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Schlagt die Faschisten! Aber wie?

Drei Fragen und Antworten im Kampf gegen die Nazis

Arbeitermacht 60, Januar/Februar 2001

Warum wachsen die Faschisten?
Auf wen stützen sie sich?

"Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen", hat der Philosoph Max Horkheimer treffend formuliert.

Der Faschismus ist kein "Betriebsunfall", keine "Entgleisung", er ist auch nicht einfach ein "Verbrechen". Er ist eine politische Bewegung, die aus der Krise des Kapitalismus selbst erwächst und aus dem Versagen der Führung der Arbeiterbewegung.

Der Faschismus stützt sich sozial auf das Kleinbürgertum, auf Mittelschichten, ja auch auf von sozialem Abstieg bedrohte Teile der Arbeiterklasse. Anders als "normale", parlamentarisch ausgerichtete bürgerliche und kleinbürgerliche Parteien organisieren die Faschisten ihre Anhänger nicht einfach als Mandatare, Wahlwerber, Betragszahler - sondern als aggressive, militante Bewegung, die gegen die vermeintlichen Verursacher der Krise, der drohenden und realen Deklassierung zum gewalttätigen und organisierten Rammbock aufgebaut wird.

Vom Großkapital, das den "kleinen Mann" ruiniert, sondern sie die "schlechte" Seite, das "jüdische", "internationale", "parasitäre", "kosmopolitische" Geldkapital ab, das den "anständigen" und "fleißigen" Deutschen samt der "nationalen" Unternehmerschaft - natürlich mit unlauteren Mitteln - erledigen will.

Die Arbeitsimmigranten "überfremden" nicht nur die Leitkultur aus BILD-Zeitung, McDonalds und Büchsenbier, sondern nehmen zu allem Überdruss auch noch die nicht vorhandenen Jobs weg.

Die Arbeiterbewegung, die "Linke" liefere die "guten Landsleute" an diese "Weltverschwörung" aus. Sie muss daher als immer noch mehr oder minder "bolschewistisch" zerschlagen werden, sie spaltet die nationale Volksgemeinschaft durch ihre bloße Existenz.

Auch wenn die NPD und die Faschisten aktuell keine Herrschaftsoption des Kapitals sind - so sind sie eine massive Gefahr für die Arbeiterbewegung, für Immigranten, für die Linke, für die jüdische Bevölkerung.

Ihr Wachstum ist Resultat einer gesellschaftlichen Krise und des ständigen Zurückweichens der organisierten Arbeiterbewegung in den letzten zehn Jahren. Die Restauration des Kapitalismus in der DDR war eine schwere Niederlage für die Arbeiterklasse, auf die die Zerstörung von zwei Dritteln der ostdeutschen Industrie und damit auch der Beschäftigung in diesem Bereich folgte. Die Deklassierung und Verzweiflung wurde zum Massenphänomen, und die Nazis verbreiteten als Einzige massenhaft "radikale" Antworten, während die Führung der Arbeiterbewegung als Komplize von Entlassungen, Sozialabbau usw. agierte.

So konnten die Faschisten sich als Alternative präsentieren, deshalb rückten sie den dumpfen "Antikapitalismus" des "kleinen Mannes" demagogisch in den Vordergrund.

Das faschistische Programm, die faschistischen Erklärungen sind keineswegs klüger oder origineller geworden. Sie zeichnen sich gerade durch äußerste Verwirrtheit, Fehlen selbst innerer Logik aus - sie gleichen vielmehr einer Sammlung reaktionärer Gedanken vom "Urteutschen", über Esoterik, Sentimentalität, Romantik, Totenkult, gepaart mit Biedermeiertum und Nazi-Raves.

Statt dessen benutzen die Nazis den Knüppel, die Gräberschändung, den Mord und das Pogrom als Zeichen rassischer Überlegenheit. Die Stärke der Nazi-Bewegung muss sich im Aufmarsch und im Terror gegen Andere selbst zur Schau tragen. So schweißt sich die reaktionäre Bewegung samt Sturmtrupp zusammen.

Sie müssen daher als organisierte Bewegung zerschlagen werden. Unter diesem Druck werden die Faschistenführer und Kader zwar nicht aufhören, Nazis zu sein - ihre Opfer können sich so jedoch wehren, die Nazi-Anhängerschaft kann verunsichert werden, so dass ihr Mythos der Stärke zerbricht.

Zweitens muss der Kampf gegen die Faschisten mit dem Kampf gegen den Kapitalismus verbunden werden, mit dem Kampf in den Betrieben, den Gewerkschaften, den Schulen, vor den Arbeitsämtern für eine Politik des Klassenkampfes. Nur so kann die Arbeiterbewegung die ihren Reihen verloren gegangenen Arbeiter zurückgewinnen, nur so kann sie sich den Mittelschichten als Klasse präsentieren, die eine fortschrittliche Lösung der gesellschaftlichen Probleme erkämpfen will und kann.

Alle "Demokraten" gegen die Nazis?

In den letzten Monaten sind sehr viele Bündnisse gebildet worden. Aufmärsche gegen die Nazis, gegen rassistische und faschistische Anschläge fanden in vielen Städten statt und brachten Hunderttausende auf die Straße.

Angesichts der realen Bedrohung durch den Nazi-Terror ist das ein ermutigendes Zeichen. Die "extreme" Linke auf sich allein gestellt, ist schon lange nicht mehr in der Lage, den Faschisten Einhalt zu bieten.

Doch oft haben sich Bündnisse gebildet, die klassenübergreifenden Charakter haben, neben Vertretern der Linken und Arbeiterparteien und der Gewerkschaften auch Unternehmerverbände und die politischen Organisationen der Bourgeoisie wie FDP, Kirchen, ja selbst CDU/CSU - eben alle "Anständigen", alle "Demokraten" umfassen.

Auch wenn solche Bündnisse einmalig Massen auf die Straße bringen können - sie können niemals die Faschisten schlagen.

Ein Bündnis mit den Unternehmern, gemeinsame Aufrufe mit den Bürgerlichen können nur zur Beschönigung des Kapitalismus und zur Beschränkung des Kampfes gegen die Nazis führen. Die antifaschistischen Arbeiter und Arbeiterinnen werden bei dieser "Einheit" vor den Karren der Unternehmer gespannt.

Diese Aufgabe der Unabhängigkeit der Arbeiterklasse bedeutet nicht nur, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse, die den Naziterror hervorbringen, der Tendenz nach verewigt werden sollen - sie haben auch ganz praktische Auswirkungen auf den unmittelbaren Kampf.

Der Kampf gegen die Nazis schließt notwendigerweise den Aufbau von Selbstverteidigungsorganisationen ein, von Verteidigungsgruppen für Flüchtlinge, Asylbewerber, Immigranten, Linke usw. Um uns gegen die Nazis auf dieser Ebene wirksam verteidigen zu können, müssen wir das Gewaltmonopol des Staates praktisch in Frage stellen. Das ist aber unmöglich mit Klassen, die das Gewaltmonopol des bürgerlichen Staates gerade zur Verteidigung ihrer eigenen Herrschaft brauchen.

Wie wir gesehen haben, besteht ein enger Zusammenhang zwischen sozialer Krise, Perspektivlosigkeit und Wachstum der Faschisten. Die Nazis sagen ihren Anhängern: ‚Ihr seht die Gewerkschaften, die SPD, die PDS, .. sitzen in den Parlamenten und tun nichts. Jetzt sagen sie, sie wollen uns bekämpfen - und sie bekämpfen uns zusammen den Leuten, die Euch entlassen haben, die die Löhne kürzen, die darauf bestehen, dass im Osten länger gearbeitet werden muss als im Westen usw. Sobald wir auftauchen, ist ihr Gerede von den Interessen der Arbeiter vergessen.'

Das Schlimmste an diesen oder ähnlichen Argumenten der Faschisten ist, dass sie hier ausnahmsweise die Wahrheit treffen.

Daher stärken Bündnisse mit den Unternehmern und allen bürgerlichen Kräften in Wirklichkeit auch gar nicht die Antifaschisten, sondern die Nazis!

Der Kampf gegen die NPD und andere Naziorganisationen ist kein Kampf "Demokratie gegen Faschismus", des guten gegen den schlechten Teil der "Nation". Die Nazis und ihre bürgerlichen Gegner (bis hin in die "extreme Linke") teilen ungewollt dieselbe Annahme. Während sich die Faschisten zum Rammbock einer vermeintlich unterdrückten und vom Aussterben bedrohten "deutschen Nation und Rasse" erklären, halten ihnen ihre "anständigen" Gegner aus dem Parlament entgegen, dass "Deutschland ja gar nicht so sei."

Auch der, ja gerade der Kampf gegen den Faschismus ist eine Klassenfrage. Dass die deutschen Bürgerlichen, die Unternehmerverbände - die schon einmal zum Faschismus als Retter ihrer imperialistischen Herrschaft gegriffen haben - davon nichts wissen wollen, ist zwar verlogen, vom Klassenstandpunkt aus gesehen aber nur folgerichtig.

Auch dass die sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Führer einschließlich der PDS und reformistischer Betriebsräte gemeinsame Erklärungen mit verschiedenen Unternehmerorganisationen gegen "Intoleranz" und für "Menschlichkeit" unterzeichnen, verwundert nicht. Klassenzusammenarbeit ist diesen Leuten ja auch sonst nicht fremd - beginnend mit der Regierungstätigkeit bis hin zum Bündnis für Arbeit. Wer sich über die Kürzung der Renten "verständigt", kann das natürlich auch bei papierenen Erklärungen mit den Unternehmern.

Die gemeinsame Losung besteht dann darin, die "Wachsamkeit" des Staates, die Gesetze zu verschärfen oder die NPD verbieten zu lassen und ansonsten an die Zivilcourage der Menschen zu appellieren.

Die Massen, die zu diesen Demos aufgerufen werden, sollen jedoch keinesfalls zu organisierten, aktiven Kämpfern und Kämpferinnen gegen die Nazis werden - das wäre auch mit den Interessen der "Bündnispartner" ganz unvereinbar. Sie dienen vielmehr als Staffage zur rein symbolischen Untermauerung des "staatlichen Eingreifens." Die Wirkungslosigkeit diese Politik lässt sich sehr deutlich sehen, wenn wir uns an die Lichterketten gegen den Nazi-Terror Anfang der 90er Jahre erinnern, die viel massiver als heute waren. Was ihnen folgte, waren eine weitere Steigerung des Terrors und eine stärkere und einheitlichere Nazibewegung.

Alle Bündnisse mit der herrschenden Klasse haben eine politischen Preis - die Unterordnung der Interessen der Arbeiterklasse und Unterdrückten. Deshalb lehnen wir sie auch prinzipiell ab. Statt eines Bündnisses mit den Bürgerlichen brauchen wir eine Einheitsfront der Arbeiterbewegung zur Zerschlagung des Faschismus.

Was machen die extreme Linke und die Arbeiterbewegung? Wie eine Arbeitereinheitsfront aufbauen?

Die extreme Linke begeht im Kampf gegen die Faschisten i.w. zwei politische Fehler, die sich auf die verschiedenen Gruppierungen unterschiedliche verteilen und die teilweise kombiniert auftreten: einen opportunistischen und einen sektiererischen.

Der opportunistische Fehler besteht in einer Anpassung an den "demokratischen" oder "staatlichen" Antifaschismus, wobei das Kapital oder andere bürgerliche Kräfte zu "antifaschistischen Kräften" stilisiert werden. Wir bestreiten an diese Stelle nicht, dass einzelne Angehörige des Bürgertums ernsthaft gegen Faschisten kämpfen wollen - ebenso wie es bürgerliche Frauen gibt, die ernsthaft gegen die Frauenunterdrückung kämpfen, von der sie schließlich selbst betroffen sind.

Doch ist das schon ein Argument dafür, gemeinsame Erklärungen mit den Frauenorganisation der CDU oder der katholischen Frauenbewegung herauszugeben? Sicher nicht! Das trifft auch auf den Kampf gegen die Nazis zu.

Solche "breiten" Bündnisse sind nicht zu haben, ohne den Kampf gegen die Faschisten politisch wirkungslos zu machen. Entscheidend ist nicht, ob sich dieser oder jener Bürgerliche dem Kampf anschließen will, sondern ob die Ziele und Methoden des Kampfes verwässert werden, nur um diesen oder jenen bürgerlichen Politiker als Sprecher zu ködern.

Daher soll eine Plattform im Kampf gegen die Faschisten auch jene Forderungen beinhalten, die notwendig sind, um die Nazis wirklich zu schlagen. Das Bündnis muss gleichzeitig solche Aktionen durchführen, die geeignet sind, diese Ziele zu erreichen - ansonsten stehen sie nur auf dem Papier, und das ist bekanntlich geduldig. Wir schlagen dazu folgende Forderungen vor:

Keine Plattform, keine Rede- und Versammlungsfreiheit für die NPD und alle anderen faschistischen Organisationen!

Verhindert alle Aufmärsche von Faschisten und Rassisten! Weg mit der NPD-Zentrale in Berlin-Köpenick! Für regionale und bundesweite Massendemonstrationen, Blockaden und Besetzungen gegen die NPD und alle anderen faschistischen, rassistischen und rechtsextremen Organisationen!

Aufbau örtlicher Selbstverteidigungsgruppen gegen Nazi-Übergriffe und rassistische Überfälle!

Um diese Forderungen herum muss versucht werden, alle Organisationen der Arbeiterbewegung zu gewinnen - die SPD, die PDS, die Gewerkschaften. Wir fordern dazu auch die Grünen auf, obwohl sie eine kleinbürgerliche Partei sind.

Das ist notwendig, gerade weil der Kampf gegen die Nazis die Kräfte der Arbeiterbewegung erfordert (und zwar schon heute), weil SPD, Gewerkschaften, PDS die wichtigsten und einflussreichsten Organisationen sind. Das ändert nichts am bürgerlichen Charakter der Politik von SPD, PDS und der Gewerkschaftsführungen. Diese sind fest im Kapitalismus verwurzelt.

Aber die Gewerkschaften sind gleichzeitig die Massenorganisationen der Arbeiterklasse in Deutschland. SPD und PDS sind bürgerliche Parteien, aber bürgerliche Parteien, die sich nicht auf diese oder jene Fraktion der Kapitalistenklasse stützen (wie CDU/CSU oder FDP), sondern auf die organisierte Arbeiterschaft in den Gewerkschaften oder anderen Massenorganisationen. Sie haben einen widersprüchlichen Charakter, sie sind bürgerliche Arbeiterparteien.

Das bedeutet, dass wir Forderungen an Führung und Mitgliedschaft dieser Organisationen stellen müssen, den Kampf gegen die Faschisten um obige Forderungen zu unterstützen.

Es ist in Wirklichkeit eine Utopie zu meinen, die Arbeiterbewegung, in der der Einfluss der extremen Linken noch dazu verschwindend ist, könnte ohne eine solche Politik gewonnen werden - wie es auch eine Utopie ist, dass die faschistischen und rassistischen Schläger allein durch die Linke gestoppt werden könnten. Die Gewerkschaften und bürgerlichen Arbeiterparteien können durch eine solche Politik besser und leichter unter den Druck ihrer Mitgliedschaft gesetzt und gezwungen werden, solche Kämpfe zu unterstützen.

Ein praktischer Ausdruck dieser Taktik ist die Aufforderung an die Gewerkschaften, die SPD und die PDS, die Anstands-Bündnisse mit den Bürgerlichen zu brechen und am Aufbau einer proletarischen Einheitsfront mitzuwirken.

Eine solche Taktik ermöglicht einerseits, die Massen für den organisierten Kampf gegen die Nazis zu gewinnen. Sie hat zugleich den Vorteil, dass so die Führer von ihren Mitgliedern im gemeinsamem Kampf (wie schon in der Aufforderung) getestet werden können. Eine solche Taktik ist daher auch vom Standpunkt, den bürgerlichen Charakter der SPD/PDS klarzulegen, viel hilfreicher, als das im Grunde passive Räsonieren sektiererischer Kleingruppen und Parteien darüber, ob die SPD überhaupt noch Einfluss in der Arbeiterbewegung hätte.

Dieser sektiererische Fehler erschwert in Wirklichkeit den Aufbau einer Arbeitereinheitsfront und hilft gleichzeitig den SPD/PDS/Gewerkschaftsführern, eine solche abzulehnen.

Der Aufbau einer bundesweiten Einheitsfront gegen die Faschisten muss sich vor allem in der Aktion bewähren. Wir sind daher dagegen, ein Bündnis gegen die NPD mit allen möglichen zusätzlichen Forderungen und Bedingungen zu überfrachten. Das Ziel muss vielmehr sein, eine Einheit herzustellen, die die Arbeiterklasse zur Zerschlagung der NPD mobilisiert und organisiert.

Arbeitereinheitsfront darf daher auch nicht nur bedeuten, prominente Gewerkschafter, PDSler, SPDler usw. als Redner zu gewinnen - sie muss dazu führen, ein bundesweites demokratisches Bündnis zwischen Parteien, Gewerkschaften und der Linken aufgebaut wird, das in den Betrieben, in den Schulen, an den Unis, im Stadtteil aktiv ist, örtlich und bundesweit Aktionen organisiert, Selbstverteidigungsgruppen aufbaut und unterstützt.

Ein solches Bündnis kann und wird die NPD und andere faschistische Organisationen zurückschlagen - es zeigt damit zugleich in der Praxis, dass die Arbeiterklasse in der Lage und fähig ist, einen solchen Kampf anzuführen, dass wir weder den bürgerlichen Staat und seine Bullen, noch die herrschende Klasse brauchen, um mit den Nazis fertig zu werden.