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Stoppt den Generalangriff von Siemens!

Arbeitermacht-Flugblatt zum bundesweiten Aktionstag bei Siemens
Infomail 172, 18. Juni 2004

Seit etwa 2 Monaten hat Siemens die Maske fallen lassen. Nichts ist mehr übrig von der einstigen "Siemens-Familie" und der "sozialen Partnerschaft". Stattdessen betreiben Pierer & Co. Klassenkampf - brutalen Klassenkampf von oben!

Obwohl Siemens seinen Aktionären auch dieses Jahr einen Rekordgewinn verkündet hat, werden Kostenreduktionen zu Lasten der Beschäftigten als "unvermeidlich" dargestellt. Mit schlichter Erpressung werden Stundensätze in Deutschland mit denen an "alternativen Standorten" verglichen, um dann Bereich für Bereich Verlagerungsprojekte aus dem Hut zu zaubern.

Das Spiel der Geschäftsführung

Die Absicht ist klar: an einzelnen Standorten soll exerziert werden, wie leicht Siemens sich von heute auf morgen nach "Billiglohn-Landien" verziehen kann. Kurz vor der Verlagerung entdeckt man dann noch "ganz zufällig" die Möglichkeit, dass die Beschäftigten ja auf einen Teil ihres Stundenlohns verzichten könnten - zugunsten der Steigerung der Umsatzrendite. Dann könnte Siemens gnädigerweise ja noch mal durchrechnen, ob die Verlagerung wirklich noch nötig sei.

Das Forderungspaket ist bekannt: Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich und Verzicht auf tarifliche Sonderzahlungen (z.B. Weihnachtsgeld) - in Summe eine Absenkung des Stundenlohns von ca. 30%!

Natürlich war die flächendeckende Androhung dieses Pakets nur der erste Zug. Die erwarteten Proteste und die darauf erfolgte Aufregung wurden schnell mit Beschwichtigungen und Dementis von "übertriebenen Personalabbauzahlen" beantwortet. Im nächsten Zug erklärte der Vorstand, dass das Paket gar nicht flächendeckend gemeint gewesen wäre, sondern nur für einige "Problembereiche".

Gleichzeitig begann man mit massiven Drohungen gegen einzelne Standorte, z.B. in der Handy-Fertigung in Kamp-Lintfort und Bocholt, in der EWSD-Fertigung in Bruchsal, im Trafo-Werk in Nürnberg etc.

Vor zwei Wochen ließ man dann die Katze aus dem Sack: um die schon ziemlich weich geklopften Standorte herum sollen etwa 7.500 Beschäftigte unter das Paket fallen, weitere 1.200 dort seien "unrettbar". Darüber hinaus - und das ist ein Hammer - sollen nun sämtliche Service- und Vertriebsbereiche in den Service-Ergänzungstarif überführt werden, was eine 38,5 Stundenwoche bei Streichung der Jahreszahlung etc. bedeutet.

Damit wären dann insgesamt etwa 40.000 der 90.000 Beschäftigten der Siemens AG nicht mehr im 35-Stundentarif. Zusätzlich werden auch die Beschäftigten mehrerer Siemens-Töchter, insbesondere bei VDO und Bosch-Siemens-Hausgeräte unter Druck gesetzt, ähnliche Regelungen einzuführen.

Warum Siemens?

Klar ist auch, dass der Siemens-Konzern als zentraler Großbetrieb der Metall- und Elektroindustrie ausgewählt wurde, in dem das deutsche Kapital ein Exempel statuieren will. Auch wenn die tariflichen Errungenschaften in Bezug auf die Arbeitszeit in den letzten Jahren durch verschiedenste "Flexibilisierungen" immer löchriger geworden sind, so würde eine Umkehr der Arbeitszeitverkürzungserfolge der Vergangenheit, also die Durchsetzung von Arbeitszeitverlängerung einen Dammbruch für alle möglichen Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen, Einkommensverhältnissen und bei der Durchsetzungsfähigkeit von Gewerkschaften und Betriebsräten bedeuten.

Dass gerade der Siemens-Konzern für diesen Angriff ausgewählt wurde, ist kein Wunder: hier wird der geringste Widerstand angesichts geringerem Organisationsgrad und schwächerer Kampferfahrung vermutet.

Wie reagierten die Führungen von IGM und der Siemens-Betriebsräte darauf?

Nach erstem empörten Aufschreien und hektischem Aktionismus, ist man den Konzernbossen glatt auf den Leim gegangen. Siemens wolle angeblich die 40-Stundenwoche nicht mehr flächendeckend einführen, sondern nur in "Spezialbereichen". Darüber könne mit der IG Metall verhandelt werden. Dieser Skandal wurde auch noch als Erfolg gefeiert!

Als großes Ziel wird erklärt, dass Siemens mit der IG Metall eine "Rahmenvereinbarung" abschließt, in der geregelt sein soll, wann der Tarifvertrag gebrochen werden darf! Gleichzeitig wurden regionale Verhandlungen in Bocholt, Kamp-Lintfort, Bruchsal und Nürnberg - abgekoppelt von den bundesweiten Verhandlungen - zugelassen. Darin besteht die große Gefahr, dass schon Abkommen über die Einführung der 40-Stundenwoche ausgehandelt werden, bevor die KollegInnen zum bundesweiten Aktionstag mobilisiert sind.

Was dann als großer Verhandlungserfolg gefeiert werden wird - dass die 40 nicht "wildwuchernd", sondern geregelt über eine tarifliche Vereinbarung mit der IG Metall kommt -, ist nur ein weiterer Schritt nach dem Service-Tarifvertrag von vor 2 Jahren, mit dem wir Beschäftigte des Siemens-Konzerns uns von der 35-Stundenwoche verabschieden. In vielen Bereichen werden diese Spezialvereinbarungen schon in wenigen Monaten dazu führen, dass ähnlich gelagerte Standorte in die gleichen Vereinbarungen gepresst werden können.

Von der IG-Metall-Führung werden immer die besonders schwierigen Verhältnisse in Kamp-Lintfort und Bruchsal beschrieben. Wie können die KollegInnen sich dort der 40-Stundenwoche verschließen, wenn sie dann sofort mit hundertfachem Arbeitsplatzverlust konfrontiert sind?

Gegenfrage: Was hat das Nachgeben zur "Beschäftigungssicherung" in Fällen wie OTIS-Stadthagen u.ä. in den letzten Jahren gebracht?! Die Beschäftigten im Trafowerk Nürnberg oder im Berliner BSHG-Werk haben die richtige Konsequenz gezogen: Sie sagen Nein zu den Vorschlägen und sind bereit, im Konflikt mit dem Kapital bis zum Äußersten zu gehen!

Hier geht es nicht mehr um die Rettung von ein paar Rest-Arbeitsplätzen für die nächsten 3-6 Monate, hier geht es um einen gesamtgesellschaftlichen Konflikt! Der Erhalt dieser Arbeitsplätze ist kein Wert an sich, es kommt auch darauf an, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird. Und da ist es allemal richtiger, dagegen zu halten, als auf den Knien abgeschlachtet zu werden.

Wie weiter?

Aus den Beispielen von Nürnberg und von BSH müssen wir eine generelle Antwort entwickeln: der Generalangriff des Kapitals auf unsere Errungenschaften und gewerkschaftliche Durchsetzungskraft verlangt eine verallgemeinerte, standort-übergreifende Gegenwehr! Der bundesweite Aktionstag ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber es ist wohl allen klar, dass er nicht ausreicht. Notwendig ist ein konzernweiter Streik, bis dieser Angriff auf den Tarifvertrag auf dem Müllhaufen landet!

Damit ein solcher Streik Erfolg hat, muss er von anderen Betrieben, die ähnlichen Angriffen ausgesetzt sind, unterstützt werden. Dies trifft sowohl auf den öffentlichen Dienst zu, bei dem zum Teil noch größere Verschlechterungen durchgedrückt werden sollen. Dies trifft auch auf die unmäßigen Versuche in der Automobilindustrie zur Ausdehnung der 40-Stunden-Quote zu.

Außerdem ist der Kampf gegen Arbeitszeitverlängerung, die notwendig zu noch mehr Arbeitslosigkeit führen wird, eng mit der Bewegung gegen die verschärften Angriffe auf die Arbeitslosen, wie sie aktuell in der Agenda 2010 durchgeführt werden, verbunden.

Daher müsste ein solcher Streik mit der Anti-Agenda-Bewegung verbunden werden und so als Teil des gesamten Abwehrkampfes gegen den neoliberalen Generalangriff organisiert werden.

Damit könnte er zum Kern einer Bewegung für einen Generalstreik werden, der immer notwendiger wird, um den Irrsinn einer Politik zu stoppen, die der grenzenlosen Steigerung der Kapitalrenditen immer mehr Menschen, deren Lebensverhältnisse und Arbeitsplätze opfert!

Gemeinsam und von unten!

Klar ist, dass dieser Kampf um eine klassenkämpferische Antwort auf die aktuellen Angriffe heute nur noch international geführt und gewonnen werden kann. Wir dürfen uns nicht Standort für Standort, nationale Arbeiterklasse gegen Arbeiterklasse ausspielen lassen! Unsere polnischen, griechischen, chinesischen KollegInnen sind genauso unerbittlichen Angriffen ausgesetzt, denen sie in vielen Fällen viel entschlosseneren Widerstand entgegensetzen wie wir - und das oft unter schwierigeren Bedingungen. Mehr denn je müssen wir versuchen, unsere Kämpfe international zu verbinden und zu einem Kampf gegen das unerträglich gewordene Profitsystem zu machen!

Klar ist auch, dass wir mit unserer bestehenden Führung nicht zu einem solchen Kampf kommen werden, nicht mal zu dem Abwehrkampf, der im Rahmen von Siemens in Deutschland notwendig wäre, um zumindest den Arbeitszeit-Dammbruch zu verhindern. Die Verhandlungsstrategie des IGM-Vorstands zeigt dies überdeutlich.

Eine Opposition gegen diese Führung des Kompromisses und Zurückweichens wird immer notwendiger, wollen wir und viele KollegInnen nicht endgültig an unserer Gewerkschaft verzweifeln. Austritt wäre hier die falsche Antwort - der einzige Weg ist der Kampf um eine andere, wirklich kämpfende Gewerkschaft. Werdet in euren gewerkschaftlichen Bereichen aktiv, bleibt bei Betriebsversammlungen nicht länger ruhig, nutzt die laufenden Vertrauensleutewahlen, um euch in die gewerkschaftliche Basis einzubringen! Eine Opposition kann im Betrieb und über Verbindung zwischen Vertrauensleuten auch überbetrieblich aufgebaut werden.

Für Aktionen müssen Basiskomitees gebildet werden, die das Heft in die Hand nehmen. Glaubt nicht länger dem Gejammer der Bürokraten und Möchtegern-Führer, die als letzte Weisheit verkünden "unsere Kollegen lassen sich doch nicht mobilisieren, die sind doch alle so unpolitisch".

Wer die KollegInnen jahrelang bevormundet, durch Stellvertreterpolitik entmündigt und letztlich immer wieder verarscht hat, braucht sich nicht wundern, dass sich die KollegInnen immer weniger als Mobilisierungs-Staffage für solche "Führer" hergeben wollen!

Beteiligung, Information und das Ergreifen der Initiative für Aktionen durch aktive KollegInnen wird schnell auch die immer empörtere, heute aber noch schweigende und passive Masse der Basis mitreißen.

Dabei kommt es vor allem auch darauf an, KollegInnen an den besonders bedrängten Standorten, wie Bruchsal, Kamp-Lintfort oder BSHG von der Basis her zu unterstützen. Es reicht nicht, den Berichten unserer Betriebsratsführungen über die "schwierige Situation" zu lauschen, mit denen wir auf die Niederlage dort vorbereitet werden sollen.

Wir müssen uns aktiv einmischen, Kontakt mit KollegInnen vor Ort knüpfen, Solidaritätsaktionen durchführen und diejenigen KollegInnen dort unterstützen, die gegen den Strom der Nachgeberpolitik ankämpfen wollen.

Nur in einer solchen Auseinandersetzung können wir letztlich auch eine glaubwürdige und bundesweit vernetzte Opposition gegen die herrschende Kapitulationspolitik in der IG Metall organisieren.

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