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BSH Berlin vor der Schließung

Besetzung – die letzte Chance

Infomail 272, 26. August 2006

Das Bosch-Siemens-Hausgerätewerk (BSH) soll Ende 2006 geschlossen und die rund 600 Beschäftigten in der Fertigung entlassen werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis danach auch die rund 400 Jobs in Verwaltung, Forschung und Entwicklung wegfallen werden.

Die Schließungspläne kommen alles andere als überraschend. Schon vor einem Jahr, im Mai 2005, wollte der Konzern dicht machen. Damals konnte die Schließung verhindert werden: aufgrund von Protestaktionen der Belegschaft, der Solidarisierung aus anderen Betrieben, aber auch, weil der Siemens-Konzern vor der Bundestagswahl 2005 keinen Streik riskieren wollte.

Es war aber auch schon damals klar, dass der Erfolg nur vorübergehender Natur sein würde, dass Bosch-Siemens 2006 erneut die Schließung des Werks angehen würde.

Den Hintergrund dafür bildet der weltweite Kampf um maximalen Profit zwischen den drei größten Waschmaschinenherstellen der Welt – Elektrolux, Bosch-Siemens und Whirlpool. Diese haben praktisch den Weltmarkt untereinander aufgeteilt. Die meisten anderen Marken, die sich am Markt tummeln, gehören zu einem von diesen drei Großkonzernen.

Gemäß der Profitlogik der Marktwirtschaft durchaus folgerichtig, soll dort produziert werden, wo die „Weiße Ware“ am kostengünstigsten hergestellt werden kann – in China, der Türkei oder anderen halb-kolonialen Ländern.

Fatale Strategie von IG Metall und Betriebsrat

Seit einem Jahr hat die Geschäftsleitung von BSH die Schließung vorbereitet. Ein Nachfolgeprodukt zum bisher gefertigten „Eurowascher“ gibt es für Berlin nicht. Anders als noch vor einem Jahr fertigt die Berliner Fabrik auch keine Zulieferteile mehr für andere Standorte. Hinzu kommt, dass seit Monaten im Betrieb Überstunden gefahren werden und die 40 Stunden Woche zur Regel wurde. Somit gibt es von der auslaufenden Produktreihe große Lagerbestände, so dass der Konzern einen mehrwöchigen Streik ohne größere ökonomische Verluste wegstecken könnte.

Das BSH-Management hat sich auf die Schließung und auch auf einen Arbeitskampf vorbereitet - die IG Metall und der Betriebsrat jedoch nicht! Dabei waren die Zeichen – kein Nachfolgeprodukt, keine Neuinvestitionen seit Jahren usw. - nicht zu übersehen. Im Gegenteil: Seit mehr als einem Jahrzehnt sind die Schließungspläne im Grund bekannt. Seit Beginn der 90er Jahre wurde die Belegschaft von 3.500 auf 1.050 reduziert.

IG Metall und Betriebsrat jedoch geben sich „überrascht.“ Sie drohen zwar mit Arbeitskampf, sollte der Konzern an der Schließung festhalten, gleichzeitig erklärte der Betriebsratsvorsitzende Güngör Demirci jedoch, dass es keine Aktionen der Belegschaft geben werde, solange Verhandlungen über die Fortführung der Produktion stattfinden.

Die IG Metall hatte sich letztere Forderung als Schlüsselforderung auf ihrer Fahnen geschrieben – und war, so KollegInnen von BSH, dafür zu weitgehenden Zugeständnissen bereit: Abbau von fast der Hälfe der noch bestehenden Produktionsarbeitsplätze und Verzicht auf 25 Prozent des Lohns.

Praktisch hätte das für die Beschäftigten aus Lohngruppe III einen Lohnverlust von rund 400 Euro pro Monat bedeutet (also von rund 1600 auf 1200).

Mittlerweile zeichnet sich ab, dass die IG Metall Berlin und der Betriebsrat kommende Woche in die Schlichtung gehen werden. Selbst der „Erhalt der Produktion“ wird nicht mehr angepeilt. Es droht alles auf einen Sozialplan hinauszulaufen. Mehrerer hundert ArbeiterInnen stehen dann wieder vor dem Weg in die Langzeitarbeitslosigkeit und, über einen Umweg, zu ALG II.

Solidaritätskomitee

Gegen die drohende Schließung und den Ausverkauf der Belegschaft hat sich letzten Donnerstag eine Solidaritätskomitees gebildet, dem neben KollegInnen aus dem Betrieb und anderen GewerkschafterInnen Mitglieder verschiedener linker Organisationen, Bündnisse und Parteien (WASG, SAV, MLPD, DKP, Neue Einheit, arbeitermacht, Anti-Hartz-Bündnis) angehören.

Es herrschte dort Konsens, dass die Chancen für einen erfolgreichen Abwehrkampf während des letzten Jahres deutlich schlechter geworden sind.

Die Politik des Zurückweichens durch die IG Metall und den Betriebsrat, der Versuch, den Kapitalisten doch zu beweisen, wie profitabel ihr Werk wäre – all das ist hilflos und fruchtlos.

Es verbleibt nur noch kurze Zeit, in dem es möglich erscheint, die Belegschaft zu mobilisieren. Es wurde daher beschlossen, dass das Komitee ein Flugblatt erstellt, in dem für die Besetzung des Betriebes als notwendigen Schritt, um überhaupt noch - mit dem Rücken zur Wand - den Kampf gegen die Schließung und für den Erhalt aller Arbeitsplätze zu den bestehenden tariflichen Bedingungen führen zu können.

Es gab außerdem auch Übereinstimmung, dass der Kampf, bleibt die Belegschaft auf sich allein gestellt, kaum gewonnen werden kann. Eine Besetzung muss daher mit der Politisierung des Konfliktes, mit der Herstellung von Solidarität an anderen Konzernstandorten in der BRD und weltweit wie in den Berliner Betrieben einhergehen.

Nur wenn es gelingt, diese anderen Beschäftigten wie auch die Bevölkerung zu mobilisieren und die Aktionen über den Betrieb hinaus auszudehnen und mit dem Kampf gegen Verarmung, Hartz-Gesetze, Arbeitslosigkeit usw. in Berlin zu verbinden, kann der Erhalt der Arbeitsplätze erkämpft werden.

Den Kampf zu politisieren, umfasst allerdings auch eine andere Dimension – den Kampf um die Enteignung von Betrieben wie BSH unter Kontrolle der Belegschaft. Nur wenn diese auch aufgegriffen wird, kann der Kampf um den Erhalt industrieller Arbeitsplätze perspektivisch erfolgreich geführt werden.

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