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Nach den PDS/WASG-Bundesparteitagen

WAS(G) tun?

Infomail 258, 3. Mai 2006

Größer könnte der Kontrast nicht sein. Der Linkspartei.PDS-Parteitag verlief wie am Schnürchen. Die Delegierten verhielten sich wie in einem langweiligen reformistischen Lehrstück und spulten die Tagesordnung routiniert ab.

Die Schweinereien von PDS-Landesregierungen, die Stimmen für eine härte EU-Linie gegen Kuba durch PDS-Parlamentarier oder die Privatisierung des Dresdner Wohnbestandes – das waren keine Themen.

Kein Wunder, denn auch PDS-Linke wie KPF-Aushängeschild Sarah Wagenknecht halten die Berliner Regierungsbeteiligung, die Aushebelung des Tarifrechts durch Landesregierungen usw. zwar „kritikwürdig. „Das Projekt einer neuen Linken” dürfe jedoch an solch “kleinlichen Konflikten” nicht scheitern. Mit solcherart deklarierter Folgenlosigkeit kann auch die Berliner PDS-Spitze gut leben.

Anders auf dem WASG-Parteitag. Die „Spaltung“, die Lafontaine, Maurer und Co. im Falle eine Abstimmungsniederlage durchziehen wollten, sei jetzt verhindert worden, heißt es offiziell. Störende „linke Spinner“ mögen sich jetzt vom Acker machen – am besten freiwillig und sofort.

Zweifellos hat das undemokratische Vorgehen von Lafontaine oder Maurer zur Frustration vieler AktivistInnen geführt, die sich der realpolitischen Praxis der PDS und WASG-Spitzen nicht einfach unterordnen wollen. Einige Delegierte kündigten ihren Austritt an. Selbst linksreformistische Vorständler wie Bischoff, Radke und Lösing traten ob des „sozialdemokratischen Miefs“ zurück, der in Ludwigshafen tatsächlich zum Himmel stank.

Worum geht es?

Der Ludwigshafener Vorstoß gegen die Berliner WASG und alle anderen KritikerInnen in der Partei ist ein klares Zeichen dafür, dass die reformistischen Spitzen in PDS, WASG und Bundestagsfraktion Schluss machen wollen mit allen Hindernissen, die der Schaffung einer zweiten sozialdemokratischen Partei im Wege stehen.

Für die Führungen von PDS und WASG geht es darum, eine Partei zu schaffen, die parlamentarisch ausgerichtet ist und die sich auf ihre Rolle als Juniorpartnerin einer SPD-geführten Reformkoalition bei den nächsten oder übernächsten Bundestagswahlen vorbereitet.

Daher soll, kann und darf auch die Kritik an der Berliner Regierungsbeteiligung nicht grundsätzlich werden. Keinesfalls dürfe der PDS das „Ultimatum“ zugemutet werden, jetzt mit der neo-liberalen Senatspolitik zu brechen (während Privatisierungen, Tarifflucht, Abschiebungen in Berlin-Grünau offenkundig hunderttausenden PDS-WählerInnen weiter zumutbar sind).

Mit dieser Politik bringen der WASG-Vorstand sowie PDS und Parlamentsfraktion nicht nur eine persönliche Marotte zum Ausdruck, sondern – letztlich auch unabhängig von der Berliner Frage – die Interessen der Arbeiterbürokratie. Es ist kein Zufall, dass die UnterstützerInnen von Maurer, Ernst und Co. in der WASG oft Gewerkschaftsfunktionäre oder Betriebsräte sind – oft genug Teil der Gewerkschaftsbürokratie. Ihnen angelagert sind VertreterInnen der (klein)bürgerlichen Intelligenz, die als Ideologen dieser Bürokratenschicht dienen.

Mit der Durchsetzung der „Neuen Mitte“ sucht dieser Flügel der Arbeiterbürokratie einen politischen Ausdruck, um auf politisch-parlamentarischer Ebene im Rahmen des bürgerlichen Systems seine Funktion als Mittler zwischen Lohnarbeit und Kapital weiter spielen zu können.

So wie die Gewerkschaftsbürokratie ihre Aufgabe darin sieht, die Interessen der Arbeiterklasse im Rahmen des Systems der Lohnarbeit zu vertreten und auszuhandeln (was natürlich auch gelegentliche, möglichst von oben kontrollierte Streiks impliziert), so will sie auf politischer Ebene eine Partei, die Regierungsverantwortung zur Umsetzung eines „vernünftigen“ Kompromisses zwischen den Klassen anstrebt.

Die andere Seite

Dieser Linie gegenüber steht ein großer Teil der Mitgliedschaft der WASG, der in der Regel zwar politisch selbst nicht über den reformistischen Horizont, also über den Kampf um Verbesserungen im Rahmen des Kapitalismus hinausgeht. Aber er unterscheidet sich durch zwei Merkmale von den Spitzen-Bürokraten.

Erstens meint er den Einsatz für diese Verbesserungen ernst. Daher auch das Bestehen auf Taten – und nicht bloß auf Worten. Daher auch die Zuspitzung in Berlin, wo die neo-liberalen Konsequenzen der reformistischen Politik der PDS am deutlichsten zum Ausdruck kommen müssen.

Zweitens spiegelt sich in der Haltung vieler WASG-Mitglieder die soziale Zusammensetzung der Partei wider, die zu einem großen Teil – auch hier ist Berlin sicher „überrepräsentativ“ - aus Arbeitslosen besteht. Viele von diesen wurden außerdem über die Anti-Hartz-Proteste oder über die Montagsdemos politisch aktiviert.

Dieser Schicht der Mitglieder kommt notgedrungen bei der „Realpolitik“ einer rein parlamentarisch ausgerichteten Partei unter die Räder.

Das wissen auch Lafontaine und Co. Daher müssen „unrealistische“ und „überzogene“ Erwartungen dieser Mitglieder beizeiten gestutzt werden und linke Kräfte wie die „sektiererischen Trotzkisten“ der SAV oder GenossInnen anderer linker Gruppierungen aus der Partei gedrängt werden.

Nicht, weil irgendwer ernsthaft glauben würde, dass der eigenständige Wahlantritt in Berlin ein „trotzkistisches Manöver“ wäre, sondern weil Ernst, Gysi und Co. fürchten, dass sich diese Schicht mit linken, subjektiv anti-kapitalistischen, sozialistischen oder kommunistischen Kräften verbinden könnte und so eine oppositionelle kämpferische Fraktion gegen die reformistische Führung entstehen könnte.

Diese Gefahr ist keineswegs aus der Luft gegriffen – insbesondere, wenn es zu einem Aufschwung sozialer Kämpfe oder spontaner Bewegungen wie der Montagsdemos im Jahr 2004 kommen sollte.

Daher betreibt der Bundesvorstand der WASG – nunmehr auch um fast alle „zögerlichen“ Elemente bereinigt – notfalls auch eine Politik der verbrannten Erde. Niemand soll auch nur eine Sekunde daran zweifeln, dass er den Berliner Landesverband auflöst, um eine eigenständige Kandidatur zu verhindern.

Dass dabei u.U. hundert AktivistInnen in Demoralisierung und in die politische Passivität getrieben werden könnten, ist Lafontaine und Co. nicht nur egal, sondern durchaus gewollt.

Stoppen können den Bundesvorstand hier nur die Solidarisierung mit dem Berliner Landesverband in der WASG und die Schaffung einer organisierten politischen Opposition in der Partei, die für eine klassenkämpferische Politik kämpft.

Was tun?

Der Berliner Landesverband soll unserer Auffassung nach die Eigenkandidatur weiter verfolgen. Austritte oder Nachgeben würden in dieser Lage nur Ernst, Lafontaine, den PDS-Senatoren und ihren nützlichen Idioten von Linksruck und vom Rixdorfer Kreis in die Hände spielen.

Vielmehr muss ein aktiver Wahlkampf verfolgt werden, der die Interessen der Bevölkerung, der Betroffenen der Angriffe von Kapital, Großer Koalition und Senat in den Mittelpunkt stellt.

Die WASG-Berlin müsste sich als Partei der Aktion präsentieren, der es nicht in erster Linie auf Stimmen und Abgeordnete ankommt, sondern darauf, im Wahlkampf und darüber hinaus eine politische Kraft aufzubauen, die den Abwehrkampf voranbringt.

Dazu muss die Berliner WASG jedoch auch selbst aktionistischer werden. Am 3. Juni braucht es einen starken Block, der offen sein sollte für alle Initiativen gegen Privatisierung, gegen Billiglohn, Zwangsumzüge, Bildungsmisere, gegen Betriebsschließungen, gegen Militarisierung und Krieg, auch gegen Rassismus und Faschismus.

Neben dem aktionistischen Auftreten und der bundesweiten Formierung braucht es aber auch eines – eine politisch-strategische Klärung innerhalb der Linken in der WASG selbst.

Ein Teil jener, die am Parteitag gegen administrative Maßnahmen gegen den Berliner Verband votierten, stimmt(e) mit der politischen Ausrichtung der Mehrheit durchaus überein. Er wollte nur nicht die Mittel eines Maurer usw. verwenden.

Das Problem dabei ist jedoch folgendes: langfristig kann eine neue Massenpartei der Linken keine Partei sein, die gleichzeitig eine Strategie sozialer Reformen und des Klassenkampfes verfolgt.

Darin haben Maurer oder Ramelow recht.

Das heißt aber auch, dass die Linke in der WASG mit offenen Karten spielen muss. Sie muss selbst klar machen, dass sie nicht bloß eine „bessere“ keynesianistische Partei. Eine solche Partei ist einfach unmöglich.

Sie muss klar machen, dass sie eine Partei will, deren Hauptaufgabe darin besteht, den Abwehrkampf in den Betrieben und auf der Straße voranzutreiben; die in den Gewerkschaften für den Aufbau einer klassenkämpferischen Opposition von unten eintritt – und nicht für einen Schmusekurs mit Bsirkse und Co.; eine Partei, die nicht für ein Programm zur besseren „Reform“ des Kapitalismus eintritt, sondern für ein Programm von Übergangsforderungen, die den Kampf gegen den Sozialraub, gegen Neoliberalismus, Krieg und Rassismus mit dem Kampf zum Sturz des Kapitalismus verbindet.

Sie muss eine Opposition sein, die die einfache Wahrheit ausspricht, dass keines der großen Probleme der Menschheit und v.a. der arbeitenden Bevölkerung im Rahmen dieses Systems, dass keines dieser Probleme nur in einem Land, sondern nur international gelöst werden kann.

Vor allem muss sie eine Opposition sein, die darum den politischen Kampf in der WASG organisiert. Nur so wird sie in der Lage sein, in den Formierungsprozess einer größeren Partei als sichtbare und erkennbare Strömung einzugreifen und die drohende Frustration von kämpferischen Teilen der WASG-Basis zu verhindern. Gleichzeitig könnte sie so, die Einbeziehung wirklicher sozialer Kräfte und linker politischer Strömungen über die PDS hinaus erkämpfen, und diesen eine sozialistische, revolutionäre Perspektive zu weisen.

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