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Umweltpolitik

Wind of Change?

Infomail 174, 1. Juli 2004

1998 versprach Rot/Grün eine „Energiewende“. Umweltschädliche Energieerzeugung wie Kohle und Kernspaltung sollten von umweltfreundlichen Technologien wie der Windkraft abgelöst werden.

Tatsächlich gelang es auch, die Zahl der Windkraftanlagen von 548 im Jahr 1990 auf über 15.000 (!) im Jahr 2003 zu steigern. Ihr Anteil an der Nettostromerzeugung erhöhte sich seit 1998 von 1% auf heute 5,3%. Dieser Trend entspricht den Festlegungen im „Erneuerbare Energien Gesetz“ (EEG) der Bundesregierung. Darin sind Zwänge wie Anreize enthalten, die sichern, dass Windenergie - deren Erzeugung teurer ist als die von „Normalstrom“ - trotzdem am Markt bestehen kann.

Investitionen in Windkraftanlagen werden steuerlich gefördert. Die Investoren können nicht nur erhebliche Steuervergünstigungen geltend machen; sie haben darüber hinaus die Sicherheit, dass die Energiekonzerne den Windstrom auch zum deutlich höheren Preis abnehmen.

Praktisch ist das eine Subventionierung von Investitionen durch den Staat. Das lenkt nicht nur Kapital (v.a. von Kleinbürgertum und Mittelschicht) in die Windenergie. Diese Subventionen werden aus Steuermitteln bereitgestellt, die in immer höherem Maß durch Massen- und Lohnsteuern erbracht werden. Wie schon bei der Ökosteuer sind es auch hier v.a. wieder die Lohnabhängigen, die dabei draufzahlen. Nicht nur der Wind wird auf die Rotorblätter, sondern auch das Geld aus den kleinen Portemonnaies in die großen geleitet.

Den Energiekonzernen entstehen dabei kaum Kosten. Die Windmühlen werden zum überwiegenden Teil nicht mit ihrem Geld erbaut und die höheren Kosten für den eingespeisten Windstrom und die Aufwendungen für das Leitungsnetz werden - wer hätte es gedacht? - auf die Stromkunden abgewälzt. Die rot/grüne Energiereform wird also von den Lohnabhängigen gleich doppelt bezahlt!

Zugleich ist das EEG durchaus im strategischen Interesse des deutschen Kapitals. Da die traditionellen Stromerzeuger Kohle und Atom aus Umwelt- wie aus politischen Gründen problematisch geworden sind, müssen sie ersetzt werden. Doch die Hauptalternative Erdgas - ökologisch vorteilhaft und ebenfalls massiv ausgebaut - kommt fast ausschließlich aus Russland. Um nicht völlig von dort abhängig zu sein und als Stromexporteur auftreten zu können, muss Deutschland stärker alternative Energien nutzen. Angesichts der ständig steigenden Preise für das immer knapper werdende Erdöl und wegen des schlechteren Zugriffs auf diese Ressourcen gegenüber dem Hauptkonkurrenten USA sucht man nach autarken Energiequellen. Für die Grünen spielt dabei auch eine Rolle, ihr kleinbürgerliches Klientel zu fördern und Weltmarktführer im Umweltbereich zu sein.

Umweltminister Trittin achtet dabei streng darauf, dass - wie beim Atomkonsens - die großen Energiekonzerne bei seinen Reformen nicht Schaden nehmen. Im Gegenteil: die Privatisierung vormals kommunaler Stromerzeuger und die Fusionitis auf dem Energiesektor haben in den letzten Jahren nicht nur dazu geführt, dass nur noch wenige Großunternehmen fast den gesamten Markt beherrschen und die Preise diktieren; ihre Gewinne sind im selben Maß kräftig gestiegen.

Erfolgsstory?

Obwohl Klima- und Umweltschutz natürlich von der Mehrzahl der Menschen begrüßt wird, steigt die Zahl der KritikerInnen an Trittins windigen Plänen. Die Schar der Windgegner ist dabei eine bunte Koalition aus Energiekonzernen, Umweltschützern, Ökonomen und Journalisten. Ihre Kritik an der steigenden Zahl von Windrädern entzündet sich vor allem an drei Fragen:

1. „verschandeln“ die Windräder die Landschaft, was dem Wert von Grundstücken und der Attraktivität für den Tourismus schadet;

2. wird die Subventionierung des Windstroms durch den Staat kritisiert;

3. schließlich verweisen „Energie-Experten“ auf die technischen Probleme der Einspeisung von Windstrom ins Netz.

Es stimmt, dass Windräder oft dort errichtet werden, wo AnwohnerInnen dadurch erheblichem Lärm ausgesetzt sind (Rotorblätter rauschen!). Zudem werden sie oft an Orten mit geringer „Windausbeute“ gebaut, so dass die projektierte Leistung nicht erbracht wird. Der Grund für diesen Wildwuchs? Durch die großzügige Förderung und die Bestimmungen des EEG lohnt es sich, auch an ungeeigneten Orten einen Windpark anzulegen, denn es geht den InvestorInnen ja vorrangig um die Erzeugung von Gewinn und nicht etwa nur um „sauberen Strom“. Die chronisch geldknappen Kommunen sind deshalb auch gern bereit, auf Kosten kommunaler Interessen Windareale zur Verfügung zu stellen. Unter den Wind-Investoren findet sich deshalb auch oft genug der Bürgermeister …

In der Kritik an den Subventionen überwiegen fraglos jene, die diese Praxis als Verstoß gegen die Regeln des freien Marktes ansehen; natürlich gehören dazu auch die Energiekonzerne - sofern sie nicht selbst Nutzer der EEG-Vorteile sind und in Windkraft investieren.

Zweifellos wäre ein ökologischer Umbau der Energieerzeugung grundsätzlich zu unterstützen - allerdings kritisch, als die Kosten dafür vom Kapital aufgebracht werden müssten und nicht von den Massen! Doch wie wir gezeigt haben, subventioniert der Staat nicht nur den Ökostrom, sondern v.a. die Gewinne der Anleger!

Im dritten Vorwurf steckt insoweit ein realer Kern, als der Windstrom den Nachteil hat, dass er nicht immer zur Verfügung steht. Dadurch muss generell Reserveenergie bereitgehalten werden, die flexibel zugeschaltet werden kann. Bei heutiger Technik kann das nur durch „traditionelle“ Kraftwerke erfolgen. Außerdem sind technische Vorkehrungen erforderlich, um die Einspeisungsschwankungen auszugleichen. Diese Aufwendungen und Investitionen ins Stromnetz stört die Energiekonzerne natürlich. Schwerer wiegt allerdings der Umstand, dass die kontinuierliche Auslastung der Kraftwerke wegen der Reservekapazitäten sinkt.

Auch diese Seite des Problems verweist jedoch nur darauf, dass bei aller Förderungswut in der Politik der Bundesregierung eines fehlt: ein strategischer Energie-Plan, der alle Komponenten umfasst und eine gesamtgesellschaftliche Perspektive aufzeigt, wie die Energiewirtschaft ökologisch umgebaut werden soll. Stattdessen erleben wir eine Windkraftförderung, die in sich etliche Widersprüche aufweist und nur Einzelkomponenten im Blick hat. Erneut zeigt sich hier, dass im Kapitalismus die technischen Möglichkeiten permanent mit den Verwertungs- und Profitinteressen der Konzerne kollidieren. So führte der „planlose“ Boom von Windrädern u.a. dazu, dass das Stromverbundnetz dafür nicht ausreicht und deshalb der Strom z.T. über ausländische Leitungen umgeleitet werden muss, weil die Energiekonzerne sich unter dem Druck der Konkurrenz weigerten, in das Netz zu investieren. Ohne gesamtgesellschaftlichen Plan ist es eben unmöglich, einen „harmonischen“ Umbau der Energiewirtschaft zu gewährleisten.

Ein wesentlicher Aspekt des „Energieumbaus“ - die Frage des Verbrauchs, die Einsparung von Energie - spielt in der rot/grünen Umweltpolitik höchstens eine Nebenrolle. Diese - einfachste - Möglichkeit, durch Verbrauchssenkung „schmutzige“ Energie abschalten zu können, wird wohlweislich nicht oder kaum gefördert, da eine Verbrauchsenkung Gewinneinbußen für die Energiekonzerne brächte.

Fazit

Es ist kein Zufall, dass in letzter Zeit Kräfte aus Union und FDP „im Auftrag“ der großen Energiekonzerne die rot/grüne Energiepolitik kippen wollen. Sie setzen wieder verstärkt auf die Atomenergie und wollen die Staats-Subventionen für Umweltpolitik zurückschrauben. Die Debatte um die „Negativseiten“ der Windkraft wird genau dafür instrumentalisiert.

Die halbherzige Energiepolitik Trittins, seine Rücksichten auf die Energiekonzerne und die daraus folgenden Widersprüche und Ungereimtheiten seiner Projekte liefern seinen Kritikern dabei genug Munition.

Ohne Enteignung der Konzerne, ohne einen von der Arbeiterbewegung demokratisch erarbeiteten allgemeinen Plan zum Umbau der Energiewirtschaft wird es keine „saubere“ Lösung geben. So ist z.B. die Umrüstung aller Tankstellen auf Erdgas oder Wasserstoff mit einem Aufwand verbunden, der die Möglichkeiten des (bürgerlichen) Staates oder eines einzelnen Konzerns weit überstiegt. Doch wenn alle Ressourcen aus der Verfügung des Kapitals in die Hände der Gesellschaft übergehen, sind solche Lösungen auch heute rasch machbar. Im Kapitalismus - der sich für seine innovative Kraft rühmt - dauert so etwas entweder sehr lange oder gar bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Ein Beispiel dafür: obwohl Dieselrussfilter für Autos schon seit Jahren von Frankreichs Auto-Konzernen PSA und Renault serienmäßig eingebaut werden, wurde ihr Einführung und eine Förderung durch den Bund jahrelang aus Konkurrenzgründen hintertrieben. Für die schwarzen Zahlen deutscher Autokonzerne werden krebsschwarze Lungen schon mal in Kauf genommen!

Vor etwa 80 Jahren stellte Lenin bezogen auf Sowjetrussland eine Formel auf: Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes gleich Kommunismus. In diesem Sinne sagen wir heute: Rätedemokratie plus technischer Fortschritt gleich Zukunft! Oder: ist die Zukunft nicht rot, wird sie auch nicht grün!

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