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Tarifrunde Öffentlicher Dienst Berlin

Ende mit Schrecken

Brigitte Falke, Neue Internationale 82, Juli/August 2003

Die Kapitulation der IG-Metall-Führung während des Streiks für die 35-Stundenwoche im Osten hat Breitenwirkung. Nicht nur bürgerliche Medien, Regierung und Kapitalisten bejubeln deren Kniefall. Auch auf die Tarifverhandlungen von ver.di, GEW u.a. Gewerkschaften mit dem Land Berlin wirkte sich diese Niederlage sofort aus.

Ver.di-Chef Bsirske wurde in die Tarifkommission geholt und schloss mit dem Verhandlungsführer des Landes Berlin, Wowereit, einen Tarifvertrag für die ca. 60.000 im unmittelbaren Landesdienst stehenden ArbeiterInnen und Angestellten des Landes Berlin ab.

Das Ergebnis

Das Ergebnis ist in der Geschichte der Bundesrepublik einmalig. Der Übernahmetarifvertrag sieht im Durchschnitt Lohn- und Gehaltskürzungen für alle Vollzeitbeschäftigten um durchschnittlich 10 % vor! Diese Katastrofe wird auch nicht dadurch "erträglich", dass eine Beschäftigungssicherung für die 6.000 Überhangkräfte bis zum 31.12.09 - so lange läuft der Tarifvertrag - vereinbart wurde.

Die Lohnkürzungen sollen mit mehr Freizeit "ausgeglichen" werden; allerdings auch nicht 1:1, da ein Teil der "Freizeit" in kaum überprüfbare Langzeitarbeitskonten fließt. Weihnachts- und Urlaubsgeld blieben zwar "erhalten", fallen aber durch die Einkommensabsenkungen ebenfalls niedriger aus. Das Land Berlin oder besser: sein Finanzsenator freut sich. Bis 2009 sollen so insgesamt 2,16 Mrd. Euro Personalkosten gespart werden.

Ohne Tarifabschluss hätte zumindest der Status quo gehalten werden können: eine Nullrunde statt einer Minusrunde! Da jedoch der Landesgesetzgeber Berlins für die Beamten per Gesetz durch weitere drohende Arbeitszeitverlängerungen (zuletzt 42 Wochenstunden) und Besoldungskürzungen die alleinige Macht hatte, diese gegen die ArbeiterInnen und Angestellten auszuspielen, vergrößerte sich der Druck für einen Abschluss.

Die Betroffenen reagieren alles andere als erfreut. Ohne Zweitjobs werden etliche ihren Lebensstandard nicht mehr halten können. Viele drohen mit dem Austritt aus der Gewerkschaft. So verständlich diese Reaktion angesichts des erneuten Einknickens der Gewerkschaftsführungen auch ist - politisch ist sie trotzdem falsch. Notwendig wäre stattdessen, eine politische und organisatorische Alternative zur reformistischen Spitze innerhalb der Gewerkschaften aufzubauen.

Auch aufgrund des Fehlens einer solchen kämpferischen Basisopposition in den Gewerkschaften konnte das ungünstige Kräfteverhältnis nicht zugunsten der Beschäftigten verschoben werden. Notwendig wären effektive Warnstreiks, eine Urabstimmung und ein entschlossener Streik gewesen. Notwendig, um einerseits den Senat in die Schranken zu weisen wie andererseits, um Bsirske und Co. den Weg zu diesem faulen, oder präziser skandalösen "Kompromiss" zu verbauen.

Die Landesführung von ver.di und die anderen am Tarifabschluss beteiligten Gewerkschaften sind entscheidend an diesem Desaster mitverantwortlich. Sie haben viel zu wenig mobilisiert und bei den Aufrufen zum Warnstreik die Vertrauensleute beim Verteilen kaum unterstützt. Sie wollten den Streik nicht! Und das haben sie erreicht.

Das Ergebnis ist klar: die aufgrund der Wirtschaftskrise und der "hausgemachten" Probleme leeren Kassen berlins sollen nun dadurch entlastet werden, dass die Beschäftigten geschröpft werden!

Widerstand organisieren!

Trotz dieser Niederlage sind wir nicht machtlos. Die nächsten Angriffe und Einschnitte von Kapitalisten, Bund und Land Berlin werden kommen, zumal diese wegen des bisher schwachen Widerstandes eher zu noch größeren Schweinereien ermuntert werden.

Lasst es uns beim nächsten mal besser machen! Dass dies möglich ist, haben in Schweinfurt 4.500 MetallerInnen gezeigt, die gegen die Agenda 2010 auf die Straße gegangen sind. Um solche Aktionen vorzubereiten und zu organisieren, müssen Aktionskonferenzen der GewerkschafterInnen einberufen und die Aktivsten zusammengeführt und in einer eigenen Struktur innerhalb der Gewerkschaft organisiert werden.

Die Gewerkschaftsbürokratie wird immer unfähiger, den Kampf zu organisieren, weil sie dem Druck der Krise und des Kapitals immer stärker nachgibt. Gegen die Bürokratie muss ein organisierter politischer Kampf in den Betrieben und Gewerkschaften geführt werden!

Eine klassenkämpferische Basisbewegung ist notwendig, die alle jene organisiert, die sich gegen sozialpartnerschaftlichen Ausverkauf richten, die für Internationalismus statt "Verteidigung des Standorts" eintreten, die auf Klassenkampf statt Klassenkollaboration setzen, die neben dem gewerkschaftlichen auch den politischen Kampf gegen Kabinett und Kapital führen wollen.

Dazu bedarf es auch der bewussten Organisierung von RevolutionärInnen in den Gewerkschaften in einer Fraktion, die auf der Grundlage eines Programms wirkt, das den Kampf um revolutionäre Gewerkschaftspolitik mit dem Kampf gegen den Kapitalismus, für die sozialistische Revolution verbindet. Eine solche Fraktion wollen wir aufbauen. Tretet mit uns in Kontakt!

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Nr. 82, Juli/August 2003

*  Krise der IG Metall: Kranker Riese
*  Heile Welt
*  Kampf um die 35-Stunden-Woche: Streik(ab)brecher raus!
*  Tarifrunde Öffentlicher Dienst Berlin: Ende mit Schrecken
*  Auslaufmodell SPD? Asozialdemokratie
*  Studentenrevolte im Iran: Zwischen USA und Mullahs
*  Vor 100 Jahren: Geburtsstunde des Bolschewismus
*  Europaweiter Generalangriff: Mehr Reform - weniger Rente