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Bahamas-Rassismus

Auf zum totalen Krieg!

Martin Mittner, Neue Internationale 64, Oktober 2001

Der Hauptfeind ist der Islam - so die Quintessenz der Zeitschrift Bahamas zum drohenden Krieg.

"Die Islamisierung ist in Wirklichkeit die Befreiung von jeder Möglichkeit der Befreiung - sie ist zusammen mit dem Nationalsozialismus der größte und mächtigste Feind, den die Revolution je hatte."

Aus dem Verhängnis ihrer Islamisiertheit können die arabischen Gesellschaften demzufolge nur "herausgebombt werden". Der US-Imperialismus muss diese "zivilisierende" Mission nun erfüllen - Bahamas wünscht dazu "alles Gute".

"Sollte wirklich Afghanistan das erste Ziel eines US-Gegenschlages sein, wäre zu fordern, das dieser so konsequent wie möglich erfolgt, d.h. einen Sturz nicht nur des Taliban-Regimes, sondern auch die Verhinderung weiterer islamischer Herrschaft bewirkt wird und nicht auf Afghanistan beschränkt bleibt." Der Völkermord als antideutscher Befreiungsschlag!

Die zögerlichen Verbündeten der USA stünden eigentlich im Lager der "Islamisten" - allen voran der deutsche Imperialismus. Die Kriegstreiberei der Regierung, der Rassismus gegen islamische und arabische Mitbürger - all das sei nur Show.

Untypische Bahamas?

Die Bahamas-"Theoretiker" leben von einer Mischung aus pseudo-marxistischem Geschwätz, Geschichtsfälschung und "gesundem Menschenverstand".

Was wirklich passiert, welche Klassenkräfte, welche gesellschaftlichen Interessen einen Konflikt prägen, ist für die Antideutschen letztlich irrelevant. Wer braucht auch schon Kenntnis der Geschichte der arabischen Gesellschaften, ihrer Entwicklung, der Rolle des Imperialismus usw. – wenn Islam ohnedies gleich Jihad gleich Massenmord ist.

Bahamas ist eine recht exzentrische Vertreterin der anti-deutschen Linken, weil sie die Provokation zu einem Markenzeichen ihrer Politik, genauer des Vertriebs ihres Magazins macht.

Das ist auch vielen Anti-Nationalen übel aufgestoßen und sie haben sich gegen die chauvinistischen und kriegstreiberischen Exzesse dieser Spielart der Anti-Deutschen polemisch abgegrenzt. Es greift aber zu kurz, die Bahamas und ihre rassistischen Exzesse von der anti-deutschen Ideologie abzutrennen, als ob diese nur einer falschen Lesart der anti-nationalen Thesen entspränge.

Die anti-deutsche Konstruktion

Allen Spielarten der Anti-Nationalen und Anti-Deutschen gehen davon aus, dass der Kapitalismus seit dem Zweiten Weltkrieg in einer Art "Endlosschleife" gefangen sei, wo er nur noch eine Tendenz zur negativen, d.h. barbarischen Selbstauflösung habe.

In dieser Tendenz repräsentierten der deutsche Imperialismus und der "Islam" die Seite der Barbarei, die USA und Israel die bürgerliche Gesellschaft, die "Zivilisation", d.h. die Seite, die der Barbarei entgegenstehe.

Die einander gegenüberstehenden Gesellschaftsformationen mögen zwar auch aus Klassen bestehen. Das ist für die anti-nationale Theorie jedoch irrelevant, weil alle Klassen der Gesellschaft ohnehin in den total gewordenen Verblendungszusammenhang der Warengesellschaft eingebettet sind, Kapital und Lohnarbeit ohnedies nur Teil der immer gleichen Scheiße sind.

Theorie wird für die Anti-Nationalen daher zur reinen Ideologiekritik, sie hat keinen praktischen Anspruch. Die Revolution ist passé, existiert höchstens noch als Hoffnung, die keine materielle Grundlage hat - als elementare Bewegung, die ohne Zutun revolutionärer Theorie, Partei und Programmatik einfach "progressiv" ist und von Beginn an gegen den Warenfetisch vorgeht.

Die Vorstellung einer spontan rein progressiven Bewegung, die sich einfach dazu "entschließt", den Weg der sozialistischen Revolution zu beschreiten, ist die Kehrseite der rein kommentierenden, im Grunde bürgerlichen Philosophie der Antideutschen. Sie ändern die Welt nicht, interpretieren sie nur immer wieder neu (und auch immer wieder gleich).

Im Grunde geht es bei ihren Geschichtsinterpretationen immer darum, alles auf ein immer schon vorhandenes Wesen zu reduzieren - die Warengesellschaft und den immanent reaktionären Charakter "der Deutschen". Die Anti-Deutschen trennen dabei das Wesen von der Erscheinung. "Wesentlich" ist ihnen in klassisch idealistischer Manier nur "das Wesen". Alles, was damit nicht in Einklang zu bringen ist, wirft dann auch keine Probleme auf - diese werden einfach wegpolemisiert. Es ist ja nur "Erscheinung".

Die politische Lösung ist daher auch immer gleich. Wenn das Proletariat zur Revolution "an und für sich" unfähig, wenn die "islamischen Gesellschaften" strukturell pogromistisch sind, kann nur die herrschende Klasse eines anderen Staates Abhilfe verschaffen - momentan die US-amerikanische Kapitalistenklasse, da es seit dem Zusammenbruch des Stalinismus weltpolitisch keine staatliche "anti-deutsche" Alternative mehr gibt.

Palästina

Die anti-deutsche Methode wird besonders bei Palästina deutlich. Die Gründung Israels basierte auf der Vertreibung und Entrechtung der Palästinenser, sie war reaktionär. Die Palästinenser wurden zu einer entrechteten, unterdrückten Nation, die über Jahrzehnte versucht hat, die ihnen vom zionistischen Staat und vom Imperialismus vorenthaltenen Rechte wieder zu erringen.

Wie jede Gesellschaft ist auch diese von einer Klassenspaltung durchzogen. Dasselbe gilt natürlich auch von der israelischen Gesellschaft. Wie kann nun der Konflikt zwischen Palästinensern und dem Staat Israel überwunden werden?

Wohl nur, indem die Unterdrückung der Palästinenser beseitigt wird. Nur so können die ausgebeuteten Klassen für einen sozialistische Perspektive, für den gemeinsamen Kampf mit den jüdischen Arbeitern in Israel gewonnen werden.

Die Führung des palästinensischen Befreiungskampfes liegt eben - ganz anders als die Anti-Deutschen meinen - nicht in der Hand einer undifferenzierbaren Masse von "antisemitischen Mördern" oder der Islamisten. Er liegt (noch) in der Hand einer bürgerlich-nationalistischen Führung, der Fatah-Fraktion Arafats in der PLO.

Seit dem Beginn der 1990er Jahre - insbesondere seit dem Vertrag von Oslo – hat die palästinensische Führung selbst fundamentale demokratische Forderungen für einen Frieden mit Israel aufgegeben - darunter das Rückkehrrecht der vertriebenen Flüchtlinge. Für die Anti-Deutschen ist schon das zuviel. Das Rückkehrrecht gilt ihnen als besonders raffinierte, versteckte Form des Antisemitismus, weil es doch die Existenz des Staates Israel gefährde.

An dieser Überlegung ist insofern etwas dran, als es mit der Existenz des zionistischen Staates tatsächlich unvereinbar ist. Das hat aber nichts mit Antisemitismus zu tun.

Den Antideutschen erscheinen "die" Araber als "die" Islamisten als "die" Pogromisten usw., d.h. sie setzen die unterdrückten Massen mit der Ideologie eines Teils des Kleinbürgertums und der Bourgeoisie gleich.

Diese Methode, alle Klassen hinter einer gemeinsamen "Volkssache" und Ideologie verschwinden zu lassen, verwenden die Anti-Deutschen nicht nur, um die eingebildeten reaktionären Feinde der Freiheit und der Emanzipation zu brandmarken. Die Antideutschen setzten die Interessen der jüdischen Massen, besonders des jüdischen Proletariats mit jenen des zionistischen Staates gleich - damit mit denen der Bourgeoisie und des Imperialismus.

Entsorgung des Imperialismusbegriffs ...

Zurecht warnten die Trotzkisten in den 1930er Jahren vor dem zionistischen Projekt der Schaffung eines eigenen jüdischen Staates. Sie verwiesen darauf, dass ein solcher Lösungsweg, wenn überhaupt, nur möglich ist in einem Bündnis mit dem Imperialismus gegen die nicht-jüdische Bevölkerung Palästinas.

Solange das jüdisch-israelische Proletariat diese Unterstützung seiner eigenen Bourgeoisie und des Imperialismus nicht aufkündigt, wird es immer die Entstehung nationalistischer oder islamistischer Strömungen unter den arabischen Massen begünstigen, vor allem aber wird es seine eigene soziale Befreiung schlichtweg verunmöglichen.

Marx berühmtes Diktum, dass sich kein Volk befreien kann, das ein anderes unterdrückt, trifft ganz aktuell auf das jüdisch-israelische Proletariat zu. Die sozialistische Revolution ist unmöglich, wenn es zwischen verschiedenen zionistischen Fraktionen und dem Imperialismus politisch hin und her pendelt. Es wird in diesem Fall immer gezwungen sein, die Herrschaft des Kapitalismus in der Region und deren politisch-wirtschaftliche Abhängigkeit von einer imperialistischen Macht zu verteidigen. Es wird sich dabei immer den Arbeitern und Bauern der anderen Nationen entgegenstellen.

All das ist aber keine Naturnotwendigkeit. Es ist ebenso wenig unvermeidlich, wie die Unterordnung der sozialen Interessen des palästinensischen und arabischen Proletariats und der Bauernschaft unter deren Bourgeoisie und den Imperialismus.

Die Antideutschen begründen ihre Ideologie gern mit Rundumschlägen gegen das "anti-imperialistische Weltbild", wozu sie allerlei Zitate aus der Mottenkiste von Maoismus und den "Anti-Imps" hervorkramen, die voll der Idealisierung der "Völker" sind, wo jeder nationale Befreiungskampf mit allen Attributen des Schönen, Guten und Wahren versehen wurde. Dahinter steckte in der Tat eine reaktionäre Idealisierung unterdrückter Nationen. Die Notwendigkeit der eigenständigen Organisierung des Proletariats, des Kampfes um die politische Führung durch die Arbeiterklasse und die Verknüpfung demokratischer und sozialistischer Aufgaben wurde negiert. Diese für den Stalinismus typische Tendenz hatte schon lange vor den Anti-Deutschen der Trotzkismus "entdeckt".

"Man darf nicht vergessen, dass innerhalb des Sozialpatriotismus neben dem vulgärsten Reformismus auch ein nationaler revolutionärer Messianismus existiert, der gerade seinen eigenen Nationalstaat, sei es wegen dessen industriellem Niveau oder dessen ‚demokratischen‘ Formen und revolutionären Errungenschaften, für berufen hält, die Menschheit zum Sozialismus oder zur ‚Demokratie‘ zu führen. (...) der Kampf für die Erhaltung der nationalen Basis der Revolution mit solchen Methoden, welche die internationale Verbindung des Proletariats untergraben, bedeutet in Wirklichkeit die Untergrabung der Revolution selbst. Denn diese kann zwar nur auf nationaler Basis beginnen, doch sie kann angesichts der gegenwärtigen wirtschaftlichen, militärischen und politischen Abhängigkeiten (...) niemals auf ihr vollendet werden" (Trotzki, Die Dritte Internationale nach Lenin, S. 84)

Der "nationale Weg" zum Sozialismus geht notwendig mit der Idealisierung der eigenen oder irgend einer anderen Nation einher. So viel anders ist im übrigen auch die Methode der Anti-Deutschen nicht. Nur die idealisierten Länder sind andere.

Eine revolutionäre Kritik der Idealisierung nationaler Befreiungsbewegung bzw. deren bürgerlicher Führung muss beinhalten, dass sie den Kampf gegen den Imperialismus nicht erfolgreich führen können, dass sie die Arbeiterklasse und die Unterdrückten spalten. Dass es einer proletarischen, internationalistischen Führung bedarf, um den Befreiungskampf zum Sieg zu führen, mit der Machtergreifung des Proletariats und der internationalen sozialistischen Revolution zu verbinden.

... und des Imperialismus

Bei den Anti-Deutschen wird mit der Kritik am "anti-imperialistischen Weltbild" in Wirklichkeit auch gleich der Imperialismus entsorgt. Auf dem Boden der glorreichen "Erkenntnis", dass Kapitalismus eben Kapitalismus sei, wird die Scheidung zwischen unterdrückten und unterdrückenden Nationen fallengelassen. Es gibt dann auch kein imperialistisches Weltsystem mehr, kein imperialistisches Stadium der kapitalistischen Entwicklung.

Praktisch suggerieren die Antideutschen mit ihrer Betonung des Kampfes gegen den Islamismus, dass der arabische Raum gar nicht vom Imperialismus beherrscht würde, dass dort (noch) mehr oder weniger mordlustige Anti-Amerikaner das Sagen hätten. Die meisten Länder, darunter auch Afghanistan, sind zwar formell eigenständig - in Wirklichkeit aber wirtschaftlich und über viele Mechanismen auch politisch vom Imperialismus beherrscht.

Die Taliban oder Bin Laden wurden von den USA ausgebildet, weil sie damals den Interessen des Imperialismus nützten. Nun will der Imperialismus seine außer Kontrolle geratenen Zöglinge entsorgen, um seine Herrschaft in der Region zu festigen. Der "Feldzug gegen den Terrorismus" ist nichts als ein weiterer Krieg zur Verstärkung der Ausbeutung und Unterdrückung der gesamten Region.