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Tarifrunde buchhandel/Verlage Bayern

Im Sumpf der “Sozialpartnerschaft”

Korrespondent München, Neue Internationale 197, März 2015

Die Tarifrunde 2014 im Bayerischen Buchhandel und bei den Verlagen schleppt sich seit über einem Jahr dahin. Der Arbeitgeberverband kündigte den Manteltarifvertrag (MTV) zum 30.7.14, um ihn zu „modernisieren und den neuen Bedingungen anzupassen“ - im Klartext: um Verschlechterungen durchzusetzen. Er konnte sich aber bis heute nicht darauf einigen, was er denn gerne verschlechtert haben möchte - trotz mehrmaligen Nachfragens von Seiten der ver.di-Tarifkommission. Ver.di kündigte den Entgelttarifvertrag fristgerecht zum 31. März 2014.

Bis heute ist es in der Fläche zu keinem Abschluss gekommen, weder beim MTV noch beim Entgelt. Der MTV mit seinen Schutzregelungen (besondere Kündigungsschutzregelungen, Weihnachts- und Urlaubsgeld, mehr Urlaub, als gesetzlich geregelt etc.) gilt seitdem in sog. Nachwirkung. D.h. KollegInnen, die vor der Kündigung in einem Verlag oder einer Buchhandlung, die dem Arbeitgeberverband angehört, beschäftigt und vor Laufzeitende ver.di-Mitglied waren oder geworden sind, gelten die Schutzregelungen des MTV weiter, bis es eine neue Regelung gibt.

Pattsituation

Dass es in der Fläche, d.h. für ganz Bayern bisher zu keinem Abschluss gekommen ist, liegt daran, dass weder die Unternehmerseite noch die Gewerkschaftsseite in der Lage sind, sich durchzusetzen. Der Arbeitgeberverband in Bayern verliert seit Jahren immer mehr an Bedeutung, Jahr für Jahr verlassen Buchhandlungen und Verlage den Verband - die großen sind aber bisher noch Mitglied: Beck und Hugendubel, Weltbild zumindest noch bis Ende 2014. Auf der anderen Seite hat die Gewerkschaft aufgrund der Insolvenz des Weltbildverlags seinen wichtigsten Streikbetrieb verloren, der in der Fläche durchsetzungsfähig war. Außer einem mittelständischen juristischen Fachverlag und evtl. Hugendubel gibt es derzeit in Bayern keinen Betrieb, der streik- oder auch nur aktionsfähig wäre. Auch ver.di hat hier seine Bindungsfähigkeit verloren.

In dieser Situation hat die ver.di-Tarifkommission entschieden, dem Arbeitgeberverband einen Vorschlag zu machen, der zumindest den MTV in der Fläche noch einmal für eine bestimmte Zeit rettet: der Entgelttarifvertrag bleibt bis Ende 2015 offen, ver.di stellt in der Fläche bis dahin keine Forderung auf, bleibt aber streikfähig in einzelnen Betrieben. Dafür wird der MTV in unveränderter Form bis Ende 2015 wieder von beiden Seiten unterschrieben. Das ist zwar eine unübliche Vorgehensweise, entspricht  aber dem derzeitigen Kräfteverhältnis.

Damit wäre der MTV mit seinen Schutzregelungen - v.a. was auch den erweiterten Kündigungsschutz angeht, der gerade für den insolventen Weltbildverlag und für die KollegInnen von Hugendubel, die derzeit mit Personalabbau zu kämpfen haben, äußerst wichtig ist - in der Fläche noch einmal gerettet. Darüber hinaus hat ver.di bis Ende 2015 Zeit, andere Verlage/ Buchhandlungen zumindest aktionsfähig zu machen, um generell wieder Entgeltforderungen stellen und den MTV weiter verteidigen zu können.

Streikfähigkeit

Gleichzeitig ist mit dieser Vorgehensweise ver.di auf betrieblicher Ebene immer noch handlungs- und v.a. auch streikfähig, um hier eine Entgeltforderung über einen Haustarifvertrag durchzusetzen. Tatsächlich hat ver.di auch in dem mittelständischen juristischen Fachverlag eine Haustarifkommission gewählt, dem Arbeitgeber eine Entgeltforderung von 5,5% für 2014 und eine Festgeldforderung von 150 Euro (untere Lohngruppen bekämen prozentual mehr als obere Lohngruppen) vorgelegt. Trotz vier eintägiger Warnstreiks, einer davon zwei Tage hintereinander, mit denen die KollegInnen der Geschäftsführung mehr als deutlich gezeigt haben, dass sie mit dem Angebot für 2014 (2,1% und für 2015 2,5%) nicht einverstanden sind, hat die Geschäftsführung ihr Angebot nicht erhöht. Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang, dass die KollegInnen es geschafft haben, über eine längere Zeit einheitlich zu handeln und über die bisher üblichen eintägigen Warnstreiks hinauszugehen. Das wird seine Wirkung gegenüber zukünftigen Maßnahmen der Geschäftsführung nicht verfehlen.

In der Fläche sieht die Situation derzeit jedoch nicht so rosig aus. Drei Monate nachdem ver.di ihren Vorschlag gemacht hatte - ein Zeitraum, den sich der Arbeitgeberverband erbeten hat, um Rücksprache mit seinen Mitgliedern zu halten -, will der Arbeitgeberverband aber von dieser Vereinbarung nichts mehr wissen. Er versucht, ver.di sowohl in der Fläche als auch auf betrieblicher Ebene eine Friedenspflicht aufzuzwingen. Die ver.di-Tarifkommission lehnte dieses Unterfangen ab und beharrt auf seinem ursprünglichen Vorschlag. Ob dieser noch durchzusetzen ist, wird sich noch herausstellen.

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Nr. 197, März 2015
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