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Wie kam es dazu?

Die Politik der Globalisierung

Globalisierung ist überall. Globalisierung steht für die Zerstörung aller Barrieren, die das Profitsystem in seinem internationalen Wirken behindern. Globalisierung steht für revolutionäre Technologien, die Zeit und Raum auflösen, also die Faktoren, die einst die Arbeitsweisen des Systems bestimmten. Globalisierung steht für die Erosion der Löhne und Arbeitsbedingungen in den industrialisierten Ländern mit der kaum verschleierten Drohung der großen Konzerne, ihre Produktionsstätten in die billigeren Regionen der sog. Dritten Welt zu verlagern. Globalisierung steht für Konzentration der Macht in den Sitzungssälen der großen Konzerne, weit abseits gewählter Parlamente. Sie steht für einen massiven Machtzuwachs globaler Institutionen wie IWF, Weltbank und WTO. Wie ist es dazu gekommen? Wie konnte es soweit kommen?

Ein entscheidendes Moment in der Entstehung der Globalisierung war der Triumph der USA über die Sowjetunion in den späten 1980er Jahren. Kurz darauf begann eine neue Generation von globalisierungsfreundlichen Intellektuellen, die Denkfabriken, die akademischen Institutionen und die Kolumnen bedeutender Zeitungen zu beherrschen.

Die alte Garde der Kremlspezialisten und der außenpolitischen Realisten wurde in den 1990er Jahren in Pension geschickt, um den "Globalisten" Platz zu machen, deren Aufgabe einfach war: den Sieg des freien Marktes über die Staatsintervention in der Wirtschaft zu feiern. Thomas Friedman, Jeffrey Gerten, Daniel Yergin und eine Menge anderer überschwemmten die Regale der Buchläden mit ihren Lobhudeleien auf die US-amerikanische Führung, auf US-amerikanische Werte und vor allem auf das Recht - eigentlich die Pflicht - der USA, diese ihre Werte in die restliche Welt zu exportieren.

George Bush proklamierte eine "Neue Weltordnung", und in einem Anfall von Begeisterung behaupteten die Prediger der Globalisierung, dass es keine Konflikte zwischen Nationen mehr gebe - zumindest sei die Außenpolitik nicht mehr davon bestimmt. Sie meinten, die USA könnten nun ihre Macht nutzen, die "Demokratie" auf dem ganzen Erdball zu fördern. Sie hatten jedoch eine merkwürdige Vorstellung von Demokratie: Nämlich jedes Land in ein globales Wirtschaftssystem mit klaren Regeln zu zwingen, die mit der Zeit an den Regierungen vorbei direkte Bindungen zwischen Bürgern und Konzernen schaffen würden.

Fukuyamas berühmte These, dass wir das "Ende der Geschichte" erreicht hätten, war der Höhepunkt dieser Denkrichtung. Die Kriege im Irak und in Somalia in den frühen 1990er Jahren brachten jedoch ein unsanftes Erwachen. Der Blickwinkel verengte und verschob sich: Man konnte einfach nicht mehr länger von den USA verlangen, einer gesetzlosen, chaotischen und undankbaren Welt Recht und Ordnung sowie Respekt vor den Menschenrechten aufzuzwingen. Aber die USA konnten sich auch keinen Rückzieher leisten. So hieß die neue Linie der amerikanischen Diplomatie: gezielte militärische Operationen neben der offenen Unterstützung von US-Konzernen. Clintons Handelsminister Ron Brown fasste dies unter dem Begriff "kommerzielle Diplomatie" zusammen. Es handelt sich dabei um eine "Mischung von Außenpolitik, Regierungsgewalt und geschäftlichen Vereinbarungen". Ohne militärischen Rivalen "ist das Geschäft die natürliche Grundlage der Außenpolitik".

Diese neue maßgebliche Ideologie geht davon aus, dass die USA so mächtig sind und ihr "american way of life" derart überlegen ist, dass sie die Pflicht haben, anderen Nationen ihre Interessen aufzudrängen und aktiv in Konflikte einzugreifen, um ihre nationalen Interessen zu sichern. Die Gurus der Globalisierung sagten, es sei nun an der Zeit, für den amerikanischen Weg zu kämpfen als den einzig möglichen, Geschäfte zu machen.

Die Regierungen unter Bush und Clinton schöpften in den 1990er Jahren ihren Sieg über die UdSSR voll aus. Sie legten die Route für die rasante Restauration des Kapitalismus in der Ex-UdSSR und den osteuropäischen Ländern fest; sie drückten neue Regeln für den Welthandel durch; sie verwandelten die UNO in ein Instrument unter vollständiger Kontrolle des Pentagon und profitierten auch noch wirtschaftlich von der Wirtschaftskrise in Asien Ende der 1990er.

Die USA setzten nie da gewesene und unbeschränkte Gewalt gegenüber den Ländern der dritten Welt ein, die sich weigerten mitzuspielen. Sie haben ihr Zögern überwunden und im Balkankonflikt durch die Intervention mit Streitkräften mehrere Verträge durchgesetzt. Globalisierung ist also nicht nur eine spontane Tendenz, angetrieben von Technologie und Wirtschaft. Sie steht auch für das Durchsetzen der ökonomischen, politischen und kulturellen Vorherrschaft der einzigen Hypermacht der Welt, der mächtigsten imperialistischen Nation auf diesem Planeten. Die großen Konzerne, die Clinton ins Amt hievten, wurden reichlich belohnt: Ihr Vermögen und ihre Macht wuchsen in den 1990ern schneller denn je seit den 1950ern.

Das Clinton-Regime verkörperte den Triumph der Wall Street über die Main Street. Die Vertreter der Finanzmärkte und der Investmentbanken erlangten während der beiden Regierungsperioden der Demokratischen Partei deutlich mehr Einfluss. Um 1995 belief sich der Stand des Auslandsvermögens der US-Konzerne auf mehr als 600 Milliarden US-Dollar, rund dreimal soviel als zehn Jahre zuvor. Die Exporte kletterten von 9% auf 13% des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Financial Times brachten es auf den Punkt: "US-Konzerne, die früher den Weltmarkt bloß als Absatzmarkt für ihre Überschussproduktion gesehen haben, erkennen nun plötzlich, dass ein Drittel oder gar die Hälfte ihres Absatzes bald im Ausland gemacht wird." Mit diesem Griff nach der Weltkugel ging eine Außenpolitik einher, entschlossen darauf ausgerichtet, das im Ausland befindliche US-Vermögen zu schützen.

Die Wall Street profitierte in den 1990ern in zuvor nie gekannter Weise von Spekulationen mit konvertiblen Währungen, von Einnahmen durch das Management von Privatisierungsprogrammen ehemals staatlicher Unternehmen und einer Welle von Fusionen und Firmenaufkäufen, die höher war als je zuvor. Der Rubin-Clinton-Kredit für Mexiko in Höhe von 38 Milliarden US-Dollar 1994/95 - unter Umgehung des Kongresses - war ein Geschenk an die Wall Street-Aktionäre, die bei Zahlungsunfähigkeit der mexikanischen Regierung massive Verluste erlitten hätten. Clinton ging mit seiner Politik der Freien Märkte noch über die früheren Regierungen hinaus. Die traditionellen IWF-finanzierten Strukturanpassungsprogramme zielten auf Länder ab, die sich in Zahlungsschwierigkeiten befanden. Clinton beugte sich dem Druck der Unternehmer und ging einen Schritt weiter und auch die ärmsten Länder der Welt wurden der "Marktdisziplin" unterworfen, um ihre Ressourcen und billigen Arbeitskräfte den US-Konzernen zugänglich zu machen.

Die Waffe dieser Zeit war es nicht, Notdarlehen zu verweigern, die eine Währung stabilisieren oder eine Schuldenkrise beheben könnten, sondern mit dem Rotstift an die offiziellen Hilfsprogramme zu gehen. Anlässlich eines Besuchs in Afrika 1998 erklärte Clinton, "trade not aid", also "Handel, nicht Hilfe" sei von nun an Uncle Sams Beitrag, um die Armut auf dem Kontinent zu beseitigen. In der Tat war von 1991 bis zu der Zeit, als Clinton den Kontinent besuchte, die offizielle Pro-Kopf-Hilfe von 32 auf weniger als 19 US-Dollar gesunken. Die Kürzungen bei den Hilfsleistungen würden durch Investitionen der US-Konzerne wettgemacht - vorausgesetzt natürlich, dass die afrikanischen Regierungen ihre staatlichen Unternehmen privatisierten, Steuern und Abgaben senkten. Clinton weigerte sich sogar, öffentliche Gelder zur Bekämpfung der AIDS-Krise in Afrika zu spenden, und zwang so diese Länder, sich den 'Rettern' in den Konzernen zuzuwenden.

Möglicherweise war Clintons größtes Vermächtnis in Sachen Globalisierung, die Verwandlung von zwei Schlüsselpfeilern der Nachkriegsordnung, GATT und UNO, in noch offenere Instrumente der US-amerikanischen Weltpolitik.

 

Vom GATT zur WTO

1944 verhinderten die USA die Schaffung einer internationalen Handelsorganisation mit aller Macht, da sie im Hinblick auf Handels- und Zollabkommen eine lose Organisation bevorzugten, das GATT (Allgemeines Abkommen über Zölle und Handel). Mittels des GATT gelang es den USA, eine Liberalisierung des Handels zu fördern und gleichzeitig die Schutz- und Subventionspolitik für die Landwirtschaft in den USA und anderen entwickelten Ländern aufrechtzuerhalten.

In den 1990ern jedoch wollten die USA diesen Schutz der Landwirtschaft reduzieren. Die Uruguay-Runde der GATT Handelsverhandlungen, die 1986 begann, hatte sich zum Ziel gesetzt, die Handelsbarrieren massiv abzubauen. Sie stimmten auch der Umwandlung des GATT in die Welt-Handels-Organisation (WTO) zu, die 1995 verwirklicht wurde. Die Uruguay-Runde und die Entstehung der WTO waren entscheidende Schritte, um die Handelsinteressen der US-Konzerne zu fördern.

Investitionsbeschränkungen wurden in den 1990ern praktisch überall verringert. Seit 1991 wurden rund um den Erdball 570 Regelungen über direkte Auslandsinvestitionen geändert, immer, um Hindernisse für die Profitraffer zu beseitigen. 1997 waren 1.330 bilaterale Investitionsverträge, die 162 Länder betrafen, in Kraft: dreimal mehr als 1992.

Die WTO ist eine geheimniskrämerische Verwaltungsorganisation unter Dominanz der G8-Mächte, in der Konzerne sich dafür einsetzen können, dass nationale Gesetze und Bestimmungen außer Kraft gesetzt werden können, die die arbeitenden Menschen und die Umwelt vor dem unkontrollierten Zugriff der großen Konzerne schützen sollen. Und vielleicht war es Clintons allergrößte Hinterlassenschaft, die riesigen neuen Märkte Chinas - durch Bestechung und Einschüchterung - an die Schwelle des Beitritts zur WTO zu bringen.

Die Globalisierung brachte auch eine Veränderung der Haltung der USA zu den Organisationen der Dritten Welt mit sich. Sie hatten in den 1960ern der Bildung der UNCTAD zugestimmt - einer Organisation zur Entwicklung der sog. Dritten Welt, die nationale Industrialisierungsmaßnahmen finanzierte, da dies das geringere Übel war gegenüber der Alternative, diese Länder dem Einfluss der Sowjetunion zu überlassen. Aber in 1990ern war die UdSSR Geschichte. Heute sind Organisationen wie die UNCTAD Hindernisse für die Dominanz der US-Konzerne. Die UNCTAD wurde praktisch kastriert.

In der UNO kam der Wandel zwar langsamer, aber dank der Rückgratlosigkeit von Gorbatschow und Jelzin unaufhaltsam. Sie haben sich dabei überschlagen, den USA in den 1990ern die Unterstützung der UNO für ihre imperialistischen Abenteuer zu sichern. Als Dank dafür finanzierten die USA die Restauration des Kapitalismus und sorgten dafür, dass die persönlichen Bankkonten der russischen Autokraten nicht leer wurden. Eine Zeit lang schien es, als würde Clinton US-Interessen hauptsächlich unter dem Deckmantel einer gefügigen UNO durchsetzen. Aber das Desaster der Intervention in Somalia änderte dies schlagartig. Nach Somalia kamen die US-Machtinteressen unverhüllt zum Vorschein. Die USA legten ihr Veto gegen eine zweite Amtszeit von Boutros-Gali als Generalsekretär der UNO ein, da dieser zu kritisch gegenüber der US-Politik war. Clinton beschnitt die Interventionsmöglichkeiten der UNO nach dem Bosnien-Krieg durch die Weigerung, die Schulden der USA über 1,6 Milliarden US-Dollar zu bezahlen.

Die NATO hingegen wurde zum tatsächlichen Weltpolizisten - allerdings zu einem, der von den Hauptverbrechern bezahlt wird. Die NATO war eine Schöpfung des Kalten Krieges, vorgeblich eine Verteidigungsallianz gegen die russische Aggression in Europa. Aber obwohl der Kalte Krieg zu Ende war, wurde die NATO stärker. Die US-Regierung kämpfte für erweiterte Aufgaben und eine globale Rolle der NATO. Sie sprach von der Notwendigkeit, "Druck auf kommunistische Nostalgiker" in Osteuropa zu machen, so die US-Außenministerin Madeleine Albright. 1998 forderte und bekam die NATO das Recht auf militärische Erstschläge - auch nukleare - außerhalb Europas, wo auch immer die USA "Schurken"-Staaten entdecken, die sich ihrer Macht widersetzen. Die Marginalisierung der UNO und die Aufwertung der NATO - das drückt die neue Freiheit und Macht der USA nach dem Kalten Krieg aus: auf der Weltbühne als Erste und ungehindert zuschlagen zu können.

Es wäre allerdings kurzsichtig zu glauben, dass bloß die USA die Globalisierungsideologie lanciert und nur US-Unternehmen von der Ausweitung des Freihandels und der Liberalisierung des Kapitalflusses profitiert hätten. Die europäischen und japanischen multinationalen Konzerne profitierten ebenso und prosperierten, nachdem Uncle Sam die Barrieren für Auslandsinvestitionen und Auslandsexporte niedergerissen hatte.

Die mächtigsten Staaten der EU gewannen auf jeden Fall durch die Öffnung der Ex-UdSSR und Osteuropas, während Japans Großkonzerne in den 1990ern vor allem in Ost- und Südasien ihre Präsenz deutlich ausgeweitet haben, trotz einer stagnierenden Wirtschaft im eigenen Land. Aber die USA führten die Attacke, wischten alle Einwände beiseite, setzten sich in den multilateralen Foren mit allen Mitteln durch, oft gegen die Zweifel und Einwände anderer. Ende der 1990er schienen sie, getragen durch den starken Wirtschaftsaufschwung, unangreifbar. Die Message lautete: Militärische Macht und Reichtum geben uns das Recht, dem Rest der Welt unser "erfolgreiches" Modell aufzuzwingen.

Zum Klang der knallenden Champagnerkorken beim Start neuer dot.com-Firmen begannen die Priester der Globalisierung die Ankunft einer neuen Form von Kapitalismus zu bejubeln: eines Kapitalismus, in dem Technologie und Neoliberalismus die regelmäßig wiederkehrenden Wirtschaftszyklen von Konjunktur und Rezession beseitigt hätten. Aber da sollten sie sich schwer täuschen.

Der Schauspieler, der alles ins Rollen brachte

Die Grundlagen für die Globalisierung wurden in den 1980ern durch Ronald Reagans zweigleisige Politik gelegt - Neuer Kalter Krieg und neoliberale Wirtschaftspolitik. Seit den 1970ern hatten die USA unter ihrer Niederlage gegen das vietnamesische Volk gelitten. Reagan, ein Schauspieler in zweitklassigen Filmen, wurde durch eine Allianz von mächtigen US-Geschäftsleuten und Generälen an die Spitze der Weltbühne gedrängt, um den Rückzug zu stoppen. Durch ein verschärftes Wiederbewaffnungsprogramm half das Pentagon, dem US-Außenministerium, die stalinistische Elite zu aufbrechen, welche die UdSSR beherrschte. Rund um Gorbatschow entstand eine Reformbewegung, aber diese beschleunigte den Zerfall der stalinistischen Kommandowirtschaft, ohne irgendwelche Lösungen für die wirtschaftliche Stagnation zur Verfügung zu haben.

In Lateinamerika und dem Mittleren Osten begannen die USA erneut ihre Diplomatie der Gewehrläufe. Vom CIA ausgebildete und bewaffnete rechte Oppositionelle starteten von Nicaragua bis Afghanistan Bürgerkriege gegen Regimes, die den Interessen der USA im Wege standen. Zu Hause begann Reagan einen umfassenden Angriff auf die organisierte Arbeiterbewegung und zerstörte die Kampfkraft der Gewerkschaften durch eine Serie von rechtlichen Änderungen, welche Streiks verboten und gewählte Führungen abgesetzt haben. Als Folge davon wuchs die neue Generation von ArbeiterInnen heran, die nichts anderes als Deregulierung, Unsicherheit, vorbeugende Massenentlassungen und stagnierende Löhne kannte. Andererseits erholten sich die Profite der großen Konzerne infolge dieser Angriffe deutlich. Reagan nutzte die mexikanische Schuldenkrise von 1982 und deren kurz darauf erfolgte Lösung durch US-Banken, um den IWF in eine Waffe der US-Auflenpolitik zu verwandeln. Genau zu dieser Zeit begann der IWF damit, dutzenden Ländern der Dritten Welt systematisch "Strukturelle Anpassungsprogramme" als Preis für Schulderleichterungen aufzuzwingen. Künftige Kredite wurden an Pakete wirtschaftlicher Maßnahmen mit dem Ziel gebunden, den Staat von wirtschaftlichen Entscheidungen auszuschließen, ausländische Unternehmen zu unterstützen und die Märkte der dritten Welt für ausländische Konzerne zu öffnen. Reagan beendete seine Amtszeit zwar als flegelhafter und geschmähter Wahnsinniger, aber er hatte viel von der verlorenen wirtschaftlichen und politischen Macht der USA wieder hergestellt.

 

Globalisierung, Antikapitalismus und Krieg