Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

8. März

Frauenbefreiung durch Revolution

Anne Moll, Neue Internationale 127, März 2008

Der 8. März wurde von Lenin bzw. der II. Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen in Moskau 1921 zum Gedenken an den Petrograder Frauenaufstand vom 23. Februar 1917 (nach westeuropäischem Kalender der 8. März) zum Internationalen Frauentag erklärt.

Dem gingen viele Arbeitskämpfe und Forderungen voraus, die von Frauen initiiert wurden und der Gleichberechtigung der Frauen galten. So wurden weltweit das Wahlrecht für Frauen, der 8-Stunden-Tag, Mutterschutz, mehr Lohn bzw. gleicher Lohn für gleiche Arbeit, legaler Schwangerschaftsabbruch, Arbeitszeitverkürzung, bessere Wohnungen, Verbot der Kinderarbeit und Gleichstellung von Frau und Mann in allen Lebensbereichen gefordert.

Die Entwicklung der Industrie erforderte, dass sich Frauen durch eigene Kämpfe für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen organisierten.

1911 traten die Arbeiterinnen in der Textilfabrik Cotton in New York in den Streik, um für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen. Daraufhin schlossen die Chefs die Frauen in der Fabrik ein. Aus ungeklärten Gründen brach ein Brand aus und 146 Frauen kamen um.

Bereits 1909 hatten US-SozialistInnen den letzten Sonntag im Februar zum nationalen Tag der Frau deklariert.

Clara Zetkin

1910 wurde auf der II. sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen auf Initiative von Clara Zetkin die alljährliche Durchführung eines internationalen Frauenkampftages beschlossen, der - gegen den Willen zahlreicher Parteigenossen - erstmals am 19.3.1911 abgehalten wurde. Zetkin war von 1891 bis 1917 u. a. Herausgeberin der SPD-Frauenzeitschrift „Die Gleichheit“. Als eine der engagiertesten Vorkämpferinnen für die Frauenemanzipation in den Reihen der sozialistischen Bewegung bekämpfte sie von Anfang an die Vorstellung der bürgerlichen Frauenbewegung, allein rechtliche und politische Gleichstellung mit den Männern würden die Frauenunterdrückung beseitigen. Sie betonte, dass das Privateigentum eine Grundlage des Patriarchats ist und verknüpfte so den Kampf des gesamten Proletariats gegen die Ausbeutung mit der Lösung der Frauenfrage.

Sie kritisierte viele SozialdemokratInnen für deren opportunistische Selbstbeschränkung auf die Gleichstellungsforderungen aus der bürgerlichen Frauenbewegung. Konsequent schloss sie sich im Revisionismusstreit dem linken SPD-Flügel, später der USPD, der Spartakusgruppe, dem Spartakusbund und KPD an.

Frauen und Revolution

1917 waren es Petrograder Textilarbeiterinnen, die durch ihren Streik für mehr Lohn und gegen den Krieg die Februarrevolution auslösten und zum Sturz des Zarismus beitrugen.

Nach der erfolgreichen Oktoberrevolution in Russland wurde von den Bolschewiki die Räterepublik etabliert.

Zwischen 1917 und 1927 verabschiedete die sowjetische Regierung eine Reihe von Gesetzen, die den Frauen zum ersten Mal die gesetzliche Gleichberechtigung mit den Männern brachten.

Die Eheschließung wurde zu einem einfachen Registrierungsvorgang, der auf beiderseitigem Einvernehmen beruhen musste. Der Begriff der „Unehelichkeit“ wurde abgeschafft. Das Recht auf freie Abtreibung wurde beschlossen. Gesetze gegen Homosexuelle wurden abgeschafft. Kostenlose Schulbildung für alle Kinder bis zum 16. Lebensjahr wurde ebenso eingeführt wie Mutterschutz- und Arbeitsgesetze und gleicher Lohn für gleiche Arbeit.

Eines der ersten Dekrete der jungen Sowjetmacht war die Trennung von Kirche und Staat sowie die entschädigungslose Enteignung aller kirchlichen Ländereien - ein erheblicher Beitrag zur Schwächung des religiösen Einflusses auf die rückständigen Arbeiterinnen- und insbesondere Bäuerinnenmassen!

1919 formulierte das bolschewistische Programm für die Sowjetrepublik:

„Die Aufgabe der Partei liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorwiegend auf dem Gebiet der Ideen und der Erziehung, um alle Spuren der früheren Ungleichheit und Vorurteile, besonders in den rückständigen Schichten des Proletariats und der Bauernschaft, nachhaltig auszulöschen. Die Partei beschränkt sich dabei nicht auf die formale Gleichberechtigung der Frauen, sondern bemüht sich, sie von den materiellen Bürden der überholten Hausarbeit zu befreien, in dem sie sie durch Gemeinschaftshäuser, Großkantinen, öffentliche Wäschereien, Kinderhorte usw. ersetzt.“

Die Umsetzung aber scheiterte oft an der ererbten Rückständigkeit des Landes. Bürgerkrieg, kapitalistische Sabotage und Boykotte verschärften diese Probleme noch. Die Sozialisierung der Hausarbeit fand unter diesen Bedingungen nur unzureichend statt. Das bedeutete aufgrund der gewaltig gestiegenen Industriearbeiterinnenzahl eine verschärfte Doppelbelastung in Fabrik und Haushalt. Die Qualifikations- und Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern waren auch 1921 noch ebensowenig aufgehoben wie die überwiegende Beschäftigung in überkommenen Berufszweigen (Pflege, Hauswirtschaft…).

Trotzdem vollbrachten die Bolschewiki unter diesen misslichen Bedingungen eine wahrhaft historische Leistung für die Emanzipation der werktätigen Frauen!

Alexandra Kollontai

Ihrer Zeit voraus und Mitglied der ersten bolschewistischen Regierung war Alexandra Kollontai, die seit ihrem 21. Lebensjahr für die Befreiung der ArbeiterInnen und gegen das Sklavendasein der Ehe- und Hausfrauen kämpfte. Sie war von Oktober 1917 bis März 1918 Volkskommissarin (Ministerin) für soziale Fürsorge und damit das erste weibliche Regierungsmitglied der Geschichte.

Sie hat gegen große Widerstände in der Partei maßgeblich zu den oben genannten Gesetzen beigetragen und für deren Umsetzung in der Gesellschaft gearbeitet. So schaffte sie es auf dem 8. Sowjetkongress als Mitglied der Exekutive, einen Antrag durchzubringen, der festlegte, dass die Sowjets auf allen Ebenen Frauen gleichberechtigt zur Verwaltung der Staatsgeschäfte heranziehen.

Das Besondere ihrer Arbeit war, dass sie ihre theoretischen Überzeugungen immer mittels praktischer Umsetzung überprüfte. So ist es maßgeblich Kollontai zu verdanken, dass sich eine proletarische und eine revolutionäre Frauenbewegung  entwickelten. Diese sollten durch politische Kurse und Schulungen bald selbstständig in der Lage sein, ihre Selbstbefreiung zu organisieren.

Auch wenn ihr von KritikerInnen immer wieder bürgerlicher Feminismus vorgeworfen wurde, hat sie selbst immer wieder deutlich gemacht, dass es um den gemeinsamen Klassenkampf von Frauen und Männern geht, dass aber Frauen durch ihre besondere Lage dafür auch besonderer Förderung in der Arbeiterbewegung bedürfen - nicht zuletzt, damit sie ihre Interessen und Erfahrungen eigenständig artikulieren und gegen den auch im Proletariat und in der Arbeiterbewegung vorhandenen Paternalismus und Sexismus angehen zu können.

Diese Erkenntnisse haben nichts an Aktualität verloren. Wir brauchen eine internationale proletarische Frauenbewegung, in die Revolutionärinnen die Grundsätze von Kollontai, Zetkin usw. einbringen und auf den untrennbaren Zusammenhang von Revolution und Frauenbefreiung hinzuweisen.

Und heute?

Noch heute leben und arbeiten Millionen Frauen unter Bedingungen, die denen vor 100 Jahren fatal gleichen. In Osteuropa, China, Südostasien, Mittelamerika und Afrika werden Frauen in der Textil- und Schuhindustrie, in der Produktion von Nahrungs- und Genussmitteln, Spielzeug, in der Elektronikbranche und für Medikamentenversuche ausgebeutet und benutzt.

So arbeiten Frauen in El Salvador in der Textilindustrie für 5 € täglich als Näherinnen in der Fabrik „Formosa“. Achtzig T-Shirts pro Stunde sind das Pensum. Wer das nicht schafft, muss „nachsitzen“ - unbezahlt. So ist der Arbeitstag für viele erst nach 12 Stunden vorbei. Die Kosten für Wohnung, Essen und Busfahrt zur Arbeit sind höher als der Lohn.

Am Arbeitsplatz selbst ist es heiß und stickig. Um Wasser zu trinken oder zur Toilette zu gehen, braucht man eine Erlaubnis. Die Toiletten sind schmutzig. Von den Frauen werden Schwangerschaftstests gefordert. Sexuelle Belästigung ist in vielen dieser neuen Sklavenfabriken an der Tagesordnung. Gewerkschaftliche Organisation? Verboten! Standards für faire Arbeitsbedingungen? Gibt's höchstens auf dem Papier! Vor Gericht seine Rechte einklagen? Keine Chance!

Frauen werden millionenfach in Kriegen und Bürgerkriegen als Objekt männlicher Macht in grausamen Racheakten gedemütigt und missbraucht. Trotz hoffnungsloser Zustände sind sie oft diejenigen, die ihre Familie ernähren und deren Leben retten. In den reichen kapitalistischen Industrienationen in Europa und Amerika ist die Ausbeutung und Unterdrückung der Frauen nicht so deutlich, aber trotzdem vorhanden.

Das fängt bei der Doppelbelastung durch Job und Familie an. Auch das Betreuungsgeld für Frauen, die zu Hause ihre Kinder hüten und damit dem Ehemann beruflich den Rücken frei halten, führt zur Isolation der Frauen vom gesellschaftlichen Leben.

Viele Frauen arbeiten in Minijobs, sind geringfügig oder befristet beschäftigt und entsprechend schlechter bezahlt und haben daher oft weniger Anspruch auf soziale Leistungen.

Teufelskreis

Auch Arbeitslosigkeit trifft Frauen stärker. Durch ihre geringeren Einkommen sind sie fast sofort auf Sozialleistungen angewiesen und dadurch der Willkür der Gesetzgebung, ihren Ehemännern oder Verwandten ausgeliefert bzw. fristen ein Leben weit unter dem Existenzminimum, oft in Armut. Als Beispiel sei hier Hartz IV genannt.

Arbeitslosengeld II erhält die Arbeitslose nur nach Feststellung der Bedürftigkeit, nur nach Aufbrauchen aller Rücklagen; sogar das „Vermögen“ der eigenen Kinder wird herangezogen, bevor der Staat eine Unterstützung von 347 Euro plus oft nicht kostendeckende Mietpauschale zahlt.

Da sehr viele Frauen in solchen schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen ihr Geld verdienen, gelten sie immer noch als Zuverdienerinnen - egal, ob sie davon sich oder eine ganze Familie ernähren müssen. Durch die Anrechnung des Partnereinkommens wird ihnen nicht nur keine finanzielle Unterstützung mehr gewährt, sie fallen auch aus der Statistik und der Anspruch auf Arbeitsfördermaßnahmen entfällt.

Hier schließt sich der Kreis: die Statistiken weisen weniger Arbeitssuchende auf, die Frauen werden  in noch schlechtere Arbeitsverhältnisse gedrängt. Aber der Gesetzgeber hat auch die letzte Lücke im Gesetz gestopft. „Bedarfsgemeinschaft“ wird unterstellt, wenn Menschen länger als ein Jahr gemeinsam in einer Wohngemeinschaft leben, und es wird erwartet, dass sich Personen eines Haushalts in Notlagen gegenseitig materiell unterstützen. Die Beweislast, in keiner eheähnlichen Partnerschaft zu leben, liegt bei den Betroffenen.

Frauen in Armut

Gleichzeitig wird erwartet, dass Hartz IV-EmpfängerInnen jede Arbeit und auch jeden noch so niedrigen Lohn akzeptieren, sonst wird die Sozialleistung noch gekürzt. So wurde der Bereich der Minijobs besonders im hauswirtschaftlichen und pflegerischen Bereich ausgeweitet. Die Beschäftigung hat seitdem tatsächlich besonders für Frauen zugenommen, aber nur in prekären Bereichen ohne eigenständige Sozialversicherung. Damit ist für Frauen die Altersarmut fast vorprogrammiert.

Dieser Druck wirkt sich auf alle Lohnabhängigen aus. Die sogenannten Ein-Euro-Jobs verdrängen reguläre, sozialversicherungspflichtige. Lohnerhöhungen lassen sich mit einem Niedriglohnsektor deutlich schlechter erstreiten. Im Gegenteil: die meisten Tarifkämpfe der letzten Jahre waren Abwehrkämpfe gegen Lohnsenkung und Arbeitszeitverlängerung.

In den anderen „reichen“ Ländern sieht das nicht besser aus. Zudem besteht zwischen der Ausbeutung in Asien, Indien usw. ein direkter Zusammenhang mit den Angriffen auf die Arbeiterklasse in Europa, USA usw.

Dass keine kapitalistische Regierung ernsthaft die Gleichstellung von Frau und Mann will, hat gleiche Gründe - die Arbeiterklasse in Qualifizierte und Nichtqualifizierte, in Arme und Reiche, in Ausländer und Staatsangehörige, in Männer und Frauen zu spalten. Nur so kann das kapitalistische System funktionieren.

Für uns als RevolutionärInnen ist es eine wesentliche Aufgabe, diese Spaltungen aufzudecken und für deren Überwindung zu kämpfen. Nur gemeinsam können wir den Kampf für ein besseres Leben gewinnen. Wirkliche Frauenbefreiung und Gleichberechtigung ist nur im Sozialismus möglich.

Dafür brauchen wir auch eine starke Frauenbewegung, die Seite an Seite mit allen Lohnabhängigen und Unterdrückten dieser Welt gegen den Kapitalismus kämpft!

Leserbrief schreiben   zur Startseite


Nr. 127, März 2008
*  Vollstreik - der einzige Weg zum Sieg!
*  Streiks im Einzelhandel
*  8. März: Frauenbefreiung und Revolution
*  EU-Reformvertrag: Imperiale Verfassung durch die Hintertür
*  Die Linke: ... und ihre Wasserträger
*  Weltwirtschaft: Bankendämmerung
*  Kosovo/Kosova: Nein zum EU-Protektorat!
*  Faschismus: Ausweg in die Hölle
*  Heile Welt
*  Naher und Mittlerer Osten: Gegen imperialistischen Krieg und Besatzung!