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Bericht über eine Veranstaltung

Opelaner on Tour

Veranstaltung des Zukunftsforum Stuttgarter Gewerkschaften
Infomail 192, 3. Dezemeber 2004

Die Veranstaltung am 1. 12. war gut besucht. Auffällig war die gute Beteiligung von Kollegen und Kolleginnen aus den Betrieben, darunter Beschäftige aus 13 verschiedenen Metallbetrieben. Referenten waren Dirk Bresser und Mario Duermér aus der Vertrauenskörperleitung von Opel-Bochum, um über die einwöchige Aktion im Oktober zu berichten.

Der Bericht

Es fing alles damit an, dass die Führung von GM-Europe ihre Sparpläne öffentlich bekannt gab, wonach insgesamt 12 000 Arbeitsplätze in Europa, davon 10 000 in Deutschland abgebaut werden sollten. Die Geschäftsführung empfand es offenbar nicht für notwendig, den Betriebsrat und somit die Belegschaft zu informieren, sondern veröffentliche direkt ihre Pläne. Die ArbeiterInnen in Bochum waren angesichts dieser Informationen entsprechend sauer.

Die Aktion begann damit, dass nahezu die komplette B-Schicht vor die Zentrale der Geschäftsleitung zog und eine Stellungnahme von der Geschäftsleitung einforderte. Doch die Geschäftsleitung hielt es offenbar immer noch nicht für nötig, vor die Belegschaft zu treten. Schnell war klar, dass man nicht zurück zur Arbeit geht, wenn von der Geschäftsleitung keine Stellungnahme kam.

Außerdem akzeptierte die Belegschaft drei Grundforderungen, welche auch von dem Vertrauenskörper und dem Betriebsrat getragen wurden: keine betriebsbedingten Kündigungen, Erhalt des Standorts und Erhalt des Werkes in einem Unternehmen (keine Aufteilung in verschiedene GmbHs). Die Aktion wurde offiziell als Info-Veranstaltung getragen, weil die KollegInnen sich über ihre Zukunft informieren wollten.

Jeden Tag wurde unter der gesamten Belegschaft abgestimmt, ob die „Infoveranstaltung“ weiter gehen soll oder nicht. Schließlich zogen die OpelanerInnen in einem Demozug durch die Stadt und erhielten immense Solidarität von der Bevölkerung. Der Demozug wuchs schnell auf 25.000 Leute an. Die Kollegen sprachen von einer „Gänsehaut-Atmosphäre“. Schließlich kündigte die Geschäftsleitung an, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen, worauf der Betriebsrat seine umstrittene Frage an die Belegschaft formulierte: „Wollt ihr, dass wir die Verhandlungen aufnehmen oder wollt ihr weiterstreiken?“ Der Ausgang der Abstimmung ist bekannt: ca. 6000 gegen 1500 Stimmen.

Die Einschätzung der Kollegen aus Bochum war, dass man die Aktion wohl auf jeden Fall wieder aufleben lassen werden muss. Die Rückkehr zur Arbeit war von Seiten der Belegschaft ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, dass die Forderungen erfüllt werden. Doch „was bis jetzt durchsickert“, so der Opelaner, lässt auf nichts Gutes hoffen.

Parallel zu den Verhandlungen des Betriebsrats hat der Vertrauenskörper von Opel-Bochum außerdem (nicht zum ersten Mal) den Antrag bei der IG-Metall gestellt, endlich eine Konferenz der VK-Leiter aller Auto-Betriebe abzuhalten. IG-Metall-Vize Berthold Huber hat diesen Antrag wohl seit geraumer Zeit energisch abgelehnt, um die Verhandlungen in den Händen der Gesamt-Betriebsrats-Vorsitzenden zu halten. Jetzt forderte der VK von Opel-Bochum jedoch energisch persönlich von Huber, die Konferenz zu organisieren und stellte ihn vor die Entscheidung:

VK-Konferenz, entweder mit der IGM, wenn’s sein muss aber auch ohne. Unter diesem Druck musste Huber nachgeben, und die Konferenz wird wohl stattfinden. Der Kollege betonte das jetzt als wichtigste Aufgabe in nächster Zeit, endlich eine wirkungsvolle Vernetzung unter den einzelnen Unternehmen herzustellen. Daran wird auch die Möglichkeit der Opelaner geknüpft sein, noch einmal gegen die Angriffe zu streiken.

Fragen

Auf die Frage, warum denn in Bochum der Protest derart anschwoll und in Rüsselsheim bzw. Kaiserslautern gar nichts passierte, antwortete der Kollege, dass die Belegschaft von Opel-Bochum relativ kämpferisch eingestellt ist und die Arbeiter im Ruhrgebiet bereits eine längere Tradition des Widerstands kennen. Außerdem war schnell klar, dass wohl Bochum der hauptbetroffene Standort sein wird, und wenn jetzt in Bochum derart abgebaut wird, dann steht der Standort in zwei bis drei Jahren ganz zur Disposition.

Im Ruhrgebiet stellt Opel eines der größten Unternehmen dar, und außer den knapp 10.000 direkten Jobs bei Opel hängen nach Einschätzung der Kollegen noch mindestens 40.000 in Zulieferfirmen etc. dran. Eine Schließung des Opel-Werks in Bochum würde für etliche Tausende ArbeiterInnen Arbeitslosigkeit ohne Perspektive und aufgrund Hartz IV den Weg in die Armut bedeuten. Angesichts dieser Tatbestände, deren sich die ArbeiterInnen bewusst sind, war schnell klar, hier geht es um die nackte Existenz.

Die Solidarität innerhalb des Unternehmens angesichts drohender Kündigungen war groß (zwei Kollegen bekamen eine Kündigung ausgesprochen, weil sie angeblich andere Kollegen an der Arbeit gehindert hätten): als die Geschäftsleitung wenig später Überstunden verlangte, wurden diese an die Bedingung geknüpft, die Kündigungen zurück zu ziehen.

Die Kollegen aus Bochum stimmten zu, dass es der richtige Weg wäre, eine nicht nur firmen- und branchenübergreifende, sondern internationale Solidarität aufzubauen, indem die ArbeiterInnen aus Deutschland, Schweden und Polen nicht gegeneinander, sondern miteinander kämpfen.

Ein besonderes Augenmerk wurde natürlich darauf gelegt, ob es denn realistisch sei, die KollegInnen noch einmal zu mobilisieren, die Aktion fortzuführen, wenn notwendig. Die Einschätzungen waren relativ optimistisch, da die Belegschaft definitiv keinen faulen Kompromiss will und die Angst vor Hartz IV offensichtlich groß ist. Mehrmals hat besonders ein Opelaner betont, dass es notwendig sein wird, weiter zu kämpfen und auch die Aktion wieder zu starten.

Einschätzung und Perspektive

Insgesamt stellt die Aktion bei Opel sicherlich einen großen Fortschritt in dem Widerstand gegen das Kapital dar. Innerhalb des Kampfes tauchten interessante Organisationsformen auf, wie etwa die Tatsache, dass jeden Tag über die Fortführung der Aktion abgestimmt wurde. Auch die Solidarität innerhalb der Belegschaft und das Bewusstsein des gemeinsamen Kampfes sind positiv zu bewerten. Die IGM-Führung verhielt sich nicht anders wie vermutet: sie solidarisierte sich nicht mit dem Streik und war stets bemüht, die Kollegen wieder zur Arbeit und ihre Fürsten in die Verhandlungen zu schicken.

Doch der Ausgang der Verhandlungen ist nach wie vor offen, wenn die Einschätzung der Kollegen richtig ist, besteht eine realistische Chance den Protest wieder aufleben zu lassen und erneut zu streiken. Es kommt dann darauf an, die Spaltung innerhalb der Opelaner und alle Formen der Standortborniertheit („in Bochum werden die besten Autos gebaut“) zu überwinden und eine gemeinsame Aktion aller Opel-Standorte zu machen. Auch die anderen Auto-Konzerne müssten dann mitziehen. Die erkämpfte VK-Konferenz stellt sicher einen wichtigen Beitrag in diese Richtung dar. Es wird sich zeigen, ob die Kräfte in Bochum noch einmal ausreichen, dem Weltkonzern GM die Stirn zu bieten. Auf jeden Fall ist das Thema Opel noch lange nicht gegessen!

Allerdings fehlte auch in Bochum bislang jegliche Brücke zur Politik. Die Kollegen betonten, dass die KollegInnen „nur“ für ihre Arbeitsplätze auf die Strasse gingen und von Politik dabei nichts hören wollten. Demnach ist anzunehmen, dass die KollegInnen noch nicht die Verbindung zwischen Agenda 2010 und den Angriffen der Kapitalisten erkannt haben (obwohl der Absturz in Hartz IV vor der Haustüre steht). Auch die Diskussion über eine Arbeiterpartei fand nicht statt.

Genau diese Fragen müssen jedoch auch in den Kampf getragen werden. Denn zur Abwehr des laufenden Generalangriffs braucht die Arbeiterbewegung auch einen gemeinsamen Plan, eine gemeinsame Strategie, eine neue Arbeiterpartei, die den Kampf gegen Agenda 2010, Entlassungen und Lohnraub miteinander auf Grundlage einer anti-kapitalistischen, revolutionären und internationalistischen Perspektive verbindet.

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