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5 Wochen Streik

Der Kampf spitzt sich zu

Infomail 250, 12. März 2006

Am 6.3. fand in Stuttgart eine Großdemonstration mit mehr als 25.000 TeilnehmerInnen statt, diese richtete sich gegen die Landesregierung von Baden-Württemberg und speziell gegen den Stuttgarter Oberbürgermeister Schuster und den zuständigen Bürgermeister Murawski. Ein breites Bündnis von Gewerkschaften zeigte Solidarität mit den Streikenden von verdi. Die IG Metall, die IG BAU und einige Flaggen der IG BCE zeigten, dass die Gewerkschaften im Ländle den Streik unterstützen.

Mehr als vier Stunden dauerte die Protestaktion, eine Eröffnungskundgebung und eine Abschlussveranstaltung rundeten die gelungene Demo ab. Von politischer Seite war besonders die WASG mit ihrem Spitzenkandidaten Riexinger präsent, als einzige Partei zeigte sie Unterstützung für den Streik und hatte auch einen eigenen Stand bei der Schlusskundgebung. Neben uns - der Gruppe Arbeitermacht - unterstützten andere Gruppierungen und lokale Bündnisse den Streik, wie die RAS (Revolutionäre Aktion Stuttgart), die SAV und die MLPD.

Die Stimmung an der Basis ist heiß und auf Arbeitskampf eingestellt, zu viele Zugeständnisse mussten die Beschäftigten des ÖD in den letzten Jahren hinnehmen. Weihnachts- und Urlaubsgelder wurden drastisch gekürzt oder komplett gestrichen, durch vorherige Arbeitszeitverlängerungen viele Stellen im ÖD abgebaut.

Dies zeigte sich auch auf einer Streikversammlung im Stuttgarter Bürgerhospital. Neue, unverschämte Forderungen der öffentlichen Arbeit“geber“ mobilisieren die Angestellten zum Streik. Gerade in den Klinikbetrieben wird seit Jahren massiv gespart, Klinikzusammenschlüsse werden von oben angeordnet, somit Stellen abgebaut und den Beschäftigten werden Lohnkürzungen abgerungen.

Leider fehlt in Stuttgart die Unterstützung der höheren Angestellten und insbesondere der Ärzte - diese erwiesen sich im Streik zum Handlanger der Arbeitgeber. In den Krankenhäusern wurden Notdienstvereinbarungen für den Streik getroffen, die Ärzte forderten immer mehr Personal als nötig war, zogen Operationen vor und versuchten so, den Streik zu behindern. Es sind besonders die einfachen Angestellten und ArbeiterInnen (technisches Personal, Pflege, Reinigungskräfte), die den Streik tragen; vor allem sie haben die Einsparungen der letzten Jahre massiv zu spüren bekommen. Gerade die Konflikte an den Kliniken werden von den Medien aufgegriffen, dort wird teilweise abartige Propaganda betrieben - angeblich gefährden die Streiks von einigen Hundert Angestellten das Leben der Patienten. Das ist besonders irreführend, da nach dem Willen der Kommunen ohnehin viele Stellen eingespart werden sollen. Beim angesprochenen Bürgerhospital geht man von 180 Stellen aus, die bei erhöhter Wochenarbeitszeit gestrichen werden können.

Von den drei Kliniken zogen dann auch mehr als 500 Streikende zur Demo, zuvor gab es vor dem Klinikum noch einen Redebeitrag. Dort wurde auch die bislang spektakulärste Streikaktion unterstützt: am Wochenende vor der Demo wurde die Müllverbrennungsanlage der Stadt Stuttgart blockiert, mehr als 80 LKW mussten ihre Fracht wieder zu den Deponien fahren, diese Aktion kostete die Stadt eine Viertelmillion Euro.

An dieser Aktion zeigt sich, dass die Möglichkeiten dieses Streiks noch lange nicht voll ausgenutzt werden. Ver.di-Chef Bsirske sagte offen: „man müsse anfangen zu überlegen, ob man nicht in den Bereichen streikt, in denen auch private Unternehmen getroffen werden“. Erst nach fünf Wochen darüber nachzudenken, zeigt ein weiteres Mal die Unfähigkeit der Gewerkschaftsführung, dem Willen ihrer Basis Rechnung zu tragen. Jede entschlossene Gewerkschaftsführung würde in diesen Bereichen mit dem Streik anfangen, um den Druck auf die öffentlichen Arbeit“geber“ zu erhöhen.

Man stelle sich vor, das Flughafenpersonal hätte im winterlichen März gestreikt, die Autobahnmeistereien wären komplett in den Streik getreten, die gesamte Logistik der süddeutschen Wirtschaft hätte immensen Schaden genommen und die öffentlichen Arbeitgeber wären dann von den privaten Unternehmen unter Druck gesetzt worden, den Streik zu beenden.

So haben wir es leider mit einer Spitze zu tun, die in der Person von Bsirske den Abschluss in Hamburg vor den Streikenden in Stuttgart lobt und in jedem dritten Satz die eigene Kompromissbereitschaft beteuert.

Er verweist auf die „arme Stadt Hamburg“ die den Abschluss unterschrieben hat und wettert gegen die böse „reiche Stadt Stuttgart“, die keinen Kompromiss haben will. Dies führt die Beschäftigten in die Irre, hier wird zwischen „guten und schlechten Arbeitgebern“ unterschieden. Nicht der Generalangriff auf die öffentlichen Beschäftigten wird thematisiert - denn dann müsste Bsirske über sein eigenes „Reformwerk“ sprechen, welches er mit dem Bund und den Beamten ausgehandelt hat und das Tür und Tor für die jetzigen Angriffe geöffnet hat. Dort sind die Arbeitszeitregelungen geöffnet worden, dort wurde die Flexibilisierung, sprich Erhöhung der Arbeitszeit, festgeschrieben. Dann müsste Bsirske vom Inhalt der „vorbildlichen“ Hamburger Vereinbarung sprechen, die für die Beschäftigten insgesamt eine Arbeitszeitverlängerung vorsieht!

Diese „Flexibilität“ war auch Thema der Beschäftigten im Krankenhaus. Ein älterer Arbeiter fand Gefallen an einer Arbeitszeitverkürzung, bekam aber auch die Antwort eines jüngeren Kollegen, der nicht damit einverstanden ist, dass er die Verkürzung auf der einen Seite mit eigener Verlängerung der Arbeitszeit ausbaden muss. Er argumentierte auch, dass er sowieso alle Reformen ausbaden muss, sei es Rente oder Gesundheit, gleichzeitig auch noch Kinder in die Welt setzen soll – besonders Letzteres aber schwieriger wird, wenn er mehr arbeitet und weniger „Freizeit“ hat.

In vielen Gesprächen wurde klar, dass die Beschäftigten bereit sind, lange und intensiv für ihre Rechte zu streiken, sich aber auch über mangelnde Unterstützung von KollegInnen beschweren und davon ausgehen, dass am Ende ein Kompromiss rauskommt, der nicht alle ihre Forderungen erfüllt. Sie berichteten von früheren Arbeitskämpfen mit mehr Beteiligung und einer größeren Organisierung in den Betrieben. So sind beim Bürgerhospital heute nur noch etwas mehr als 10 % organisiert.

Andererseits können die aktiven GewerkschafterInnen auch über Unterstützung durch Nicht-Gewerkschafter berichten und über neue Eintritte während des Streiks. Nur durch erfolgreiche Arbeitskämpfe können die Gewerkschaften ihre „Attraktivität“ erhöhen und dem Mitgliederschwund begegnen.

Der Streik steht vor einem Wendepunkt. Für Kommunen und Länder ist der Angriff keineswegs „nur“ ein Tarifkampf. Es geht neben der Arbeitszeit auch darum, die Beschäftigten und ihre gewerkschaftliche Kampfkraft zu brechen, um - siehe die Forderung nach der 42-Stunden-Woche durch den Thüringer Ministerpräsidenten Althaus - nachzulegen und gleichzeitig auch massive Privatisierungen öffentlicher Versorgung durchzusetzen.

Es droht die Gefahr, dass die ver.di-Spitze entweder einen faulen Kompromiss durchzieht oder den Kampf durch ihre zögerliche Taktik mehr und mehr ausdünnt. Denn für die Unternehmerseite handelt es sich um einen politischen Angriff.

Dagegen braucht es eine politische, gesellschaftliche Antwort, dazu muss der Streik als politische Auseinandersetzung geführt werden! Die Öffentlichen Arbeit“geber“ können in die Knie gezwungen und die 38,5 Stunden erfolgreich verteidigt werden, wenn der Streik ausgeweitet und der Kampf als politischer Kampf geführt wird!

Ausweitung des Streiks zum Vollstreik im Öffentlichen Dienst!

Verbindung des Streiks mit den Kämpfen gegen Schließungen und mit der Tarifrunde der IG-Metall!

Offene Verhandlungen, keine faulen Kompromisse hinter verschlossenen Türen! Kein Abschluss, keine Streikunterbrechung ohne vorherige Diskussion und Abstimmung unter den Mitgliedern.

Streikpostenketten und Aufbau von Solidaritätskomitees zur Verteidigung des Streiks gegen Streikbruch!

Wahl der Streikleitungen und Tarifkommissionen durch regelmäßige Streikversammlungen, die den Streikenden rechenschaftspflichtig und von diesen abwählbar sind!

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