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Münchner "Sicherheitskonferenz"

Intervention fürs Kapital

Peter Lenz/Rex Rotmann, Neue Internationale 97, Februar 2005

Am 11./12. Februar versammeln sich in München wieder Experten aus Politik, Wirtschaft und Militär zur alljährlichen "Sicherheitskonferenz". Und es geht tatsächlich um Sicherheit. Die Teilnehmer beraten, welche Doktrin, welches Vorgehen am besten geeignet ist, um rund um den Globus ihr Kapital abzusichern, ihre Einflusssphären zu erweitern, Ressourcen zu kontrollieren und neue Ausbeutungspotentiale zu erschließen.

Panzer für Profite

Der Zusammenhang zwischen Panzern und Profiten wird in diesem Jahr besonders deutlich. Nicht nur die Tatsache, dass Vertreter der Wirtschaft so zahlreich wie lange nicht vertreten sind, belegt das. Am Freitag findet zudem die "Finanzierungskonferenz Nordafrika/Mittelost" statt. Unter dem Motto "Mehr Sicherheit durch Investitionen" laden der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI), und der Bundesverband deutscher Banken (BdB) zu diesem Treffen.

Nachdem Außenminister Fischer auf der NATO-Kriegskonferenz 2004 mit seinem Vorschlag "einer transatlantischen Initiative für den gesamten Mittelmeerraum" für Wirbel sorgte, treffen sich nun 250 VertreterInnen aus Unternehmen, Banken und Politik auf der "Finanzierungskonferenz", um über Wege zu beraten, wie deutsche Weltmachtambitionen auch in dieser Region wirtschaftlich besser umgesetzt werden können. Dabei werden sie auch diskutieren, wie die Schaffung einer Freihandelszone in der Region vorangetrieben werden kann. Sie wird von der EU bereits seit 1995 angestrebt und soll sich von Marokko bis Syrien erstrecken.

Dieses starke Engagement hat mehrere Hintergründe. Zum einen stellen die Globalisierung und die weltweite Krise des Kapitalismus Herausforderungen dar, denen sich das deutsche Kapital stellen muss, wenn es international nicht ins Hintertreffen geraten will. Zugleich erfordert das Eingreifen in den zahlreichen Konfliktherden eine flexiblere Militärstrategie und damit auch eine Erneuerung der militärischen Strukturen und Ausrüstungen.

Für die deutschen Kapitalisten und ihre politischen und militärischen Experten geht es dabei zuallererst darum, die EU zu einem in jeder Hinsicht starken imperialistischen Block auszubauen, der den USA ihre fast unangefochtene Vormachtstellung in der Welt streitig machen kann.

Das aktuelle Kräfteverhältnis erfordert momentan allerdings noch einen Kompromiss mit den USA. Ein offener Bruch mit der von den USA beherrschten NATO wird vermieden, stattdessen geht es um den Auf- und Ausbau militärischer Kontingente der EU, die innerhalb der NATO, aber auch unabhängig von den USA operieren und so die geostrategischen Interessen der EU besser absichern sollen. Die neue EU-Verfassung enthält darum auch Klauseln, welche die EU-Mitgliedländer dazu verpflichten, ihre Rüstungs- und Militärausgaben permanent zu steigern.

Seit Jahren sind die militärischen Doktrinen sowohl der NATO als auch der Bundeswehr von - zumindest formell - Streitkräften zur Territorialverteidigung Richtung einer offensiven, auf den gesamten Globus ausgedehnten Strategie modifiziert worden. Bisher gelang es Schröder und Fischer, ihre Politik auf dem Balkan, in Afghanistan oder im Irak-Konflikt als "humanitär" oder deeskalierend darzustellen. Doch dieser humanitäre Schleier verdeckt immer dürftiger die aggressiven und profitorientierten Ambitionen deutscher Außenpolitik.

Umbau der Bundeswehr

Diese militärische Komponente nach außen wird ergänzt durch verschärfte "Sicherheitsvorkehrungen" im Inneren. Der Kampf gegen den Terror wird dabei zum Vorwand genommen, um demokratische Standards auszuhebeln und im innenpolitischen "Krisenfall" freie Hand zu haben. Vor diesem Hintergrund muss z.B. auch die Forderung von Stoiber und Schily nach strikterer Anwendung von Gen-Tests gesehen werden. Mit Moshammer soll auch gleich ein Stück "Rechtsstaat" beerdigt werden.

Die Zeiten, als die offizielle Aufgabe der Bundeswehr die "Territorialverteidigung" gewesen sein soll, sind unwiderruflich vorbei. Im Rahmen einer EU-weiten Militarisierung werden europäische Eingreiftruppen aufgebaut, die "Krisenprävention" und "Krisenintervention" betreiben. Dazu bedarf es kleinerer, hochtechnisierter und mobiler Strukturen. Dazu bedarf es auch einer Fülle von Spezialisten. Wer glaubt, die Abschaffung der Wehrpflicht, die Verkleinerung der Bundeswehr oder die bundesweiten Standortschließungen wären Zeichen der Abrüstung, irrt gewaltig!

Die militärische Umstrukturierung verlangt auch eine Neuordnung der Rüstungsindustrie in Richtung Schaffung europäischer Rüstungsmonopole, die mit den US-Rüstungsmultis konkurrieren können. Der große Bedarf an neuen Waffensystemen ist dabei äußerst lukrativ: lufttransportfähige gepanzerte Fahrzeuge, Großraumtransportflugzeuge mit großem Aktionsradius, neue Kriegsschiffe.

Eine zentrale Rolle dabei spielt der neue A 400 M, die militärische Ausführung des Airbus A 380. Mit diesem Langstreckentransporter wäre die EU-Armee nicht mehr auf angemietete Transportkapazitäten angewiesen. Das Flugzeug kann 16.000 Kilometer ohne Auftanken zurücklegen und dabei über 500 Soldaten oder gepanzerte Fahrzeuge, LKW und anderes Material transportieren. In dieser Hinsicht galten die Feierlichkeiten zum A 380 nicht nur der innovativen Technik.

Ab 2005 werden u.a. mehrere Hundert Schützenpanzer "Duro" ausgeliefert. Die Kasseler Rüstungsfirma HNA frohlockt: "Der laufende Umbau der Bundeswehr von einer reinen Verteidigungs- zu einer friedenssichernden Armee mit Einsätzen rund um den Globus erfordert eine völlig neue Ausrüstung. Eine besondere Rolle spielen dabei leichte und mittelschwere, gepanzerte und luftverladbare Unterstützungsfahrzeuge …"

Die neue militär-politische Konzeption der EU hat auch für den weltweiten Klassenkampf Folgen. Die imperialistischen Truppen, die in Afrika, in Asien und auf dem Balkan eingesetzt sind, richten sich auch gegen jeden Widerstand, gegen jede revolutionären Erhebung, die das Privateigentum an Produktionsmitteln oder die imperialistische Ausplünderung der Welt bedrohen. Dem Proletariat in diesen Ländern werden nicht nur die Streitkräfte des eigenen Landes gegenüberstehen, sondern auch die "mobilen Einsatztruppen" der EU.

Die neu formierten EU-Verbände stellen auch eine reaktionäre Reserve zur Verteidigung des Privateigentums im Inneren dar. Die Bourgeoisie weiß um die eingeschränkte Tauglichkeit einer Wehrpflichtigenarmee zum Bürgerkrieg. Die Brutalisierung, die Ausbildung zur "kompromisslosen Kampfmaschine", wie von vielen Militärs offen gefordert, ist mit Wehrpflichtigen, die nur zeitweilig in der Armee dienen, nicht so einfach möglich.

Die soziale Lage vieler Jugendlicher, Arbeitslosigkeit und Existenzunsicherheit animiert viele Jugendliche, sich als Berufssoldaten anwerben zu lassen. Allerorten sind Jugendoffiziere unterwegs, gehen in Schulen und werben.

Wir fordern v.a. die Gewerkschaften, WASG und PDS auf, zu den Protesten gegen die Militarisierung aufzurufen und zu mobilisieren! Schluss mit der blauäugigen und reaktionären Meinung der Reformisten "Egal, was produziert wird: Panzer oder Bohnerwachs. Hauptsache, die Arbeitsplätze sind sicher."! Die militärischen Ambitionen des deutschen Imperialismus richten sich gegen alle Lohnabhängigen und Unterdrückten - auch hierzulande!

Aktionen

Unter dem Motto "Fight global war - Raus auf die Straße für lebendigen und sichtbaren Widerstand gegen die Münchner NATO-Kriegskonferenz und gegen die 'Finanzierungskonferenz Nordafrika/Mittelost' am 11./12. Februar 2005" finden mehrere Aktionen statt.

16.30 Uhr: Demonstration vom Lenbachplatz (U4/5 Stachus) zur "Finanzierungskonferenz Nordafrika/Mittelost" im Dorint Sofitel Hotel

17-19 Uhr: Kundgebung des Bündnis gegen die "Sicherheitskonferenz vor dem Dorint Sofitel Hotel (Hauptbahnhof)

17-22 Uhr: Infopoint Schrammerstr./Maffeistr, Convergence Center im ehem. Tröpferlbad; Thalkirchnerstr 104/ II (U3/6 Goethepl.)

12 Uhr: Internationale Demonstration vom Marienplatz

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Nr. 97, Februar 2005

*  Irak: Imperialistische Wahlfarce
*  Münchner "Sicherheitskonferenz": Intervention fürs Kapital
*  Heile Welt
*  ver.di-Tarifverhandlungen: Nichts fordern, nichts tun
*  Gewerkschaftslinke: Der schwere Weg zum Klassenkampf
*  EU-Verfassung: Nein zum Staatenbund der Imperialisten!
*  Trotzkis Faschismustheorie: Arbeitereinheit gegen Braun
*  NPD-Provokation: Verbot statt Kampf?
*  Caritas und Hartz IV: Ein Euro Gotteslohn
*  Rot-Grünes Verarmungsprogramm: Für'n Appel und 'n Euro?