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Europaweite Demo gegen EU-Gipfel

100.000 demonstrieren gegen Neoliberalismus

Infomail 204, 25. März 2005

100.000 bis 150.000 demonstrierten am 19. März gegen den EU-Gipfel in Brüssel. Die Initiative zu diesem Protest war ursprünglich vom Europäischen Sozialforum in London ausgegangen. Die eigentliche Demonstration war jedoch vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und seinen Mitgliedsorganisationen geprägt.

Hatte das Londoner Sozialforum den 19. März noch als Aktionstag gegen die europaweiten Angriffe auf die sozialen Rechte der Lohnabhängigen, gegen den EU-Verfassungsentwurf und die imperialistische Besatzungspolitik proklamiert, so war unter der Regie des EGB nur noch der Protest gegen die Bolkestein-Richtlinie zur Liberalisierung der Dienstleistungen in der EU übrig geblieben.

Die Hauptredner der Demonstration wie EGB-Vorsitzender Monks oder DGB-Chef Sommer hielten sich auch sklavisch dieses Drehbuch. Keine Kritik an der EU-Verfassung, keine Erwähnung von Aufrüstung und Besatzung! Aber auch die Kritik an Bolkestein fiel - wie zu befürchten - windelweich aus. Der niederländische EU-Kommissar wurde zwar lauthals als neuer "Frankenstein" denunziert, um dann als "Alternative" der Gewerkschaften lediglich eine "Nachbesserung der Richtlinie" zu fordern.

Sommer brachte es sogar - ganz wie der DGB in seinem Mobilisierungsflugblatt - fertig, den EU-Verfassungsentwurf und die Agenda von Lissabon, auf welche die konzertierten Angriffe der letzten Jahre zurückgehen, als soziale Alternative zur Bolkestein hinzustellen!

EGB und DGB dämonisieren einen - durchaus wichtigen - Angriff, um sich jede weitere Kritik an der EU-Politik insgesamt zu ersparen und die imperialistische EU-Verfassung zu unterstützen. In dieses Regiebuch passte natürlich auch die, wenn auch ganz unverbindliche und wenig überraschende, "Überarbeitung" der Bolkestein-Direktive, wie auf Drängen von Chirac und Schröder am EU-Gipfel diese Woche in Brüssel verkündet wurde.

Diese Positionierung hat natürlich nichts mit einem "Kurswechsel" zu tun, wie es der EGB gern hinstellt, sondern sie zielt erstens darauf, die Ausgangslage für das französische Referendum über die EU-Verfassung zu verbessern und zweitens darauf, die mittelständischen Unternehmer und diverse berufsständische Einsprüche (von Anwälten etc.) gegen die Bolkestein-Richtlinie zu bedienen. Die Modifikationen dienen als mitnichten den Lohnabhängigen, sondern nur bestimmten Kapitalgruppen und den Mittelschichten.

Druck von unten

Die Planung der europäischen Spitzenbürokraten ging jedoch nicht voll auf. Vor allem die französischen GewerkschafterInnen, allen voran die CGT, die mit mehreren zehntausend TeilnehmerInnen den größten und militantesten Block stellte, durchbrachen die selbstgenügsame Beschränkung des EGB auf laue Kritik an Bolkestein.

Die CGT und zehntausende Lohnabhängige aus Frankreich und den Benelux-Ländern rückten die Ablehnung der EU-Verfassung prominent ins Zentrum ihrer Agitation. "Non, non, non - contre la constitution!" war einer der beliebtesten und lautesten Parolen in den Straßen Brüssels.

Die Mobilisierung durch die CGT zeigte zugleich auch das Kampfpotential der europäischen Arbeiterklasse auf. Dazu wäre es notwendig gewesen, den Kampf zur Verteidigung der 35-Stunden-Woche, den Kampf gegen die Rentenkürzungen der Blair-Regierung, gegen Hartz-Gesetze und Agenda in Deutschland miteinander zu verknüpfen und mit der Mobilisierung gegen EU-Verfassung, imperialistische Außenpolitik und die Besetzung des Irak zu verbinden.

Die großen Anti-Kriegsdemos, die am selben Tag in London und Rom durch die Straßen zogen, waren jedoch nicht Resultat einer koordinierten, gemeinsamen politische Initiative, sondern drückten eher die Spaltung der Bewegung aus. Die Anti-Kriegsbewegung steckte in London und Paris ihre Claims ab. In Brüssel marschierte die EGB-gegängelte kontinentale Arbeiterbewegung.

In der Praxis durchbrach nur die CGT die EGB-Regie. Die "sozialen Bewegungen" und das Europäische Sozialforum wurden vom EGB politisch marginalisiert. Sie marschierten am Ende der Demo ohne eigene, sichtbare Losungen und Alternative.

Sie brachten das Fehlen einer ernsthaften, europaweiten Anstrengung zur Koordinierung und Bündelung des Widerstandes in der Aktion zum Ausdruck. Sie brachten zum Ausdruck, dass die Beschränkung des Europäischen Sozialforums auf einen konsensorientieren, unverbindlichen Diskussionsverein ins politische Desaster führt und dazu, dass Ansätze wie das Sozialforum drohen, die Passivität und politische Impotenz des EGB "von unten" zu reproduzieren, statt ihr eine politische Alternative entgegenzusetzen.

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