Arbeitermacht
Liga für die fünfte Internationale

Nord & Südamerika Europa Asien & Australien


google.de arbeitermacht.de

Eine erste Analyse des SPÖVP-Regierungsprogramms

Wunschprogramm der herrschenden Klasse

ArbeiterInnenstandpunkt-Sondernummer, Infomail 293, 16. Januar 2007

Das SPÖVP-Regierungsprogramm macht die Reichen und Mächtigen mehr als glücklich. Kein Wunder, denn die rosarot-schwarze Regierung setzt die neoliberale Wende der letzten Jahre nahtlos fort. Im Folgenden präsentieren wir eine erste Analyse des Regierungsprogramms.

Absicherung der reaktionären Wende seit 2000

In keinem einzigen Bereich werden die tief greifenden reaktionären Veränderungen der letzten Jahre rückgängig gemacht. Vergessen wir nicht: die breite Masse der Bevölkerung, die Masse der ArbeiterInnen und Jugendlichen, ist heute ärmer als 1998. Das musste sogar der Rechnungshof in seinem aktuellen Einkommensbericht zugeben. Dafür ist die breite Welle der Privatisierungen, die unternehmerfreundliche Flexibilisierung der Arbeitszeiten und des Kollektivvertrages, die Kürzung von Sozialleitungen, die Verschärfung der Lebensbedingungen für ImmigrantInnen, der massive Bildungsabbau, die Einführung der Studiengebühren usw. verantwortlich.

Keine einzige dieser reaktionären Reformen von Schwarz-Blau wurde zurückgenommen oder auch nur nennenswert abgeändert. Die Sozialdemokratie – von der so viele die Rücknahme der neoliberalen Wende erhofft haben – hat diese Verschlechterungen zementiert und wird die kapitalistische Sparpolitik ab nun gemeinsam mit der ÖVP fortsetzen.

Studiengebühren

Das bislang bekannteste und provokanteste Beispiel für die Fortsetzung der neoliberalen Bildungs- und Sozialabbaupolitik ist die Beibehaltung der Studiengebühren. (siehe „Regierungsprogramm für die XXIII. Gesetzgebungsperiode“, S. 97 http://www.diepresse.com/download/pdf/regierungsprogramm.pdf) Die SPÖ-Führung bejubelt ihr Verhandlungsergebnis („Freier Uni-Zugang wieder hergestellt“) nun damit, dass StudentInnen der Zahlung der Gebühren dadurch entgehen können, indem sie pro Semester 60 Stunden billigen Arbeitsdienstes (Stundenlohn: 6,05 €!) im Sozialbereich leisten. In der Praxis bedeutet dies, dass StudentInnen als billige Arbeitskräfte ausgenützt werden sollen und dadurch qualifiziertes Pflegepersonal leichter entlassen werden kann. Darunter leiden auch die Alten und Pflegebedürftigen, die sich dann von demotivierten und fachlich unqualifizierten StudentInnen betreuen lassen müssen. StudentInnen aus wohlhabendem Haus werden natürlich weiter die Studiengebühren bezahlen, die ärmeren dürfen Arbeitsdienst für das Kapital leisten. Klassengesellschaft pur!

Angriff auf Lehrlinge

Ein weiterer Angriff der SPÖVP-Regierung ist die Aufweichung des Kündigungsschutzes für Lehrlinge. Eine Kündigung soll nun nicht mehr nur nach der Probezeit möglich sein, sondern auch nach Ende des ersten und zweiten Lehrjahres. (Regierungsprogramm, S. 48) Auch hier sorgt also die sozialdemokratisch-konservative Regierung dafür, dass den Kapitalisten junge, billige, leicht kündbare Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Dies ist genau die gleiche Stoßrichtung, in die auch die konservative Regierung Frankreichs im vergangenen Frühjahr mit dem CPE ging – eine Provokation, welche die Jugendlichen und ArbeiterInnen durch mehrere Generalstreiks zurückschlagen konnten.

Angriff auf Arbeitsrechte

Ebenso einschneidend sind die Angriffe auf die Errungenschaften der Lohnabhängigen im betrieblichen Bereich. (siehe Regierungsprogramm, S. 53f.)

Generelle Ermächtigung an den Kollektivvertrag, die tägliche Normalarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden anzuheben;

12-Stunden-Schichten durch Kollektivvertrag bei arbeitsmedizinischer Unbedenklichkeit;

Flexibilisierung der Lage der Wochenendruhe im Schichtbetrieb;

Anhebung der täglichen Normalarbeitszeitgrenze bei Gleitzeit auf 10 Stunden;

Anhebung der täglichen und wöchentlichen Höchstarbeitszeitgrenzen (12/60) durch Ausweitung der bestehenden Regelung des § 7 Abs 4 AZG (Ausweitung der maximalen 12 Wochen auf bis zu 24 Wochen (3 mal 8, dazwischen jeweils zumindest zwei Wochen keine zusätzlichen Überstunden);

Öffnung auch für schriftliche Einzelvereinbarungen in Betrieben ohne Betriebsrat bei arbeitsmedizinischer Unbedenklichkeit).

Dies bedeutet zusammengefasst, dass die Unternehmer die ArbeiterInnen zwingen können, länger zu arbeiten, ohne ihnen Überstundenzuschläge zahlen zu müssen. Ein Beispiel mehr, wie sehr die SPÖVP-Regierung den Interessen des Kapitals dient.

Verlängerung der Ladenöffnungszeiten

Ein anderes Beispiel für die kapitalistische Politik der neuen Regierung ist die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten. So müssen VerkäuferInnen – geht es nach dem Willen der rosarot-schwarzen Regierung – von Montag bis Freitag von 6 Uhr bis 21 Uhr und Samstag bis 18 Uhr flexibel einsetzbar sein. (siehe Regierungsprogramm, S. 42)

Österreichisches Hartz IV

Was die SPÖ als großen Reformschritt der „bedarfsorientierten Mindestsicherung“ anpreist, ist in Wirklichkeit die österreichische Version der deutschen Hartz IV-Gesetze. Arbeitslose werden durch verschärfte Zumutbarkeitsbestimmungen gezwungen, jeden auch noch so miesen Job anzunehmen. Anderenfalls können sie zur Weiterbildung oder „gemeinnütziger Arbeit“ gezwungen werden. Darüber hinaus müssen sie – wollen sie die „bedarfsorientierte Mindestsicherung“ tatsächlich erhalten – vorhandenes Vermögen allerdings vorher auflösen oder „verwerten“. Darunter fallen z.B. Sparbücher, ein Auto, das nicht für den Job nötig ist, Unterhaltszahlungen werden gegengerechnet, fiktive Einnahmen aus Eigentumswohnungen. (siehe Regierungsprogramm, S. 109ff.)

Weitere Abgabenbelastungen

Zu all dem kommen auch noch die Belastungen für die ArbeiterInnenklasse durch die Erhöhung der Abgaben. Insbesondere sind hier die Heraufsetzung der Krankenkassebeiträge – wodurch die Regierung 150 Millionen Euro mehr einnehmen möchte – sowie die Erhöhung der Abgaben für Autofahrer zu nennen. (siehe Regierungsprogramm, S. 61 bzw. 117.) Für Wohlhabende sind das Peanuts, für die Masse der ArbeiterInnenklasse hingegen schmerzliche Einschnitte. Eine Schätzung besagt, dass die verschiedenen Mehrbelastungen für einen Großteil der Bevölkerung 40 bis 60 Euro weniger im Monat bedeutet - ohne Einberechnung der Lohnkürzungen durch den Wegfall von Überstundenregelungen!

Militarismus

Die SPÖVP-Regierung steht nicht nur für Bildungs- und Sozialabbaus, sondern ebenso für Militarismus und die Beteiligung an imperialistischen Kriegseinsätzen. Darunter fällt nicht nur die Beibehaltung der Eurofigther, die ja weniger der Verteidigung Österreichs als der Beteiligung an Kampfeinsätzen der EU im Ausland dienen. Ebenso verpflichtet sich die Regierung zur Teilnahme an der „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP)“ – mit anderen Worten: an Kriegseinsätzen der Europäischen Union rund um den Globus ohne Zustimmung der UNO. Wörtlich werden als mögliche Orte für solche Kriegseinsätze der Balkan, sowie der Nahe Osten und Afrika genannt (siehe Regierungsprogramm, S. 16ff.) In diese Logik passt dann auch gut der Ausbau der Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen – kurz: mehr Polizeistaat. (siehe Regierungsprogramm, S. 135f.)

ImmigrantInnen

Auch für MigrantInnen bedeutet die neue Regierung eine Fortsetzung der alten Politik. Darunter fällt der Zwang zur Kenntnis der deutschen Sprache, um die Staatsbürgerschaft zu erwerben sowie die „Einhaltung der österreichischen Rechts- und Grundordnung“. Im Zentrum des Interesses des Staates steht die „selektive Immigration“ nach den Bedürfnissen des Kapitals. Mit anderen Worten: Anwerben jener Arbeitskräfte, die das Kapital gerade als billige Ausbeutungsobjekte braucht. (siehe Regierungsprogramm, S. 51f.)

Wem dient die Regierung?

Diese Regierung ist eine Marionette des Kapitals. Sie steht für neoliberalen Angriff, für Bildungs- und Sozialabbau, für rassistische Benachteiligung der ImmigrantInnen und für Militarismus. Es ist kein Wunder, dass das Zentralorgan der herrschenden Klasse, die Tageszeitung „Die Presse“, die Reaktionen des Kapitals in folgende Worte fasst:

„An der Wiener Börse wurde die Einigung auf eine Regierung am Dienstag durchwegs positiv aufgenommen. (…) Von Seiten der Finanzexperten kamen durchwegs freundliche Reaktionen. ‚Das ist ein Paket, mit dem der österreichische Kapitalmarkt gut leben kann’, meint etwa Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank. Viele für den Kapitalmarkt wichtige Themen, wie die Gruppenbesteuerung oder der Körperschaftsteuersatz von 25 Prozent, seien nun ‚vom Tisch’. ‚Das hat im Wahlkampf noch ganz anders geklungen’, zeigt sich Brezinschek erleichtert.“ (Die Presse, 10.01.2007)

In der Tat: Sie haben allen Grund zu jubeln, denn was gut für das Kapital ist, ist schlecht für uns ArbeiterInnen und Jugendliche. Die kapitalistische Gesellschaft ist in Klassen gespalten, deren Interessen einander vollständig entgegen gesetzt sind. Solange die herrschende Klasse der Kapitalisten an der Macht ist, wird ihr jede Regierung dienen. Nur wenn die ArbeiterInnenklasse sie durch eine sozialistische Revolution stürzt, ist der Weg in Freiheit und Wohlstand für Alle offen.

Weitere Artikel zur akutellen Situation in Österreich:

Alle auf die Straße - alle in den Streik

Kämpfen und Organisieren

Leserbrief schreiben   zur Startseite

Wöchentliche E-News
der Gruppe Arbeitermacht

:: Archiv ::