnbringende Töchter wie die Eisenbahnreklame DERG oder die Fernbuslinie Deutsche Touring GmbH an private Kapitalisten verkauft.

Bei einer Auflösung des Konzerns werden mindestens 50.000 Arbeitsplätze abgebaut oder Lohndumpimg ausgesetzt. Bisher sind schon über 200.000 Bahnarbeitsplätze seit der Umwandlung von Bundesbahn und Reichsbahn in eine Aktiengesellschaft verloren gegangen.

Neoliberales Credo: Mehr Wettbewerb senkt Preise und erhöht Leistung für Fahrgäste

Nach der Privatisierung sinken die Preise, es gibt keine Verspätungen mehr und der Service verbessert sich, so die Propaganda der Neoliberalen. Die Beschäftigten der DBAG möchten gern, dass die BahnbenutzerInnen nicht mehr unter Verspätungen, vollgepfropften Zügen oder schlechten Verbindungen leiden. Doch die Streichungsorgien der DBAG, um das Unternehmen „börsenfit“ zu machen, sind die wahre Ursache dessen, worüber sich Fahrgäste tagtäglich aufregen müssen.

Geld ist bei der DBAG vorhanden für milliardenschwere Zukäufe wie Schenker usw. Für Prunkbauten wie den neuen Berliner Hauptbahnhof. Konzernchef Mehdorn konzentriert sich auf den Ausbau der profitträchtigen Strecken und überlässt die anderen Verbindungen den Privaten oder lässt sie verkommen.

Grünen-Fraktionschef warnt vor Streiks

Die Grünen beweisen einmal mehr, wie sehr sie ins Lager der neoliberalen, aber auch der Gegner eines progressiven, umwelterhaltenden  Verkehrskonzeptes gewechselt sind. Darüber hinaus dokumentieren sie auch ihren Übertritt ins Lager der bürgerlichen Reaktion.

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn warnte die Bahn-Gewerkschaft vor einem Arbeitskampf, um so die Trennung zwischen Bahn und Netz zu verhindern. "Ein Streik wäre ein Skandal, weil die Bahn und die Gewerkschaften damit versuchen würden, das Parlament zu erpressen", sagte er dem "Tagesspiegel".

Falsche Alternativen und Scheingefechte: “Wir schlagen Schaum, wir seifen ein“

„Nach den Plänen des Verkehrsministeriums sollen nur noch zwei Modelle vertieft geprüft werden: Eine Variante sieht vor, dass der Bund Eigentümer des Netzes bleibe und der Bahn ein uneingeschränktes Nutzungsrecht einräume. Nach dem zweiten Modell soll die Bahn mit Netz an die Börse gehen, dem Bund aber ein Rückholrecht nach etwa 20 oder 30 Jahren zugestanden werden.“ (FTD vom 4.10.2006)

Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte dazu im ZDF: "Die strikte Trennung von Netz und Transport, wie die Fachleute sagen, die ist vom Tisch." Es sei nun zu klären, wer "juristischer Eigentümer des Netzes" sei. Tiefensee sagte, dass Konkurrenten der Deutschen Bahn keine Beeinträchtigungen fürchten müssten, wenn das Unternehmen Besitzer des Schienennetzes bleibe. Für einen unbehinderten Wettbewerb werde die Bundesnetzagentur sorgen.

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) dazu: "Die Bahn muss eine echte Chance haben und ich glaube, dass dazu auch zwingend gehört, dass die Schiene voll bei der Bahn bleibt." Eine Entscheidung über die Privatisierung des Staatsunternehmens sei noch nicht gefallen.

Bundestag und Bundesrat müssten die Gestaltung des Bahnbörsengangs beschließen. Mit einem Börsengang oder einem Verkauf des Unternehmens sei frühestens 2008 zu rechnen.

Wer sich auf diese Vorgaben der neoliberalen Parteien und der Kapitalistenverbände einlässt, wird einen hohen Preis bezahlen.

Transnet-Chef Norbert Hansen: "Wir werden keinen Kompromiss zulassen, der Arbeitsplätze gefährdet."

Daran muss sich Hansen messen lassen. Den KollegInnen geht es um Ihre Zukunft, deshalb nehmen sie den Kampf auf. Aber sie müssen verdammt aufpassen, von der Gewerkschaftsbürokratie nicht über den Tisch gezogen zu werden und sich auf falsche Perspektiven einzulassen

Unterstützt den Kampf der Streikenden bei der DBAG

Keine Variante der Privatisierung ist das  „kleinere Übel“: weder Fahrwegnetz noch der Fahrbetrieb, die Wartungsbereiche u.a  der DBAG dürfen weiter privatisiert werden. Kampf gegen jede Form der Privatisierung!

Gemeinsam gegen den Börsengang der  Deutschen Bahn AG: Einbeziehung der Beschäftigten des ÖPNV , der schon privatisierten Betriebe in die Streikaktionen.

Für einen Flächentarifvertrag aller Beschäftigten im Verkehrswesen

Fordert konkrete Unterstützung von ver.di ( ÖPNV-Bus- und TRAM) für den Streik der DBAG

Gegen jeden weiteren Personalabbau und Ausgliederungen

Radikale Arbeitszeitsenkung und Neuanstellungen ohne Lohnverlust

Erhebliche Aufstockung der Ausbildungsplätze, Übernahme aller Auszubildenden

Fahrpreissenkungen, Sozialtickets für Erwerbslose, Geringverdiener  und Jugendliche, Erhalt und Ausbau von Bahnstrecken und ÖPNV als Alternative zum Ausbau des automobilen Individualverkehrs. Für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, finanziert aus der Besteuerung der Vermögens- und Kapitalbesitzer!

Die Warnstreiks sind der erste Schritt! Um die Privatisierung der Bahn und des öffentlichen Verkehrs zu stoppen ist mehr notwendig – ein Streik aller Beschäftigten! Für Vollversammlungen, um über diese Strategie zu beraten und Streikleitungen zu wählen, die der Basis rechenschaftspflichtig und verantwortlich sind und die den Kampf direkt kontrollieren, um etwaige faule Kompromisse der Gewerkschaftsbürokratie zu verhindern!

Die Hetze gegen die Streikenden wird in den Medien verstärkt werden: Tretet der neoliberalen Propaganda entgegen. Unterstützt den Kampf der DBAG-Beschäftigten: ermutigt die Streikenden in den Bahnhöfen, in den Zügen, schickt Solidaritätsadressen, setzt Solidaritätsaktionen in euren Gewerkschaftsgliederungen durch!

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