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Neuwahlen in Italien

Wer koaliert mit Monti?

Tobi Hansen, Neue Internationale 176, Februar 2013

Nach 13 Monaten verlor die „Expertenregierung“ von Mario Monti im Dezember 2012 ihre Mehrheit im italienischen Parlament. Im November 2011 trat Ex-EU-Kommissar Monti die Nachfolge des gestürzten Ministerpräsidenten Berlusconi an. Die Regierung konnte sich der Unterstützung der beiden größten Parteien, der PD (Demokratische Partei) und Berlusconis PDL (Partei der Freiheit) sicher sein.

Italien geriet 2011 in den Fokus der Finanzmärkte und speziell der Ratingagenturen. Immerhin musste der Staat 2012 ca. 260 Milliarden Euro Schulden neu verhandeln, weil diese fällig wurden. Die Ratingagenturen, die EU und der IWF forderten Sparprogramme von Berlusconi, doch während der Umsetzung der ersten Sparmaßnahmen zerfiel sein Regierungsbündnis. Die Lega Nord, eine recht-extreme nationalistische norditalienische Partei, verließ die Koalition schon vor den Sparmaßnahmen, wie auch Fini, der ehemalige Chef der AN (Nationalistische Allianz, Teil der PDL) schon zuvor die Regierungsfraktion mit einigen Getreuen verlassen hatte.

Das Parlament stellt sich hinter die „Experten“

Montis Expertenregierung konnte das gesamte Jahr 2012 auf stabile Mehrheiten im Parlament setzen, währenddessen wurden Sparpakete und Steuererhöhungen im Land durchgesetzt. So erwies sich Monti erneut wie schon früher auf EU-Ebene als treuer Vasall der EU und des BRD-Imperialismus.

Die vormalige Oppositionspartei PD unter Bersani stellte Monti in dieser Zeit ein großartiges Zeugnis aus. Dieser hätte Italien vor dem Staatsbankrott gerettet und das Vertrauen der Märkte in Italien wiederhergestellt. Und das geht so: Erhöhung der Lebensarbeitszeit, Erhöhung der Verbrauchssteuern und weitere Entrechtung der Beschäftigten und Arbeitslosen. Auch der Spar-Haushalt von 2013 wurde vom Parlament mitgetragen. Gleichzeitig hat sich Italien aber auch in die Rezession gespart, so dass auch die Expertenregierung im Herbst von ihren Sparzielen abweichen musste. Speziell bei der Deregulierung/Entrechtung von Beschäftigungsverhältnissen war Italien schon unter Berlusconi Vorreiter, im prekären Bereich gab es schon mehr als 100 verschiedene Einstellungsverhältnisse. Die Regierung Monti verlegte ihre Angriffe auf die letzten höhergestellten Schichten der Klasse, wie bei Fiat u.a. Teilen der Industriearbeiterschaft.

Die Wahlbündnisse

Die Angriffe wurden von einer breiten parlamentarischen Mehrheit gestützt, diese zerfiel aber, als Patrone Berlusconi seine Gerichtsverhandlungen beendet hatte und nun doch nicht ins Gefängnis muss. Direkt danach kündigte er seine Kandidatur an und entzog Monti im Parlament die Unterstützung. Somit gibt es also am 24/25. Februar Parlaments- und Senatswahlen in Italien.

Die PDL von Berlusconi hat wieder vertraute Bündnispartner gefunden, die Lega Nord ist wieder mit im Boot und gemeinsam wird Wahlkampf gegen EU und Deutschland geführt. Von der Politik Montis distanziert sich Berlusconi nun teilweise; auf der einen Seite würde Berlusconi auch gern eine Koalition mit Monti bilden, auf der anderen Seite ist Monti ein Dorn im Auge, aufgrund zahlreicher Steuererhöhungen und der Wiedereinführung der Luxussteuer. Monti hat relativ kurz nach dem Ausscheiden der Expertenregierung auch ein Wahlbündnis gegründet - „mit Monti für Italien“ - und beansprucht die politische „Mitte“. Neben Überbleibseln der ehemals großen Christdemokratie (DC) der UDC und der neuen Partei des Ex-Faschisten Fini FLI (Zukunft und Freiheit für Italien) hat auch der Vatikan Unterstützung für Monti angekündigt - wie auch einige Teile der Großbourgeoisie.

Somit hat Monti die Teile der Bourgeoisie um sich versammeln können, die nicht mehr auf Berlusconi setzen, die Unterstützung des Vatikans für Sparprogramm und Bankenrettung sowie etwas bürgerlich-konservative Dekoration durch UDC und FLI reichen aktuell in den Wahlumfragen für 10-15%.

In den Umfragen liegt seit einem Jahr die PD unter Spitzenkandidat Bersani (Ex-KP-Jungfunktionär) vorn. Sie gewann Regional- und Bürgermeisterwahlen und steht kurz davor, wieder die Regierung zu übernehmen. Die PD speist sich größtenteils aus dem ehemaligen „Olivenbaumbündnis“ von Romano Prodi, welches als „Linksbündnis“ einmal Berlusconi besiegen konnte, um dann wieder zu zerfallen und der nächsten Berlusconi-Regentschaft den Weg zu ebnen.

Das „Olivenbaum-Bündnis“ umfasste Teile der in den 90ern zusammengebrochenen Christdemokraten, kleinere bürgerlichen Parteien, Grüne und Sozialdemokraten - v.a. die „Demokratische Partei der Linken“ -, in die sich die Mehrheit der ehemaligen KPI umbenannt hatte. Schließlich fand sich unter dem Olivenbaum auch die radikalere Minderheit der KPI, die Rifondazione Communista ein.

Die breite, klassenübergreifende Allianz bildet Regierung und Senat. Die Prodi-Regierung setzte neoliberale Politik um, verlängerte den Afghanistan Einsatz - als Resultat dessen wurde die Neugründung ein Flop und bestand den Test nicht, sondern ordnete sich Prodi und den Interessen des italienischen Kapitals unter.

Diesmal hat die RC das Bündnis der „Zivilen Revolution“ mitgegründet, mit dem ehemaligen Anti-Mafia Staatsanwalt Antonio Ingroia und Teilen der Grünen. Ebenso wie die SEL (Gerechtigkeit, Umwelt und Freiheit) unter Spitzenkandidat Vendola streben beide „linken“ Wahlbündnisse eine Koalition mit der PD an. Die SEL hat dafür auch schon das Wahlprogramm von Bersani offiziell unterstützt, wie sie auch in der Region Apulien zusammen regieren mit Spitzenkandidat Vendola (Ex KPI/RC) als Ministerpräsident.

Beide „linke“ Gruppierungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht in der Lage waren, dem technokratischen Putsch von Monti und der „Expertenregierung“ nennenswerten Widerstand entgegen zu bringen. Wenn es Demonstrationen gegen Monti gab, wurden diese von den Gewerkschaften initiiert und geführt, nicht von den „linken“ Parteien.

Was machen PD und Monti?

So ist auch 2013 die Beteiligung an einer PD-Regierung die einzige „Hoffnung“ der Linken - quasi Olivenbaum reloaded. Dabei stört es weder die RC noch die SEL, das die PD sich voll hinter die Regierungspolitik von Monti und der EU stellt(e), noch dass die PD noch weiter nach rechts gerückt ist und heute eine klar bürgerliche Partei (links-bürgerlich im Vergleich zu Berlusconi) darstellt.

Diese Fixierung auf die Regierungsbeteiligung kann jetzt allerdings zum Boomerang werden, wenn die PD mit Montis Partei in die Regierung geht. Diese, zuletzt im Wahlkampf diskutierte mögliche Absprache von Bersani und Monti, erzürnte dann auch die Liste Ingroia - änderte aber nicht das vorher verabschiedete Programm oder die bisherige Praxis der PD.

Monti ist derzeit in der Position, beide großen Blöcke gegeneinander ausspielen zu können, je nachdem, welcher Block das meiste von seinem Programm übernimmt, bekommt dann die Unterstützung Montis und darf ihn möglicherweise erneut zum Ministerpräsidenten wählen - dies ist parlamentarische Demokratie in der imperialistischen Krise.

Während wir in Griechenland, Spanien und Portugal in den letzten Jahren Massenbewegungen gegen die Regierungen erlebten, die Millionen auf die Straße brachten, darunter zahlreiche eintägige Generalstreiks, mehrwöchige Platzbesetzungen und wochenlange Arbeitsniederlegungen wichtiger Arbeiterschichten, blieb Italien vergleichsweise ruhig. Warum?

Anders als die Einsetzung der „Expertenregierung“ in Griechenland war die Einsetzung der Regierung Monti von der Bevölkerung nicht bloß, ja nicht einmal in erste Linie als EU-Diktat empfunden worden, waren die Massen damit doch endlich Berlusconi losgeworden. Dementsprechend handzahm reagierten die großen gewerkschaftlichen Dachverbände auf die Angriffe Montis Ende 2011/Anfang 2012, verstanden sie diese doch auch als „ihre“ Regierung.

Wo bleibt der Widerstand?

Montis Programm sah unter anderem Einsparungen im Öffentlichen Dienst von 24 Milliarden im Jahr 2012, das Einfrieren der Gehälter bis mindestens 2014, die Privatisierung von kommunalen und staatlichen Unternehmen und Leistungen, die Erhöhung des Renteneintrittsalters und die Absenkung des Rentenniveaus sowie eine Mehrwertsteuererhöhung auf 21 Prozent vor.

Große Teile dieser Maßnahmen wurden in Angriff genommen und umgesetzt - ohne nennenswerten Widerstand von CGIL (der größten, der „Demokratischen Partei“ nahe stehenden Gewerkschaft) und der CISL, dem zweitgrößten, christlich ausgerichteten Dachverband.

Bei den Angriffen auf die Gewerkschaftsrechte in der Großindustrie - besonders bei FIAT - kam es sogar dazu, dass die rechteren Gewerkschaftsgruppen mit Regierung und Konzernführung gegen die Metallergewerkschaft FIOM paktierten.

Es waren nur die linkeren, radikaleren Branchengewerkschaften wie FIOM (in der CGIL) und kleine, kämpferische Gewerkschaften wie COBAS oder SchülerInnen und Studierende, die 2012 Aktivitäten setzten. Erst zum 14. November, im Rahmen des europäischen Aktionstages, gab es einen landesweiten, wenn auch symbolischen Generalstreik, zu dem auch die CGIL-Führung aufrief. Doch selbst hier zeigte sich, wie bremsend die Führungen der großen Dachverbände agierten, setzten sie doch vielerorts durch, dass die Arbeitsniederlegungen beim „eintägigen“ Generalstreik nur 4 Stunden oder weniger dauerten.

Bruch mit allen Kräften der Bourgeoisie!

Der zentrale Grund für die Schwäche des Widerstands liegt zweifellos darin, dass der Masse der Arbeiterklasse, aber auch großen Teilen der Linken, aus Angst vor einem Comeback Berlusconis, keine Alternative zu einer neuen Regierung Monti (oder einem ähnlichen Bündnis) möglich erscheint. Die Gewerkschaften bereiten über ihre Verbindung zur „Demokratischen Partei“ eine Unterstützung der Regierung vor und geben vor, ihr einen „sozialeren“ Charakter zu verleihen. Auch die übrigen linken Organisationen schicken sich an, die nächste bürgerliche Regierung zu unterstützen.

Ihnen scheint es so, als ginge es bei diesen Wahlen bloß um die Alternative Berlusconi oder Monti, ob ein reaktionärer Scharlatan oder ein „vernünftiger Staatsmann“ das Land führt. In Wirklichkeit geht es aber in beiden Fällen um ein „demokratisches“ Mandat für die nächsten Angriffe. Für die Bourgeoisie bringt die Regierung Monti dabei sogar mehrere Vorteile: Erstens ist sie klar auf die EU orientiert, zweitens kann sie viel eher die Arbeiterklasse einbinden und angesichts der laufenden und wahrscheinlich schärfer werdenden Angriffe eher ruhig stellen.

Ein Bruch mit Monti und allen anderen bürgerlichen Parteien und Organisationen ist daher das entscheidende Gebot für die italienische Arbeiterklasse und Linke. Diese Forderung muss v.a. an die Gewerkschaften gerichtet bzw. in ihnen erhoben werden. Nur so ist ein konsequenter Kampf gegen die nächste Regierung - wie immer sie zusammengesetzt sein mag - möglich.

Die Arbeiterklasse braucht aber nicht nur entschlossenen Widerstand. Sie braucht eine politische Alternative, eine Massenpartei. Die Gewerkschaften und verbliebenen, kleinen linken Parteien müssen nicht nur aufgefordert werden, mit jeder Koalitionsmacherei mit Monti und Co. zu brechen - sie müssen auch dazu aufgefordert werden, die Initiative für die Bildung einer neuen Arbeiterpartei zu ergreifen.

Zweifellos ist das von den Führungen und den meisten Verbänden nicht zu erwarten. Diese Aufforderung muss daher umso dringender an die Mitglieder, aber auch an die Vorstände der linken Gewerkschaften wie FIOM oder an Basisgewerkschaften wie COBAS gerichtet werden. Ihnen kommt in dieser Zeit ein besonderes Gewicht zu. Sie müssen aufhören, sich auf rein gewerkschaftliche Methoden des Kampfes - und seien sie auch vergleichsweise militant - zu beschränken. Der politische Bruch mit jeder Neuauflage des Olivenbaums ist nur möglich, wenn es zur Bildung einer neuen Arbeiterpartei kommt, einer Partei, in der KommunistInnen von Beginn an für eine revolutionären Programmatik und Politik kämpfen müssten.

Wir von der Liga für die 5. Internationale möchten diese Diskussion mit AktivistInnen aus Italien führen, mit Ihnen zusammen die Perspektive für revolutionäre Politik in Italien vertreten.

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Nr. 176, Februar 2013
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