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Konferenz zu Streikrecht und Union-Busting

Was tun gegen neue Angriffe?

Helga Müller, Neue Internationale 204, November 2015

Im Mai verabschiedete die Große Koalition das umstrittene Gesetz zur Tarifeinheit, das seit 17. Juli 15 rechtskräftig ist. Vor allem die kleineren Gewerkschaften - besonders die GdL - waren mehr oder weniger aktiv gegen die Umsetzung. Ver.di hat sich zwar dagegen ausgesprochen, aber außer einer online-Unterschriftensammlung hat sie nicht wirklich gegen die Umsetzung dieser neuen Gesetzesinitiative in den Betrieben informiert oder gar dagegen mobilisiert.

Bei der vom Aktionsbündnis „Hände weg vom Streikrecht - für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit“ - initiierten bundesweiten Kundgebung und Demonstration im April in Frankfurt/M. hat sich ver.di nur mit einzelnen Gliederungen - v.a. aus NRW - beteiligt und  mobilisiert. Von daher war die Demonstration mit ca. 1.000 TeilnehmerInnen zwar für ein kleines Aktionsbündnis gut, sie war aber auch nicht mehr als ein Signal dafür, dass man mit dieser Gesetzesinitiative nicht einverstanden ist.

Hindernisse

Das weit größere Hindernis für eine erfolgreiche Verhinderung des Gesetzes aber war, dass die größte Einzelgewerkschaft IG-Metall - trotz des Widerstands einzelner Mitglieder und Funktionäre - und auch der DGB diese Gesetzesinitiative der SPD-Arbeitsministerin Nahles unterstützt haben. Zum einen hat die IG Metall nicht verstanden, dass dies ein Angriff auf das Streikrecht im allgemeinen darstellt, dem weitere folgen werden, zum anderen verbindet sie damit das Ziel, ihr Organisationsmonopol - entlang der Wertschöpfungskette ihres Organisationsbereichs - auch gegen ver.di aufrecht zu erhalten und kleinere kämpferischere Gewerkschaften fernzuhalten.

Das entspricht ganz ihrem Standortdenken und der seit Jahren noch tieferen Integration der IG-Metall in die Politik der Sozialpartnerschaft, möglichst wenige Warnstreiks und schon gar keine Vollstreiks durchzuführen, um das „eigene“ Unternehmen nicht zu gefährden und eine Verhandlungsbasis zu erhalten, um für ihre Klientel,- die (noch) gut bezahlten FacharbeiterInnen - etwas „rauszuholen“. In Teilen der von der Krise profitierenden Exportwirtschaft fährt sie zumindest in Bezug auf die FacharbeiterInnen noch ganz gut, die prekär Beschäftigten und die Arbeitslosen aber bleiben auf der Strecke.

Gescheitert ist der mögliche Widerstand gegen die Umsetzung des Gesetzes zur Tarifeinheit an der Spaltung und Untätigkeit der DGB-Gewerkschaften und an der Verweigerung der Partei DIE LINKE, die zwar die Tarifeinheit auch ablehnt, aber nicht dagegen mobilisiert. Die  IG-Metall hat sich gleich auf die Seite der Regierung und der Unternehmer gestellt, aber auch bei ver.di, der zweitgrößten Gewerkschaft, hat es am Willen gemangelt, obwohl sie gegen die Tarifeinheit und direkt davon betroffen ist, eine Kampagne in den Betrieben gegen dieses Gesetz zu führen und die KollegInnen dagegen in den Kampf zu führen bis hin zu politischen Streiks.

Aber auch die kleineren Gewerkschaften haben nicht viel mehr zustande gebracht, als eine Verfassungsklage gegen dieses Gesetz anzustreben. Mit der einstweiligen Anordnung (einstweilige Verfügung) gegen das Tarifeinheitsgesetz beim Bundesverfassungsgericht sind sie - erwartungsgemäß - im Oktober gescheitert. Bis es zu einem Urteil beim Bundesverfassungsgericht kommt, können noch Jahre vergehen. Zudem kann keiner sagen, ob das Bundesverfassungsgericht das Gesetz tatsächlich ablehnt, auch wenn viele Arbeitsrechtler sagen, dass dieses Gesetz nicht verfassungskonform sei, da es in die Koalitionsfreiheit des Artikel 9 GG eingreift.

Gleichzeitig sind weitere Angriffe auf das Streikrecht in Planung. Das ist auch kein Wunder: es geht darum, die Krisenlasten auf die Arbeiterklasse abzuwälzen und zugleich ihre Möglichkeiten, sich dagegen zu organisieren und kollektiv dagegen vorzugehen, einzuschränken. Es handelt sich also um eine gezielte und systematische Politik der Kapitalisten und ihrer Regierung, um das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten zu ändern.

Zuerst hatte die CSU und dann der Wirtschaftsflügel der CDU einen Vorstoß zur weiteren Einschränkung des Streikrechts gewagt: Im Bereich der Daseinsvorsorge, zu dem auch Bahn- und ErzieherInnenbereich zählen, soll es, bevor es zu einem Streik kommt, immer ein Schlichtungsverfahren - nichts Anderes als die Einführung einer Zwangsschlichtung - geben. Zudem soll ein Streik 4 Werktage vor Beginn dem Unternehmer mitgeteilt werden, genügend Zeit also, damit er Streikbrecher organisieren kann. Zuletzt muss vor jeder Arbeitskampfmaßnahme eine Notdienstvereinbarung ausgehandelt werden. Mit diesen Einschränkungen wird ein Streik im Bereich der Daseinsvorsorge ad absurdum geführt, da dann keinerlei Druck auf die Unternehmer mehr ausgeübt werden kann.

Doch der GdL-Streik hat einen Weg gezeigt, wie ein solches Gesetz zu Fall gebracht werden kann. Natürlich haben wir am Vorgehen der GdL-Führung auch Kritik, was den Streikabbruch und die Zustimmung zu einem Schlichtungsverfahren u.a. betrifft. Dies haben wir in diversen Publikationen veröffentlicht. Doch immerhin hat die GdL über die ökonomischen Forderungen hinaus auch die politische Dimension eingebracht, dass es hier auch um die Verteidigung eines Grundrechts - nämlich das auf Streik - geht. Zum anderen haben sie dafür auch gestreikt, wenn auch am Ende der Streik ohne Not abgebrochen wurde. Immerhin haben sie damit erreicht, dass für die GdL auf Konzernebene die Tarifeinheit für 5 Jahre nicht angewendet wird. Erinnert sei daran, dass der Bahnvorstand Seit an Seit mit der DGB-Gewerkschaft EVG vor dem Tarifeinheitsgesetz auf Konzernebene die Tarifeinheit durchsetzen wollte. Die GdL sollte dazu gebracht werden, festzulegen, für welche Bereiche die jeweilige Gewerkschaft zuständig sei und damit festzulegen, welche Gewerkschaft in welchem Bereich die Mehrheitsgewerkschaft sei.

Nächste Schritte

Was also notwendig ist, ist eine politische Initiative der Gewerkschaften zusammen mit der Linkspartei - angefangen bei ver.di, in der es viele Beschlüsse gegen das Tarifeinheitsgesetz gibt. Zuerst ist eine Aufklärungskampagne in der Organisation als auch in den Betrieben notwendig, was hinter diesen Angriffen steckt und aufzuzeigen, dass es notwendig ist, dagegen zu kämpfen. Damit würde auch die Grundlage geschaffen, die KollegInnen in politische Aktionen bis hin zu Streiks zu führen. So könnte auch Druck auf die IG-Metall ausgeübt werden, sich gegen das Tarifeinheitsgesetz zu stellen und jeden weiteren Angriff auf das Streikrecht abzulehnen.

Erfahrungsgemäß ist es nicht so - dafür ist auch die Integration der Gewerkschaften in das Wohlergehen „ihres“ Unternehmens zu weit fortgeschritten -, dass sich eine solche Initiative von allein innerhalb der Gewerkschaften entwickelt, dafür ist eine bewusste politische Kraft notwendig, die gezielt, systematisch und koordiniert in den Gewerkschaften gegen die Gewerkschaftsführung auf Grundlage der folgenden Forderungen eingreift:

Für die Verteidigung des Streikrechts!

Für die Rücknahme des Tarifeinheitsgesetzes!

Gegen jeden weiteren Angriff auf das Streikrecht!

Für politische Aktionen in den Betrieben bis hin zum politischen Streik zur Verteidigung des Streikrechts!

Am 7./8.11. findet in Kassel ein „Kongress zu Eingriffen ins Streikrecht und Union-Busting“, initiiert von verschiedenen Organisationen, u.a. von der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG), statt. Auf diesem Kongress muss die Diskussion zwischen den  Organisationen und Gewerkschaftern geführt werden, wie eine solche politische Initiative über die Gewerkschaftsgrenzen hinweg ergriffen werden kann.

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Nr. 204, November 2015
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