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Europäisches Sozialforum in Athen

Eine erste Bilanz

Infomail 259, 17. Mai 2006

35.000 Menschen nahmen nach Angaben der ESF-OrganisatorInnen am 4. Europäischen Sozialforum in Athen teil – eine deutliche Steigerung gegenüber dem Londoner Forum 2006. An der Abschlussdemonstration am 6. April zogen 80.000 bis 100.000 durch von Athen.

Das Sozialforum in Athen verdeutlichte mehrere Entwicklungen:

a) Ein Radikalisierung der AktivistInnen der Bewegung

Das zeigte sich anhand mehrer Entwicklungen, obwohl die größte Organisation der griechischen Linken – die Kommunistische Partei KKE und die ihr angeschlossenen Gewerkschaftsverbände nicht am Forum teilnahmen und eine kleineres Forum mit einigen hundert TeilnehmerInnen organisierten.

Trotzdem waren die Mobilisierung der Arbeiterbewegung, der Jugend, der sozialen Bewegungen in Griechenland und ihr Kampf gegen die rechte Karamanlis-Regierung deutlich spürbar.

Neben der großen Zahl griechischer TeilnehmerInnen waren auch die Mobilisierung aus der Türkei (rund 1.000, die trotz repressiver Visa-Bestimmungen und Dank des Einsatzes der griechischen Vorbereitungsgruppe und der VertreterInnen des anti-imperialistischen Raums teilnehmen konnten) sowie eine größere Beteiligung aus osteuropäischen Ländern bemerkenswert.

Hinzu kam, dass die Organisatoren das reaktionäre und verlogene Verbot politischer Parteien aufgehoben hatten, was zu einer deutlich größeren sichtbaren Präsenz verschiedener Organisationen trotzkistischer, maoistischer oder stalinistischer Tradition führte.

Dieser Schritt vorwärts wird nun von sozialdemokratischen, anarchistisch-libertären Kräften oder einigen VertreterInnen der Europäischen Linkspartei beklagt – also von Leuten, welche die indirekte, aber umso größere Einflussnahme der Brasilianischen PT-Regierung unter Lula oder des Labour-Bürgermeisters von London nie bekämpft hatten. Wie verlogen diese Kritik an „den Parteien“ ist, zeigt sich nicht zuletzt darin, dass zwar über kämpfende linke Organisationen wie die MLKP ob ihrer politischen Tradition vom Leder gezogen wird, während dieselben Leute kein Problem mit Parteien wie Rifundazione Communista haben, die gerade mit der italienischen Bourgeoisie eine neo-liberale, imperialistische Regierung bildet.

Das Abhalten des „anti-imperialistischen Raums“ im Rahmen des ESF mit eigenen Veranstaltungen und einer sehr lebendigen Schlussveranstaltung am Samstag, dem 6. April, war unserer Auffassung nach ein wichtiger Fortschritt. An die hundert Organisationen aus der Türkei, Griechenland, dem Baskenland, Palästina und vielen anderen Ländern haben sich daran mit dem Ziel beteiligt, die anti-imperialistischen und klassenkämpferischen Kräfte in den Sozialen Bewegungen zu stärken und dafür im ESF einzutreten.

Hinzu kommt, dass auch andere Gruppierungen aus Griechenland und der Türkei bis hin zur italienischen COBAS für eine verbindlichere Aktionsorientierung (jedenfalls an einzelnen Punkten und halbherzig) eintraten.

Unserer Meinung nach ist es notwendig, dass sich die Kräfte untereinander besser koordinieren, um in den sozialen Bewegungen, in der Anti-Kriegsbewegung, in den Kämpfen gegen neo-liberale Angriffe und im ESF-Prozess gemeinsam für internationale, aktions- und mobilisierungsfähige Kampfstrukturen einzutreten und einen anti-imperialistischen, klassenkämpferischen, aktionsorientierten Block zu bilden.

b) Das ist umso notwendiger, als sich an der Spitze (die offiziell nicht vorhandene, aber umso realere Führung des Europäischen Sozialforums) zwei Entwicklungen bemerkbar machen:

Einerseits eine weitere politische Rechtsentwicklung nach den Wahlen in Italien. Das geht verständlicherweise v.a. von Rifundazione Communista aus, aber auch ganz allgemein von der europäischen Linkspartei und ihren Verbündeten in der „linken“ Sozialdemokratie und in den Gewerkschaftsführungen.

Anderseits ist das Projekt einer europäischen anti-kapitalistischen Linken, wie v.a. vom Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale favorisiert wegen der Rechtsentwicklung von RC und anderen komplett in die Hosen gegangen - was sich in einer spürbaren Desorientierung ausdrückte.

Die reformistischen Kräfte – gestützt von einigen Pseudo-Revolutionären Gruppierungen wie der Internationals Socialist Tendency (in D: Linksruck) oder den französischen VS-VertreterInnen (aus der LCR bzw. an der Spitze linker Gewerkschaftsverbände) – hätten es am liebsten gehabt, dass bei der abschließenden Versammlung keine konkreten Aktionsziele vereinbart worden wären.

So wurde v.a. auf Druck der italienischen COBAS eine aktive Orientierung gegen die Besatzung des Irak und Palästinas sowie den drohenden Angriff auf den Iran beschlossen. Unklar ist freilich, welche Strukturen dafür verantwortlich sein sollen.

Außerdem wurde auch die Mobilisierung gegen die G8-Gipfel in St. Petersburg 2006 und v.a. gegen den in Heiligendamm 2007 in den Aktionsplan des Sozialforums aufgenommen.

Fraglich ist aber, wann und ob das nächste ESF überhaupt stattfinden wird. Das soll auf einem nächsten Vorbereitungstreffen im Herbst 2006, auf dem die Zukunft der Sozialforumsbewegung im Zentrum stehen soll, entschieden werden.

Schließlich gibt es hier einen Minimalkonsens – dass es so wie bisher nicht weitergehen kann.

Doch während die reformistischen, gewerkschafts-bürokratischen und kleinbürgerlichen Kräfte weiter dahin drängen, das ESF zu einer Schwatzbude zu machen, um ihre politischen Vorschläge „für ein soziales Europa“ unverbindlich zu diskutieren, müssen sich die klassenkämpferischen und anti-imperialistischen Kräfte formieren –um innerhalb des ESF auf Aktionen und europaweite Koordinierung von Widerstand zu drängen und gleichzeitig eigene aktionsfähige, internationale Bündnisstrukturen aufzubauen.

Nur so kann das ESF bzw. kann die Versammlung der Sozialen Bewegungen aus der Paralyse kommen, in die sie in den letzten Jahren immer mehr geraten ist – nur so kann eine aktionsfähige Koordinierungsstruktur entstehen, die die Kämpfe gegen Imperialismus und neo-liberale Offensive verbindet.

Am ESF hat die Liga für die Fünfte Internationale durch Diskussionsbeiträge eine Reihe von Vorschlägen eingebracht, die auch auf einem Flugblatt nachgelesen werden können, das in Griechisch, Türkisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Italienisch verbreitet wurde.

Die Abschlusserklärung der Versammlung der sozialen Bewegungen findet sich unter: http://www.dsf-gsf.org/

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