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Proteste in München

Gegen NATO und imperialistische Kriege!

Infomail 154, 11. Februar 2004

Am 6. und 7. Februar erlebte München erneut Massenproteste gegen die "Sicherheitstagung". Menschen aus vielen Teilen der Bundesrepublik beteiligten sich an mehreren Kundgebungen und an der Demonstration durch die Münchner Innenstadt am Sonnabend, an der mehr als 10.000 teilnahmen.

Die Sicherheitskonferenz tagte in diesem Jahr zum vierzigsten Mal. Jahrelang war dieses inoffizielle Strategie-Treffen von Militärs, Politikern, Rüstungslobbyisten, "Wissenschaftlern" und sonstigen "Experten" von der Linken und der kritischen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen worden. Seitdem Deutschland jedoch immer direkter an Militäreinsätzen überall auf dem Globus teilnimmt und die Kette der Kriege des Imperialismus kaum noch abreisst, erfreut sich die wehrpolitische Expertenrunde in München inzwischen einer lautstarken Begleitmusik von Protesten.

Auf dem von der Quandt-Stiftung (die Familie Quandt ist Hauptaktionär von BMW) unter dem Vorsitz von Horst Teltschik (vormals Berater von Kohl) veranstalteten diesjährigen Treffen ging es vor allem um drei Fragen: 1. die Perspektive der NATO; 2. das Eingreifen der NATO im Irak und 3. die Umwandlung der Bundeswehr bzw. der europäischen Streitkräfte zu schlagfähigen und schnellen Kriseninterventionskräften.

Nachdem während des Irak-Kriegs die strategischen Differenzen zwischen der EU und den USA offen aufgebrochen waren, bemüht man sich seither darum, diese Differenzen auszubalancieren. Verteidigungsminister Struck betonte die Unverzichtbarkeit der NATO und die gemeinsamen Interessen bei der "Terrorbekämpfung". Außenminister Fischer wies darauf hin, dass die deutsche Position im Irakkrieg sich auch im Nachhinein bestätigt hätte. Ein direktes militärisches Engagement Deutschlands im Irak lehnte er weiterhin ab. Obwohl keine völlige Einigung erzielt werden konnte, ist es den US-Vertretern offenbar gelungen, die EU-Seite stärker in Richtung militärischer Beteiligung an der Besetzung des Irak zu bewegen.

Vor einigen Jahren wurden die Strategie der NATO - und auch der Bundeswehr (!) - modifiziert. Deren Operationsgebiete umfassen seitdem den gesamten Globus und Kriege sollen auch präventiv geführt werden können, wenn vitale - sprich: ökonomische - Interessen dies erfordern. Deshalb ist der "Krieg gegen den Terror" ein willkommener Anlass, um die imperialistische Welt(wirtschafts)ordnung überall auch mittels Gewalt durchzusetzen. Wie die Farce der angeblichen Massenvernichtungswaffen des Irak zeigte, ist dazu keine Lüge unverschämt genug, um nicht einen Waffengang und die Besetzung eines Landes damit zu rechtfertigen.

Hinter den Differenzen zwischen Washington/London und Berlin/Paris bezüglich des Irakkriegs stehen gegensätzliche imperialistische Interessen und verschiedene Auffassungen darüber, wie die eigenen Profitziele am besten durchgesetzt werden können. Das deutsche Engagement auf dem Balkan oder in Afghanistan zeigen, dass die deutsche "Friedenstaube" sehr wohl auch Bomben unterm Flügel tragen kann, wenn dies angebracht erscheint. Insofern war es nicht verwunderlich, dass in Münchens Nobelhotel "Bayrischer Hof" auch intensiv darüber diskutiert wurde, wie der Umbau der Bundeswehr und die Umstrukturierung der europäischen Militärpotentiale weitergehen wollen. Das Ziel ist klar: Schaffung kleinerer, dafür aber hochmobiler und hochtechnisierter Eingreifverbände, die schnell überall in "Krisenregionen" handeln können - unabhängig von den und perspektivisch sogar gegen die USA.

Das Fazit der diesjährigen Sicherheitskonferenz fällt zwiespältig aus. Einerseits wurden erneut die gegensätzlichen Interessen der imperialistischen Hauptblöcke USA und EU deutlich, andererseits versuchten beide Seiten, ein weiteres Aufbrechen der Widersprüche und damit eine Verstärkung der Tendenz zum Zerfall der NATO zu verhindern.

Wie in den Vorjahren wurden die Proteste gegen die Sicherheitstagung von einem breiten Bündnis vorbereitet, dessen Spektrum von antiimperialistischen bis pazifistischen Kräften reichte. Neben der Linken gehörten auch Gewerkschaften zu den Unterzeichnern des Aufrufes, der sich in diesem Jahr besonders gegen die Besetzung des Irak richtete. Viele RednerInnen betonten den Zusammenhang zwischen Sozialabbau einerseits und Rüstung, Kriegseinsätzen und Umbau der Bundeswehr andererseits. Der "Krieg gegen den Terrorismus" wurde als Vorwand für militärische Aggressionen abgelehnt.

Allerdings blieben bei aller Kritik in den "offiziellen" Reden der Zusammenhang zwischen Kapitalismus und Krieg und der imperialistische Charakter von Kriegen wie gegen den Irak oder Afghanistan unerwähnt. Auch darüber, warum die historisch einzigartig breite, weltweite Bewegung gegen den Irakkrieg letztlich nicht in der Lage war, den Krieg und dessen Vorbereitung und Durchführung wirklich zu verhindern oder wenigstens zu behindern, war wenig zu hören. Insofern ging von München zwar ein Signal aus, dass imperialistische Kriegspolitik auf Widerstand trifft, doch ein wirklicher Schritt voran bei der Formierung von Widerstand war es nicht.

Im vergangenen Jahr war die Beteiligung an den Protesten deutlich größer - etwa 20.000 -, was vor allem am Irak-Krieg und dessen breiter Ablehnung in der Bevölkerung hierzulande lag. Nach den Protesten 2002, als es trotz massiven Polizeiterrors und allgemeinen Verbots gelungen war, Kundgebungen und eine Demo durchzuführen, versuchten die "Offiziellen" im letzten Jahr zu "deeskalieren". SPD-Bürgermeister Ude tat sich mit den Gewerkschaftsführungen und der Kirche zusammen, um den Protesten eine klar pazifistische, pro-Schröder orientierte Richtung zum geben und die Bevölkerung sowie die gewerkschaftliche Basis von den linken, antiimperialistischen Kräften fern zu halten. Dieses Konzept ging gründlich in die Hose - die Massen beteiligten sich sehr zahlreich an der "linken" Demo.

Wie war es diesmal? Mangels Massenprotesten sahen sich Ude und Co. diesmal nicht genötigt, "separat" zu handeln. Das hieß jedoch nicht etwa gemeinsame Mobilisierung! Ude mobilisierte nicht - er antichambrierte. Er begrüßte die "Sicherheitsexperten" freundlich und vergaß dabei freilich nicht, das Vorgehen der USA im Irak "vorsichtig zu hinterfragen". Die Mobilisierung der Gewerkschaftsführungen beschränkte sich auf die Unterschrift unter dem Aufruf. So waren größere gewerkschaftliche Kontingente auch nicht zu sehen. Das verweist nicht nur auf die verhängnisvolle Politik der Gewerkschaftsbürokratie, den konsequenten Aufbau von Widerstand zu hintertreiben; es zeigt auch, dass die Gewerkschaftslinke speziell auch in München noch zu schwach ist, um selbst effektiv mobilisieren zu können.

Die relativ schwache gewerkschaftliche Beteiligung ist der Hauptgrund dafür, dass die Aktionen dieses Jahr nicht größer waren. Andererseits zeigte die Erfahrung des letzten Jahres, dass gerade dort das entscheidende Potential schlummert, um eine aktive und schlagkräftige antiimperialistische und antimilitaristische Bewegung aufzubauen!

Aktiv wie immer war die Polizei. Sie griff brutal und oft selbst ohne formellen Grund DemonstrantInnen an und verhaftete ca. 250 von ihnen. Selbst Redner wurden quasi von der Bühne weg verhaftet! Man merkte, dass man im Bayern des Herrn Beckstein war. Vor allem jenen jugendlichen TeilnehmerInnen, die zum ersten Mal an solchen Protstaktionen teilgenommen hatten, wird klar geworden sein, dass der Staat kein neutrales Organ, sondern ein brutaler Gewaltapparat im Interesse der Kapitalisten und ihrer KriegspolikerInnen ist! Während sich z.B. DemontrantInnen nicht "vermummen" dürfen, filmen die Bullen skrupellos alle TeilnehmerInnen. Wo bleiben da Datenschutz und Persönlichkeitsrechte?! Wir fordern: Freilassung aller Inhaftierten! Annullierung aller Verfahren! Untersuchungsausschüsse der Protestierenden gegen die Polizeigewalt und deren Verantwortlichen! Auflösung aller Polizeisondereinheiten!

Der größte Erfolg von München 2004 ist sicher der, dass der Versuch, jeden Protest zu verbieten oder zu kriminalisieren, wie es vor allem 2002 versucht wurde, zum dritten Mal zurückgewiesen worden ist! Die Proteste gegen den Sicherheitsgipfel haben Kontinuität erhalten.

ARBEITERMACHT und die Jugendgruppe REVOLUTIUON mobilisierten wie schon in den Vorjahren auch diesmal nach München und bildeten dort einen eigenen Block, der dynamisch und lautstark auftrat - gegen Kapitalismus und Imperialismus, gegen die Militäreinsätze und die Besatzung in Afghanistan, Irak usw., gegen NATO und Bundeswehr, gegen Sozialabbau und Militarisierung.

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