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Metallabschluss

Schlappe im Kampf gegen die Krise

Frederik Haber, Neue Internationale 135, Dezember 2008/Januar 2009

Das Ergebnis ist ausgehandelt: Zweimal 2,1% über eine Laufzeit von 18 Monaten, was einer Lohnsteigerung von 2,8% im Jahr entspricht. Das Ganze baut auf einer Lohnerhöhung im Jahr 2008 von 1,7% auf.

Auch wenn der Abschluss mit Einmalzahlungen garniert ist, ist klar, dass damit weder 2008 noch im nächsten Jahr die Inflation ausgeglichen werden kann, denn Krise, Bankensanierung und Steuererhöhungen werden die Löhne nominal und real massiv kürzen. Die Produktivitätssteigerungen gerade der Metallindustrie von über 5% werden die Unternehmer allein einsacken und uns als Arbeitsplatzvernichtung präsentieren.

Zudem ist eine Verschiebung der zweiten Erhöhung bis November 2009 durch die Betriebsräte der einzelnen Unternehmen möglich. Arbeit“geber“präsident Hundt begrüßt diese Regelung ausdrücklich. Es ist schon jetzt klar, dass die Unternehmer dies heftig verlangen werden, denn sie drohen schon jetzt mit Entlassungen. Sofort nach der Bekanntgabe des Verhandlungsergebnisses hat Südwestmetall-Chef Roell Personalabbau angekündigt.

In der Tat kommt dieses Ergebnis einer kampflosen Niederlage der IG Metall gleich und damit einer Einladung an Kapital und Regierung, die Lasten der Krise voll auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Der IGM-Vorsitzende Huber spricht davon, „es sei gelungen (...), Einkommenssicherheit für die Beschäftigten sowie Planungssicherheit für die Unternehmen zu schaffen.“ Die Einkommenssicherheit der Beschäftigten ist der garantierte Reallohnverlust, die Planungssicherheit der Unternehmern heißt, dass sie jetzt in aller Ruhe Arbeitsplätze vernichten sowie Betriebsräte und Belegschaften erpressen können.

Basis-Proteste

Das Verhandlungsergebnis hat zu teilweise heftigen, aber begrenzten Reaktionen an der Basis geführt. Das Zentrum der Proteste lag wohl in Nordwürttemberg, wo die Streikvorbereitungen schon konkret angelaufen waren und die KollegInnen die Urabstimmungen vorbereitet hatten. Aber auch in Bayern, Berlin, Hessen und Küste gab es Protestresolutionen aus Vertrauensleuteversammlungen und Unterschriften gegen den Deal wurden gesammelt. Zur Großen Tarifkommission in Baden-Württemberg wurden diese auch von Vertretern mehrerer Betriebe überbracht (siehe auch labournet.de). Im Bezirk Küste haben die Proteste offensichtlich so einen Druck erzeugt, dass die Bezirksleiterin selbst öffentlich erklärte, man müsse Wege finden, dass die Basis zukünftig über ein Tarifergebnis abstimmt.

Innerhalb der Belegschaften waren es vor allem die gut organisierten ArbeiterInnen-Bereiche und die Vertrauensleute selbst, die das Ergebnis empörte. Wer am unteren Ende der Lohntabellen bezahlt wird, den trifft der erneute Reallohnverlust am heftigsten. In diesen Bereichen hat sich auch über Jahre Wut über ständig steigenden Arbeitsdruck, Ausdehnung der Schichten und Wegfall von Erholungsmöglichkeiten aufgestaut. Unter den kämpferischeren Teilen der Vertrauensleute scheint es zumindest eine Ahnung zu geben, dass, auch wenn sich die Streikbedingungen verschlechtert haben, die Chance zum Angriff hätte genutzt werden müssen. Vor allem aber fühlen sich gerade die Vertrauensleute einfach verarscht durch die Propaganda der IG Metall.

Krise - oder was?

Obwohl die Finanzkrise sich schon seit über einem Jahr entwickelt hatte und schon im September die ersten Schicht-Ausfälle in der Autoindustrie stattfanden, tat die Führung der IG Metall so, als wäre nichts geschehen. Anstatt politisch auf die kapitalistische Krise zu reagieren und andere Streikkonzepte zu diskutieren, wurde die Krise monatelang geleugnet und versucht, sie wegzurechnen.

Erst wurden die Arbeit“geber“ der Panikmache beschuldigt, dann jene Konjunkturprognose zur Begründung der Lohnforderungen herangezogen, die am meisten Optimismus vermittelt. Schließlich wurde errechnet, dass die Auftragsbestände sogar noch etwas besser als der Durchschnitt der letzten fünf Jahre und der Umsatz noch immer auf dem Niveau des Vorjahres wäre.

Dann plötzlich war die Krise da und diente Huber und Hoffmann zur Begründung ihres „ordentlichen Ergebnisses in einer historisch schwierigen Lage“. Alle Begründungen für „Konsequent für 8 Prozent“, die hohen Gewinne der Unternehmen, die Bedürfnisse der Beschäftigten und die Stärkung der Binnenkaufkraft galten nicht mehr.

Viele Vertrauensleute prangern diese Kurswechsel an, die sie dann in den Belegschaften zu vertreten haben und für die sie den Spott der KollegInnen ernten. Aber sie sind selbst (noch) nicht in der Lage zu erkennen, dass hinter dieser opportunistischen Methode - also Argumente gerade so zu gebrauchen, wie es für die momentane Situation am günstigsten ist und bei Veränderung der Lage das Gegenteil zu behaupten - die reformistische Politik der Führung steht, die sich tatsächlich mehr „unserer Wirtschaft“ verpflichtet sieht als den Interessen der Arbeiterklasse.

So hat das Argument, dass Lohnerhöhungen die Kaufkraft stärken würden und damit gut für die Wirtschaft seien, die Unternehmer noch nie zu irgendwelchen Zugeständnissen bringen können, aber es hilft, weiter den Unsinn zu verbreiten, dass das Wohlergehen „unserer Wirtschaft“ gut für alle wäre. Gerade die sich jetzt entfaltende Krise zeigt, dass die Profite von heute auch der Crash von morgen sein können.

Der Apparat der IG Metall hat auf die Proteste der Basis auch damit reagiert, dass das Ergebnis nur wenig gefeiert wird. Eine Anzeigenaktion des Vorstands, der schon am Tag nach dem Abschluss sich in großen Anzeigen selbst feierte, führte auch bei mittleren Funktionären zu Kopfschütteln. Aber offensichtlich orientiert sich die IG Metall immer weiter weg von den Produktionsarbeitern hin zu den Angestellten, die sich einen Streik heute nicht vorstellen können; von den Vertrauensleuten hin zu den Betriebsräten, die nicht mit Arbeitskampf, sondern mit Verhandlungen Probleme glauben lösen zu können.

Chance vergeben

Die Krise wird in der Metallindustrie nichts so lassen, wie es heute ist. Von den Automobilherstellern werden einige verschwinden. GM und Ford sind praktisch pleite, aber auch ihre Rettung wird zur Schließung vieler Fabriken führen. Eine Fusion von GM mit Chrysler bzw dem Rest, den Daimler davon übrig gelassen hat, wird diesen endgültig verschwinden lassen. Das gleiche Schicksal kann Volvo, Saab oder Opel treffen.

Schon in den letzten Wochen wurden Produktionsstraßen auch in Deutschland stillgelegt, so bei Daimler und BMW.  Fast alle verzeichnen einen dramatischen Rückgang von Autoverkäufen (bislang ist Audi die Ausnahme vom Trend). Viele Zeitarbeiter, so auch im VW-Konzern etliche Hunderte, wurden schon an ihre „Verleiher zurückgegeben“ und werden in Kürze arbeitslos sein. Bei den Zulieferbetrieben in Deutschland rechnen Experten damit, dass 30% verschwinden.

Im Maschinenbau ist die Lage Ende 2008 widersprüchlich. Noch arbeiten manche Betriebe an alten Aufträgen, aber dort, wo die Aufträge zurückgehen, ist der Absturz rasant.

Vor der Tür stehen Massenentlassungen, Massenarbeitslosigkeit, Lohnverlust durch Kurzarbeit und Inflation, Erhöhung der Sozialabgaben und Steuern.

Die IG Metall-Führung wird mit ihren „bewährten“ Instrumenten gegenüber diesen Angriffen scheitern. Die Standortsicherungsverträge waren möglich, weil die Unternehmen begrenzt zu Job-Garantien bereit waren und die Gewerkschaft übertarifliche Einkommensbestandteile verkauft hat. Jetzt müsste sie den Flächentarif endgültig zerfleddern - wenn die Kapitalisten überhaupt zu Garantien bereit sind. Die Fortsetzung des Huberschen Weges des Ausverkaufs ist eigentlich unmöglich: Es gibt nicht mehr viel zu verkaufen und die anderen wollen nichts zahlen.

Gleiches gilt für die Angriffe der Regierung, die spätestens nach der Bundestagswahl verschärft kommen werden. Appelle an die SPD sind dann völlig zahnlos, wenn diese sich - wie damals Schröder bei der Agenda - selbst zum Motor der Angriffe macht. Ihr derzeitiger Rechtskurs und eine angestrebte Große Koalition zeigen, dass sie selbst sich darauf vorbereitet. Demonstrationen und Proteste, die nur zur Verstärkung der Appelle und dem Dampfablassen der Mitglieder dienen, sind keine Perspektive.

Ein Streik hätte eine Wende einleiten können. Es wäre nicht um ein paar Zehntel mehr gegangen. Er hätte um Arbeitszeitverkürzung statt Kurzarbeit geführt werden müssen und um die Verhinderung aller Entlassungen, auch der Leiharbeiter und Befristeten. Er hätte zu einem Kampfauftakt, ja zur Speerspitze gegen das Krisenprogramm werden können.

Der Ausgang der Tarifrunde hat gezeigt, dass auch angesichts historisch bedrohlicher Situationen, die Führung der IG Metall noch nicht einmal eine Änderung ihres Kurses diskutiert. Sie stützt sich auf die Mutlosen, die Angepassten und Besserverdienenden und die sozial geschützten Betriebsräte, um die Schichten, die kämpfen wollen, zu isolieren.

Es ist also umgekehrt die Verantwortung jedes Gewerkschaftsmitglieds und jedes Vertrauenskörpers, ja aller kampfbereiten ArbeiterInnen, sich heute für die Kampffähigkeit der IG Metall zu einer Basis-Bewegung gegen die Bürokratie und für eine klassenkämpferische Führung zusammenzuschließen!

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Nr. 135, Dez.Jan 2008/09
*  Klassenkampf 2009: Ein Jahr der Krise
*  31. Januar: Vorbereitungstreffen für bundesweite Demo
*  Metallabschluss: Schlappe im Kampf gegen die Krise
*  Heile Welt
*  Öffentlicher Dienst Berlin: Schlechter geht's (n)immer
*  Perspektiven des Bildungsstreiks: Für eine anti-kapitalistische Jugendbewegung!
*  Frankreich: Neue Kämpfe, neue Partei
*  Indien: Nach dem Anschlag - vor dem Krieg?
*  Griechenland: Aufstand gegen die Krise
*  Theorie: Luxemburgs Beitrag zum Marxismus