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Wahlen in Berlin

WASG wählen, Widerstand formieren!

Rex Rotmann, Neue Internationale 113, August/September 2006

Wer hätte noch vor zwei Jahren gedacht, dass es bei Wahlen eine Kandidatur links von der PDS geben könnte, die Chancen hat, über fünf Prozent zu kommen? Schien doch der Einzug der PDS in den Berliner Senat bzw. in das Landesparlament von Mecklenburg/Vorpommern nicht nur Ausdruck einer erfolgreichen Entwicklung der Gysi-Truppe zu sein; schien die PDS doch Vielen eine Partei zu sein, die dem neoliberalen Sozialabbau-Mainstream entgegensteht.

Nun, nach einigen Jahren des Mitregierens der PDS in diesen SPD-geführten Landesregierungen, ist der Glanz ziemlich stumpf geworden. Allzu offensichtlich zeichnet sich die Politik der inzwischen in Linkspartei umbenannten PDS vor allem dadurch aus, dass sie brav und bieder alle Schweinereien der SPD mitmacht.

Ob es Hartz IV oder ALG II ist, ob es um die Privatisierung von Wohnungen und öffentlichen Eigentum geht oder ob es sich um Sparprogramme zur „Sanierung“ der leeren Kommunalkassen handelt - überall mischt die Linkspartei kräftig mit.

Dass es sich bei dieser Politik nicht etwa um Ausnahmen von einer ansonsten „sozialeren“ Regel handelt, zeigt das Beispiel Dresden. Dort traten die PDS-Stadtparlamentarier für die Privatisierung von Wohnraum ein, obwohl sie noch nicht einmal selbst im Stadtrat sitzen!

Reformistische Methode

Natürlich wäre es falsch, der PDS vorzuwerfen, sie würde diese, auf Bundesebene v.a. mit der Agenda 2010 intensivierte und seitdem auch auf Landes- und Kommunalebene exekutierte, neoliberale Politik befürworten. Das sicher nicht, doch ihre politische Methode zwingt die Linkspartei geradezu, diese von ihr kritisierte Politik vor Ort selbst praktisch umzusetzen - und zwar aus mehreren Gründen.

Ihr Bekenntnis zur (bürgerlichen) Demokratie und zum Grundgesetz - also zu Privateigentum u.a. Grundlagen des Kapitalismus - bringt sie dazu, ihre Politik streng dem Rahmen bürgerlicher Gesellschaftlichkeit anzupassen. Jeder ernsthafte Kampf aber kollidiert sehr bald mit diesen demokratischen Gepflogenheiten. Eine Betriebsbesetzung, ein außertariflicher Streik oder direkte Aktionen gegen Nazis verstoßen allesamt gegen „das Grundgesetz,“ gegen das Recht auf Privateigentum oder gegen das Gewaltmonopol des Staates.

Daher hat die „Unterstützung“ solcher Aktionen durch die Linkspartei allenfalls moralischen Charakter, sobald es brenzlig zu werden droht, tut die Linkspartei alles, um zu befrieden. Dabei geht sie, wenn nötig, auch offensiv gegen die Linke vor. So sorgte sie in Berlin dafür, der „Revolutionären 1. Mai-Demo“ in Kreuzberg mit einem völlig unpolischen „Myfest“ Konkurrenz zu machen.

Die Linkspartei will ihre politischen Ziele, die - von „sozialistischen“ Floskeln in einigen Sonntagreden abgesehen - ohnehin den Rahmen des Kapitalismus nicht sprengen, nicht durch Klassenkampf oder gar eine Revolution durchsetzen; sie will dafür den bürgerlichen Staat und Parlamentsmehrheiten nutzen. Nicht die Arbeiterklasse, sondern die „Akteure der Zivilgesellschaft“ usw. sind in den Augen der Linkspartei-Theoretiker die Subjekte von Veränderungen.

Doch auch Kräfte, die nicht so sehr zivilgesellschaftlich auftreten, wie z.B. die Berliner Bullen, haben von der mitregierenden Linkspartei nichts zu befürchten. Ohne Ärger von der PDS befürchten zu müssen, dürfen sie schon mal auf eine friedliche Demo gegen Hartz IV und Sozialabbau einknüppeln, wie z.B. am 3. Juli in Berlin geschehen.

Wenn die Linkspartei darauf verweist, dass ihre Politik das „kleinere Übel“ gegenüber einer Großen Koalition wäre und besondere Härten vermeiden würde, so ist das nichts als Augenwischerei. Sicher, die Zahl von Zwangsumzügen wegen Hartz IV ist in Berlin niedriger als woanders. Das dürfte aber die Betroffenen dieser asozialen Schweinerei kaum trösten, und es ist bei zehntausenden leer stehenden Wohnungen in Berlin auch zynisch!

Trotzdem ist das Prestige der Linkspartei gestiegen - beim Kapital und bei den bürgerlichen Parteien, die sie als ungefährlicher, aber durchaus nützlicherer Idiot ihrer Politik betrachten, der mitunter geeignet ist, Widerstand zu kanalisieren und dem Sozialabbau eine „linke“ Flankendeckung zu geben.

Bei immer mehr WählerInnen, in der Arbeiterklasse und besonders bei den sozial an den Rand Gedrängten aber sinkt ihr Stern. Enttäuscht stellen diese fest, dass die PDS ihnen nichts bringt - noch nicht einmal „sozialeren“ Kapitalismus, vom Sozialismus ganz zu schweigen. Lt. Infratest liegt der Stimmenteil der Linkspartei.PDS in Berlin derzeit bei 15 Prozent - gegenüber 22,6 bei der letzten Wahl 2001!

Warum WASG wählen?

Eine Ursache der Umfrage-Flaute der Linkspartei ist die WASG, die nicht wenige ehemalige PDS-WählerInnen anzieht. Wie wohl nirgendwo anders ist die Entstehung der WASG nicht nur Ausdruck der Ablehnung von Neoliberalismus und Sozialabbau sowie der SPD, sondern auch Ergebnis zunehmender Enttäuschung von der PDS.

Die WASG hat sich gerade in Berlin in Opposition zur neo-liberalen Politik des Senats und damit auch zur PDS gegründet. Viele ihrer Mitglieder sind Hartz IV-EmpfängerInnen und somit selbst direkt vom „sozialen“ Sozialabbau der Berliner Linkspartei betroffen. Viele WASG-Mitglieder sind AktivistInnen in Gewerkschaften, Betrieben und sozialen Initiativen oder organisierte Linke. Obwohl vielfach kleiner als die Berliner Linkspartei hinsichtlich der Mitgliedschaft ist die Berliner WASG engagierter im Kampf und aktiver in der internen Diskussion und Auseinandersetzung. Ohne Frage: die WASG umfasst gerade in Berlin einen relevanten, kämpferischen Teil der Arbeiterklasse, während die Linkspartei solche Elemente zunehmend abstößt.

Die Berliner WASG ist nicht nur aktiver und offener als die Linkspartei - sie steht vor allem objektiv in einer zentralen Frage im Konflikt mit der Linkspartei: in der Frage der Regierungsbeteiligung. Dabei geht es nicht nur um die Frage, wie wer zum Rot/Roten Senat steht. Dahinter steckt die ganz reale Frontstellung zwischen der bürgerlichen Regierung und ihrer Politik und der Arbeiterbewegung und deren Interessen. In dieser Relation ist die Linkspartei Teil des Problems, die WASG ist Teil der Lösung.

Wenn es darum geht, weiteren Sozialabbau, Privatisierungen usw. zu verhindern und die Interessen der Lohnabhängigen, der Arbeitslosen, ja der großen Mehrheit der Bevölkerung zu verteidigen, dann müssen Protest und Widerstand, dann muss der Klassenkampf voran gebracht werden, dann muss gegen das Kapital und seine politischen Agenturen wie den Berliner Senat mobilisiert werden!

Welcher Kurs?

Dabei kann und muss die WASG eine wichtige Rolle spielen, weil sie als Alternative zur Linkspartei gesehen wird, weil sie ein beachtliches Widerstandspotential anzieht und künftig noch mehr anziehen kann. Das ist ein gewichtiger Grund, WASG zu wählen. Jede Stimme für die WASG ist eine Stimme gegen Sozialabbau, ist eine Stimme gegen die Anpasslerei und das Kapitulantentum der Linkspartei, ist ein Zeichen dafür, dass es eine Alternative dazu gibt!

Die demokratische Mehrheitsentscheidung des Berliner Landesverbandes der WASG, gegen die Linkspartei zu kandidieren, steht zugleich im offenen Widerspruch zum Kurs der WASG-Bundesführung und der Mehrheit der Linksfraktion im Bundestag.

Gysi, Lafontaine, Ernst und Co. geht es nämlich zentral darum, die Fusion der WASG mit der PDS zur neuen geeinten Linkspartei so zu „gestalten“, dass die WASG letztlich die Politik der PDS „übernimmt“ - so wäre die Westausdehnung der PDS endlich geschafft und genug Wahlvolk vorhanden, um das „Endziel“ - die Regierungsbeteiligung auf Bundesebene - zu erreichen.

Deshalb wird die Berliner WASG einfach als „fusionsfeindlich“ abgestempelt. Deshalb gilt in alter stalinistisch/sozialdemokratischer Manier: Einheit um jeden Preis, politische Differenzen werden erst verkleistert und schließlich vom Vorstand „entsorgt.“

Die Differenzen in der Bundes-WASG spiegeln sich auch darin wider, dass auf dem letzten Bundesparteitag der WASG die Vorstandslinie von einer starken Minderheit kritisiert wurde; sie spiegelt sich darin wider, dass sich eine bundesweite oppositionelle Linke in der WASG formiert; sie spiegelt sich darin wider, dass es viel Solidarität und praktische Wahlkampfunterstützung für die Berliner WASG gibt.

Hinter dem Konflikt in der WASG verbirgt sich eine strategische Frage: Wird die WASG (oder wenigstens Teile von ihr) zum Ausgangspunkt einer neuen kämpferischen Arbeiterpartei, wird sie zu einer wirklichen Alternative zu SPD und PDS oder landet das Projekt über einen Umweg wieder nur in der Sackgasse des Reformismus?

Eine Unterstützung der WASG bei der Wahl wäre auch eine Unterstützung jenes Flügels in der WASG, der ein Unterbuttern der WASG unter den Regierungs-Reformismus a la PDS nicht will und die Tür zu einer neuen Arbeiterpartei des Klassenkampfes offen hält.

Kritische Unterstützung

Die Unterstützung der WASG bei den anstehenden Wahlen ist allerdings kein politischer Freibrief! Nicht nur die Bundes-WASG, auch ihr Berliner Teil (und das trifft auch auf den Landesverband MV zu) haben ein politisches Konzept, das in seiner Methode reformistisch ist, ja der Sozialismus taucht noch nicht einmal als abstrakter Begriff auf.

Die WASG ist programmatisch - trotzdem nicht wenige ihrer Mitglieder subjektive Anti-KapitalistInnen oder SozialistInnen sind - eine Partei, die sich v.a. gegen den Neoliberalismus wendet, aber den „Sozialstaat“, d.h. den stark vom Klassenausgleich geprägten Kapitalismus früherer Jahrzehnte, verteidigt.

Doch in der WASG ist im Unterschied zur PDS die Frage, ob diese Strategie letztlich endgültig ist und durchweg die Partei prägt und ob sie von einem bürokratischen Apparat komplett beherrscht wird, noch nicht entschieden.

Wenngleich die Berliner WASG die Beteiligung der Linkspartei am Berliner Senat kritisiert, hat sie selbst kein klares Konzept in der Regierungsfrage. So ist die Gefahr, dass man sich „unter bestimmten Umständen“ selbst eine Beteiligung an einer bürgerlichen Regierung vorstellen kann, latent.

Wenn wir zur Wahl der WASG aufrufen, verbinden wir das mit einer klaren Kritik an ihrer unzureichenden Programmatik. Wir plädieren dabei für ein Programm, welches am aktuellen Niveau des Kampfes und des Bewusstseins der Klasse anknüpft und mit dem Ziel des revolutionären Sturzes des Kapitalismus und der Machtergreifung des Proletariats verbindet.

Was heißt das konkret? Unterstützung aller Kämpfe und Proteste gegen Sozialabbau, Faschismus, Rassismus und imperialistischen Krieg! Verbindung und Ausweitung dieser Kämpfe! Schaffung von handlungsfähigen Strukturen, welche die aktivsten Teile der Belegschaften, der sozialen Bewegungen, der Gewerkschaften usw. umfasst. Eine solche klassenkämpferische Basisbewegung kann zum Attraktionspol für jene werden, die jetzt noch abwarten!

Eine solche Bewegung kann und muss auch den Kampf aufnehmen zur Umwandlung der Gewerkschaften in wirkliche Kampforganisationen und zum Kampf gegen die reformistischen Berufsverräter in den Führungen von DGB, SPD und Linkspartei.

Die Wahl der WASG muss deshalb auch damit verbunden werden, konkrete Forderungen an sie zu stellen, Protest und Widerstand zu organisieren, sich an keiner bürgerlichen Regierung zu beteiligen, aktiv gegen die brutale Offensive des Imperialismus gegen den Libanon und den Iran zu kämpfen.

Wählt WASG, aber organisiert den Kampf gegen die Angriffe von Regierung, Senat und Kapital! Keine Stimme für Linkspartei, SPD oder andere!

Für den Aufbau einer neuen Arbeiterpartei!

Unterstützt revolutionäre KandidatInnen!

Die Gruppe Arbeitermacht unterstützt nicht nur die Kandidatur der WASG. Es gibt auch drei KandidatInnen der Berliner WASG, die für eine revolutionäre Ausrichtung eintreten und das Programm von Arbeitermacht unterstützen.

Dieses Programm beschränkt sich nicht nur auf die Kritik des SPD/PDS-Senats und auf den Kampf gegen Neoliberalismus, Sozialabbau usw.

Es verbindet diesen Kampf mit dem Ziel des Sturzes des Kapitalismus und der Errichtung der politischen Macht der Arbeiterklasse, die sich auf Kamforgane der Klasse wie Streikkomitees und Räte stützt.

Die drei UnterstützerInnen der Gruppe Arbeitermacht verstehen die WASG v.a. als Ausdruck der Krise der SPD und der Abwendung der Massen von ihr. Sie erachten es für notwendig, in der WASG für die Schaffung einer neuen Arbeiterpartei als Alternative zu jeder Art von Reformismus zu kämpfen.

Daher unterstützen wir diese Kandidaturen auch politisch-programmatisch.

Die drei waren und sind aktiv beim Aufbau der WASG-Spandau, sie wirken für die Schaffung einer starken linken Opposition in der Bundes-WASG, die dem reformistischen Ausverkauf von Lafontaine, Gysi und Co. entgegen steht.

Sie beteiligen sich aktiv und unterstützen vielfältige politische Aktionen: die Streiks bei BSH und bei CNH, gegen Privatisierungen, Sozialabbau und Hartz IV, gegen den Krieg Israels im Libanon und gegen die G8.

Alle drei kandidieren für die Berliner WASG, Bezirksverband Spandau. Als Direktkandidatin tritt Kerstin Teich an. Sie engagiert sich v.a. im Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Hartz IV. Für die BVV Spandau kandieren der Betriebsrat Markus Dahms und der Therapeut Gerald Abl.

Wir rufen alle, die für eine antikapitalistische, revolutionäre Orientierung der WASG eintreten, dazu auf, diese KandatInnen zu unterstützen!

Das Programm von arbeitermacht findet ihr unter:

www.arbeitermacht.de/programm/arbeitermacht/index.htm

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Nr. 113, August/Sept. 2006

*  Libanon: Protektorat des Imperialismus?
*  Israel/Palästina: Antizionismus = Antisemitismus?
*  Heile Welt
*  Libanon: Was ist Hisbollah?
*  Klassenkampf und soziale Bewegung: Welche Perspektive?
*  Schmiergeldskandale: Korruption mit System
*  Venezuala: Gegen Bosse und Bürokraten
*  WASG-Linke: Stunde der Integratoren
*  Hisbollah-Verbot droht: Weg mit den Antiterrorgesetzen!
*  Linkspartei.PDS: "Der Anfang ist gemacht ..."
*  Wahlen in Berlin: WASG wählen, Widerstand formieren