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Rechte Ausmärsche gegen Flüchtlinge und Migrant/Innen

Rassisten und Faschisten stoppen!

Martin Suchanek, Neue Internationale 195, Dez. 14/Jan. 15

Seit Wochen mobilisieren verschiedene Teile des rechten Spektrums bundesweit gegen Flüchtlinge und eine vermeintliche „islamistische Gefahr”. Die Bandbreite reicht dabei von faschistischen Schlägern, Kameradschaften, Hooligans und Parteien über Hogesa in Köln bis zu Protesten rassistischer WutbürgerInnen, unter denen sich Neo-Nazis oder auch die AfD tummeln wie in Dresden und Kassel. Gemeinsam ist ihnen der Feind. Beschworen werden alle möglichen eingebildeten „Gefahren“ vom „salafistischen Terror“ bis hin zur drohenden „Überfremdung“ der deutschen Kultur durch den Islam.

In Berlin u.a. Städten haben sich „Bürgerproteste“ gegen Flüchtlinge gebildet. Auch wenn sich diese vorgeblich „nur“ gegen die Heime in ihrem Stadtteil richten, so gibt es keinen Zweifel an ihrer rassistischen, erz-reaktionären Ausrichtung.

In dieser Bewegung findet derzeit auch ein offener Führungskampf der rechtsextremen Kräfte statt. Die Partei „Die Rechte“ hat starke Verbindungen zum Hogesa-Milieu und den dort aktiven Kameradschaften und „freien Kräften“, dort hat die NPD an Einfluss verloren. In der NPD tobt ein Führungskampf, in dieser Bewegung hat sie weniger Einfluss als „die Rechte“ oder die AfD, die in Dresden aktiv die „Bürgerproteste“ anführt. Die rechtsextremen und rechtskonservativen Kräfte können diese Bewegung zur eigenen Stärkung nutzen, wie auch zu einer Neuausrichtung der rechten Kräfte insgesamt.

Zwei Gefahren

Der unverhohlene Rassismus ist das Bindeglied, das diesen verschiedenen Formen rechter und rechts-radikaler Mobilisierung Gemeinsame. Schon heute stellt sie eine reale, lebensbedrohliche Gefahr für MigrantInnen und Flüchtlinge dar.

Es steht aber noch weit mehr auf dem Spiel: Die Formierung einer bundesweit vereinheitlichten rechts-extremen Massenbewegung, die zur Stärkung rassistischer und faschistischer Organisationen führt. Schon heute ist offenkundig, dass bei den Mobilisierungen die Nazis mitschwimmen wie Fische im Wasser.

Der Staat und die etablierten parlamentarischen Parteien geben sich zwar als Gegner dieser Aktionen. Zugleich greifen aber v.a. CDU und CSU deren Ziele auf. So wird wieder einmal die „berechtigte“ Unsicherheit und Angst der BürgerInnen beschworen, die man vorher selbst mitinszeniert hat. So fordert die CSU neuerdings, dass alle MigranntInnen zu Hause deutsch sprechen sollen. Die sächsische CDU will mit Unterstützung des Koalitionspartners SPD eine „Sonderkommission Flüchtlingskriminalität“ gründen. Bei der EU-Wahl hat die CSU massiv Stimmung gegen die „Sozialbetrüger“ v.a. aus Rumänien und Bulgarien betrieben, ungeachtet der Tatsache, dass in Bayern gerade mal 12 Verfahren gegen EU-Bürger wegen „Sozialbetrugs“ liefen.

So sollen die weiteren Einschränkungen der Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen, Verschärfung des Asylrechts, stärkere staatliche und polizeiliche Überwachung und weitere Abschottung von EU und BRD gerechtfertigt werden unter Bezug auf die „Ängste“ der BürgerInnen.

SPD und Grüne warnen zwar vor „Demagogie und Übertreibung“ - stimmen am Ende aber angeblich „vernünftigen“ rassistischen Maßnahmen wie der Erleichterung von Abschiebungen zu. Die Linkspartei gibt sich zwar „kritischer“, ernsthaften Widerstand aber organisiert sie nicht. Wo sie (mit)regiert, setzt auch sie die repressive Flüchtlingspolitik um. Es ist wohl auch zuviel zu erwarten, dass diese Parteien zumindest die hier anwesenden MigranntInnen und Flüchtlinge verteidigen, obwohl inzwischen nicht nur die Deutsche Rentenversicherung gefunden hat, dass die MigranntInnen einiges mehr in die Sozialsysteme einzahlen, als sie bekommen - die Differenz liegt bei über 20%.

Dem mörderischen unverhohlenen Rassismus von Nazis bis hin zu fremdenfeindlichen rechten „WutbürgerInnen“ soll durch mehr staatlichen Rassismus der Wind aus den Segeln genommen werden.

Diese beiden Gefahren sind überaus ernst zu nehmen, weil der eigentliche Nährboden der rechten Mobilisierungen unabhängig von der Entwicklung dieses oder jenes lokalen rassistischen/faschistischen Bündnisses weiter bestehen wird. Der Rassismus dient den rechten „Wutbürgern“ wie den Nazis als Erklärung für drohenden sozialen Abstieg oder permanenten gesellschaftlichen Niedergang; MigrantInnen und Flüchtlinge werden zu Sündenböcken und Verursachern ihrer Misere - zumal die Gewerkschaften, die Sozialdemokratie und die Linkspartei allenfalls leere und unglaubwürdige Antworten liefern.

Krieg, Krise, Ausbeutung, also die imperialistische Weltordnung, und nicht zuletzt das deutschen Großkapital haben die Welt so zugerichtet, dass Millionen nur noch die Flucht bleibt, wenn sie ein besseres Leben, ja überhaupt überleben wollen. Im rassistischen Weltbild verkehren sich Ursache und Wirkung. Die Geflüchteten und MigrantInnen werden „schuldig“ am System, das ihr Elend erst hervorbringt.

Der Rassismus radikalisiert die nationalistische Ideologie des „demokratischen“ Deutschland, die nationale Wettbewerbsgemeinschaft, die im Stolz auf Exportweltmeistertitel und Maximalprofit auch die „Sozialpartner“ einbindet.

Kapitalistische Krise und staatlicher Rassismus sind der Nährboden, auf dem die rechten Mobilisierungen gedeihen. Egal, ob in der Solidaritätsbewegung mit den Geflüchteten oder im Kampf gegen Rechte und Nazis - es sind die Gerichte und die Bullen, die die Betroffenen und uns bekämpfen, nicht schützen.

Absolut widersinnig ist es daher, zu erwarten, dass Bundes- und Landesregierungen, diverse „Kommissionen“ oder erst recht Behörden und Gerichte wirksam gegen Rassisten und Faschisten vorgehen wollen oder können. Wenn wir uns darauf verlassen, sind wir verlassen.

Sackgasse des bürgerlichen Antifaschismus/Antirassismus

Faschismus und Rassismus sind reaktionäre Antworten auf die Krise des Kapitalismus. Im bürgerlichen Antifaschismus/Antirassismus erscheinen reaktionäre Gefahren letztlich als Resultat mangelnder Aufklärung, als „falsche Meinung“ von Individuen, nicht als Klassenfrage. Daher erscheint es auch naheliegend, dass die Rechten am besten durch die „Einheit aller DemokratInnen“ - von Erwerbslosen über gewerkschaftlich organisierte ArbeiterInnen bis hin zu „weltoffenen“ Unternehmern - bekämpft werden könnten. Mag es auch notwendig sein, bei einzelnen Aktionen mit allen möglichen Gruppierungen ad hoc Absprachen zu treffen, so ist die Ausrichtung auf ein Bündnis von Linken, Arbeiterbewegung, MigrantInnen und Geflüchteten mit bürgerlichen Kräften kontraproduktiv. Warum?

Erstens beschränkt eine solche Strategie die Aktion darauf, was für bürgerliche Bündnispartner „akzeptabel“ ist. Und das bedeutet, dass organisierte Selbstverteidigung, militanter Antifaschismus nicht dabei sind.

Zweitens bedeutet es, dass der Zusammenhang von Kapitalismus, Ausbeutung und Faschismus und Rassismus ausgeblendet werden muss, um die „Einheit“ mit jenen herzustellen, die ihrerseits von der Ausbeutung profitieren, ihrerseits jenen Imperialismus und seine Geschäftsinteressen verteidigen, die erst Flucht, Elend, Überausbeutung und Rassismus hervorbringen.

Während die Rechten von Volk, Nation, „Rasse“ nicht genug kriegen, setzt die bürgerliche Demokratie diesem reaktionären Einheitsbrei humanistische Phrasen entgegen, die nur noch „Menschen“ und „Individuen“, aber keine Klassen kennen.

Welchen Antifaschismus brauchen wir?

Antirassismus und Antifaschismus sind für uns integrale Bestandteile revolutionärer, anti-kapitalistischer Klassenpolitik.

Rassismus ist untrennbar mit der kapitalistischen und imperialistischen Weltordnung verbunden, mit der Aufteilung des Globus unter die Großmächte und deren Konzerne. Mit dieser Aufteilung geht auch die rassistische und nationalistische Einteilung der Nationen, Ethnien, „Rassen“ einher - und die damit staatliche Regelmentierung von Flucht und Migration.

Der Faschismus ist eine reaktionäre Bewegung, die sich gegen alle Kräfte der Arbeiterklasse, der Unterdrückten wendet, um so die deklassierten KleinbürgerInnen, Mittelschichten, Sub- und Lumpenproletariat für die konterrevolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft zu mobilisieren und dient als eiserne Reserve der herrschenden Klasse bei weiterer Zuspitzung der Krise.

Die aktuelle Mischung aus Nazis, RassistInnen, Rechts-Konservativen bis hin zu rechten WutbürgerInnen ist so gefährlich, weil aus ihr eine Massenbewegung entstehen kann.

Vielerorts sind schon heute die Gegendemos und Aktionen von Antifas, radikalen Linken, Bürgerprotesten zahlenmäßig schwächer und schlechter organisiert als die der Rechten. Es ist daher höchste Zeit, dieses Problem offen zu benennen.

Unserer Meinung nach geht es heute darum, dass wir eine Massenbewegung aufbauen, die sich dem rassistischen Mob und den Faschisten entgegenstellt. Aber diese darf und soll nicht als „Bürgerbewegung“ konzipiert sein, sondern muss sich auf die Arbeiterbewegung - allen voran auf Gewerkschaften -, auf MigrantInnen, Jugendliche und die lohnabhängigen BewohnerInnen in den Stadtteilen stützen.

Daher gilt es auch, die Forderung nach der Unterstützung und dem Aufbau einer solchen Bewegung an die Basis und Führung der Massenorganisationen der Arbeiterklasse, an die bürgerlichen Arbeiterparteien, also auch an DIE LINKE und die SPD, zu stellen, um möglichst viele Lohnabhängige in die Aktion zu ziehen und deren Führungen dem Test der Praxis zu unterziehen. Auch wenn sich für uns wie für viele „Linksradikale“ die reformistischen Führungen längst als untauglich für den Kampf erwiesen haben, so darf dieses Wissen nicht mit dem Bewusstsein der großen Masse der Lohnabhängigen verwechselt werden, die selbst noch Illusionen in diese Politik wie in die Reformierbarkeit des Systems hat.

Die gemeinsame Aktion ist vielmehr notwendig, um einen stärker werdenden gemeinsamen Gegner zurückzuschlagen, wie auch, um den Ablösungsprozess der reformistischen ArbeiterInnen von ihrer Führung in der Praxis herbeizuführen.

Wir treten daher dafür ein, in den Stadtteilen, an Schulen, Unis, v.a. aber in den Betrieben Komitees gegen die rechte Mobilisierung aufzubauen.

Die meisten MigrantInnen und Flüchtlinge sind Teil der Arbeiterklasse. Die Flüchtlinge sind zumeist LohnarbeiterInnen, denen selbst das Recht vorenthalten wird, ihre Arbeitskraft zu verkaufen und die in einem unmenschlichen Lagersystem „versorgt“ werden, das sie systematisch isoliert und ihre Stigmatisierung erleichtert.

Die Solidarität mit den Flüchtlingen, MigrantInnen, muslimischen MitbürgerInnen liegt im ureigensten Interesse aller Lohnabhängigen, weil es bedeutet, eine zentrale Spaltungslinie der Klasse zu unterbinden.

Eine Gegenbewegung, die beim „reinen“ Antifaschismus, beim „reinen“ Antirassismus stehen bleibt, ohne ihre gesellschaftlichen Ursachen zu benennen und zu bekämpfen, greift deshalb zu kurz, ja geht überhaupt ins Leere.

Daher sollte der Kampf mit sozialen und politischen Fragen verbunden werden wie z.B. Bleiberechte für alle Flüchtlinge, gleiche Rechte für alle, die in Deutschland leben, Abschaffung aller Aufenthalts- und Einreisebeschränkungen, Recht auf Arbeit, Abschaffung des Lagersystems und menschenwürdigen Wohnraum für alle Geflüchteten.

Der zweite Aspekt ist natürlich die Mobilisierung gegen die rechten Aufmärsche und „Bürgerproteste“. Wir treten dafür ein, dass sie durch Massenaktionen daran gehindert werden zu demonstrieren, sich zu sammeln und ihren rassistischen und faschistischen Müll zu verbreiten.

Das muss einhergehen mit dem Aufbau von Selbstverteidigungsgruppen gegen drohende rechte Übergriffe auf und Einschüchterungsversuche von v.a. Flüchtlingen und MigrantInnen wie auch zum Selbstschutz unserer Demonstrationen. Wir brauchen kämpferische, gut organisierte Aktionen, die in der Lage sind, Masse und Militanz zu verbinden.

Ursache bekämpfen

Der gemeinsame Kampf gegen Rassismus und Faschismus soll ohne politische Vorbedingungen alle Kräfte der Arbeiterbewegung, der Linken, der Unterdrückten einschließen - ob diese nun revolutionär, reformistisch gesinnt sind, ob politisch organisiert oder nicht.

Aktionsbündnisse und erst recht eine bundesweite Massenbewegung sollten sich auf wenige gemeinsame Ziele - Stoppen der rechten Mobilisierungen - und klare, verbindliche Absprachen zur Aktion beschränken.

Aber wir sind auch der Meinung, dass wir über diese Bündnisse und Mobilisierungen hinaus eine politische Perspektive brauchen, die den Kampf gegen Faschismus und Rassismus mit dem Kampf gegen den Kapitalismus und für eine revolutionäre, sozialistische Umwälzung der Gesellschaft verbindet. Deshalb bauen wir in Berlin und bundesweit die Neue antikapitalistische Organisation (NaO) auf. Wenn Du unsere Ziele teilst oder Dich einfach nur näher informieren willst - tritt mit uns in Kontakt!

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Nr. 195, Dez. 14/Jan. 15
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