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Niedersachsen

Sozialabbau und Abbau demokratischer Rechte

Infomail 123, 13. Juni 2003

Die massiven Proteste dieses Jahres gegen imperialistische Kriegspolitik nach außen und den sozialen Raubzug nach innen lassen die herrschende Klasse nicht ruhen. Der Kapitalistenstaat will seine Schublade wieder aufziehen und die Einschränkung demokratischer Rechte zur Absicherung seiner Herrschaft vorantreiben.

Die Landesregierung von Niedersachsen geht zur Sache und mit Beispiel voran, dem andere sicher folgen werden. Sie beantragt eine Verschärfung der Polizeigesetze, die mindestens in der Stoßrichtung auch verabschiedet werden dürften.

Kernstück des Gesetzesentwurfs sind die rechtliche Absegnung von gezielten Todesschüssen der Polizei sowie die Ausweitung von Vorbeuge- und Nachsorgehaft.

Die letzthin gehäuften Fälle von Geiselnahmen kommen den staatlichen Terrorstrategen zupass, um dem 'finalen Rettungsschuss' die rechtlichen Weihen geben zu können. "Kein Polizeibeamter soll nach einem solchen Schuss vor einem Strafrichter stehen müssen, weil er auf einer unsicheren Rechtslage gehandelt hat", begründet CDU-Landtagsfraktionsvorsitzender McAllister den Punkt. Dann ließen sich natürlich auch Situationen, unter denen Polizeibeamte bspw. von einer Demonstrantenmenge eingekeilt werden, prächtig als 'versuchte Geiselnahme' umkonstruieren. Der Freibrief zum gezielten Töten von künftigen 'politischen Gewalttätern' und somit auch der nachträgliche Freispruch für die lange Reihe der ohnehin nie gesühnten Staatsmorde, anfangend mit Philipp Müller 1952, über Benno Ohnesorg 1967 bis Carlo Giuliani 2001 wäre hiermit ausgestellt.

Der sogenannte Unterbringungsgewahrsam vor Großveranstaltungen wie etwa den Castor-Transporten wird laut Entwurf von bisher 4 auf 10 Tagen ausgedehnt. Verurteilte Gewalttäter können nachträglich auch in Sicherheitsverwahrung genommen werden. Wer 'potenzieller Gewalttäter' ist, bestimmen die Staatsorgane. Die Organisatoren von Kundgebungen können bspw. in Beugehaft genommen werden: Göteborg 2001, wo dies vor einem europäischen Gipfeltreffen von der schwedischen Polizei praktiziert worden ist, lässt grüßen. Als Schmieröl für eine rund laufende staatliche Gewaltapparatur soll die Aburteilung von missliebigen Personen oder Gruppen in dem Zuge ebenfalls beschleunigt abgewickelt werden.

Gleichfalls eindeutig politische Absichten verfolgt die Bestimmung, wonach Platzverweise, Aufenthaltsverbote für bestimmte Orte für volle zwei Wochen gegen 'auffällige' Demonstranten ausgesprochen werden können
Außerdem erhält die Polizei mehr Befugnisse zur Überwachung. Sie darf in Zukunft 'IMSI-Catcher' einsetzen, mit denen sie die Standorte von Handy-Nutzern aufspüren kann. Observationen müssen sich die Ordnungshüter erst nach Ablauf eines Monats vom Gericht genehmigen lassen. Bislang hatte das binnen einer Woche zu geschehen.

Das ganze Vorhaben läuft auf der Linie einer ideologischen Offensive, den Begriff 'öffentliche Ordnung' wieder als Schutzgut zu verankern. "Damit können wir besser gegen Spucken, wildes Plakatieren, Pöbeln und aggressives Betteln vorgehen", meint H.C. Biallas, ein niedersächsischer CDU-Fachmann für innere Angelegenheiten. Selbst wenn diese enge Auslegung von ordnungsstörenden Faktoren für bar genommen wird, ist die Botschaft unmissverständlich: jede Form von Äußerung, die nicht von der herrschenden Klasse dekretiert wird, ist als Angriff auf die staatliche Autorität aufzufassen.

Selbstverständlich erfordert die Umsetzung all dieser gesetzgeberischen in physisch erfahrbare Gewalt vor allem eins: die Aufrüstung des Knast- und Polizeiapparats. Erkauft werden kann dies nur durch weiteren Sozialraubbau aus den Taschen der Lohnabhängigen.

Die antikapitalistische Bewegung und die Arbeiterbewegung müssen diese Herausforderung ernst nehmen. Der Abbau demokratischer Rechte und ihr Zusammenhang mit dem allgemeinen Sozialabbau muss auf Sozialforen, in Betrieben und Gewerkschaft diskutiert werden, eine Kampagne zur Verteidigung hart erkämpfter demokratischer Rechte organisiert werden.

Die Offensive von bürgerlichem Staat und Medien darf aber auch auf einer anderen Ebene nicht unbeantwortet bleiben. Sicherheit brauchen auch wir - vor dem Staatsapparat! Eigene Selbstverteidigungsorgane, beginnend bei Streikkomitees, Streikpostenketten, Stadtteilausschüssen und gemeinsamen Ordnerdiensten auf Demonstrationen müssen ihm in den kommenden Kämpfen entgegengesetzt werden.

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