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Frankreich

Mehr als eine Million gegen den Angriff auf ArbeiterInnenrechte

K. D. Tait, Infomail 888, 18. Juni 2016

Mehr als 1 Million Menschen marschierten am 14. Juni in Paris aus Protest gegen den Versuch der Regierung, den Code du Travail, das Arbeitsgesetz, zunichtezumachen, mit dem die Arbeitsrechte geregelt werden, darunter die 35 Stunden-Woche, das kollektive Verhandlungsrecht und die Überstundenbegrenzung.

Die Spitze des Demonstrationszuges hatte schon seinen Zielort erreicht, während sich das Ende gerade vom Place d’Italie wegbewegte. Eine 5 km lange Ansammlung von GewerkschafterInnen und jungen Menschen aus ganz Frankreich traf zusammen, vereint in der Gegnerschaft gegen die Regierung der Sozialistischen Partei, die angeblich versucht, die Beschäftigung zu erhöhen, indem sie es den Unternehmen leichter machen will, ArbeiterInnen zu entlassen und sie durch ZeitarbeiterInnen und prekäre Lohnabhängige zu ersetzen.

Seit langem ist dies die erste Demonstration dieser Größenordnung für die französische ArbeiterInnenbewegung  gewesen und hat die militantesten Teile der ArbeiterInnenklasse im Einsatz gesehen.

Die landesweite Demonstration gegen das Arbeitsmarktreformgesetz fand statt, als die Eisenbahner- und Müllabfuhrstreiks zu nehmend Wirkung zeigten. Eine Zeremonie zum Empfang des Europokals für 2016 im größten Pariser Bahnhof Gare du Nord musste abgesagt werden, als der Bahnhof von protestierenden ArbeiterInnen besetzt worden war. Unrat türmt sich in den Straßen, zumal die Müllhalden blockiert werden.

Die Regierung von Präsident Hollande war gezwungen, ihre Drohungen zum Einsatz von Notstandsvollmachten, um die ArbeiterInnen an den Arbeitsplatz zurück zu zwingen, abzublasen. Aber der lange Aufschub bei Aufruf und Mobilisierung von landesweite Stärke beweisenden Widerstandsmaßnahmen hat auch mit sich gebracht, dass einige Ölraffinerien und Betriebe nach wochenlangen Streiks wieder zu arbeiten begonnen haben.

Ein weiterer Aktionstag ist für den 28. Juni anberaumt worden, aber die GewerkschaftsführerInnen, insbesonders von der CGT, müssen ihre Mitgliedschaft schon davon überzeugen, dass ihre Strategie ist, die Schlacht zu gewinnen; sonst sitzt bei einem Abnutzungskampf die Regierung am längeren Hebel. Deshalb würde eine falsche Strategie, die nicht auf die Entscheidung drängt, die Arbeiterschaft eher ermüden als die Regierung.

Die CGT will sich mit RegierungsvertreterInnen treffen. Die riesige Demonstration und die Unterbrechung der industriellen Produktion wird gewiss auch Druck auf die Regierung ausüben.

Aber an diesem Punkt kann es keinen zufriedenstellenden Kompromiss zwischen beiden Seiten geben. Die Regierung hat bereits einige Zugeständnisse angeboten, doch nun steht die Frage im Raum: entweder Rücknahme oder Durchsetzung des Gesetzes.

Wenn die Gewerkschaften der Regierung nicht noch Schlimmeres androhen, d. h. einen Generalstreik, der sie aus dem Amt jagen würde, müssen die Parteispitzen der PS glauben, dass sie auch eine weitere Runde von Demonstrationen überstehen können.

Die Zeit arbeitet für die Regierung. Je länger die Streiks andauern, desto stärker wird sie die Euro-Konkurrenz nutzen. Die Störungen des öffentlichen Lebens wie auch das Klima der Angst, gesteigert durch die jüngsten terroristischen Anschläge, denen ein Polizeibeamter und seine Frau zum Opfer fielen, könnten der öffentlichen Sympathie für die Widerstandsbewegung das Wasser abgraben.

Auf Vollversammlungen müssen sich die französischen ArbeiterInnen darauf einstellen, die notwendigen Maßnahmen zu initiieren und zu koordinieren, wenn ihre FührerInnen dies verweigern. Dazu ist es unbedingt erforderlich, die Forderung nach dem Generalstreik zum Stopp der Angriffe an die Gewerkschaftsführungen, allen voran die CGT zu richten.

Im Zeitraum von nur wenigen Monaten hat die französische ArbeiterInnenklasse ihre Macht gegenüber der herrschenden Klasse erprobt. In ihrer Antwort auf die arbeiterInnenfeindlichen Reformen in ganz Europa und innerhalb der Europäischen Union hat sie gezeigt, dass die Antwort auf die Offensive des Kapitals und ihrer Regierungen nur lauten kann: Aufstehen, Organisation des Widerstands, und den Angriffen von Seiten des einheimischen und internationalen Kapitals trotzen.

Das Beispiel haben die belgischen ArbeiterInnen grenzübergreifend aufgegriffen und bekämpfen ähnliche Attacken. Unsere eigene Gewerkschaftsbosse jedoch ziehen es vor zu behaupten, dass die Europäische Union ihnen Rechte garantiert, statt auszusprechen, dass dies nur durch die Kraft der ArbeiterInnenbewegung erkämpft und verteidigt werden kann.

Die SozialistInnen in Britannien, die für den Austritt aus der EU sind, werden, wenn sie sich durchsetzen, zu Komplizen des Nationalismus, dessen Gift sich in ganz Europa ausbreitet und das in die Arbeiterbewegung eines jeden Landes eindringen und sie damit anstecken würde. Auch sie werden gewollt oder ungewollt damit einen Beitrag leisten zur Stärkung des französischen antieuropäischen Chauvinismus des Front National  von Marine Le Pen, der sich als „wahre“ Partei der französischen ArbeiterInnen ausgibt.

Unser Ziel muss der kollektive Kampf gegen die „Reformen“ und Institutionen der EU mit dem Ziel sein, die Einheit und Vorherrschaft der kapitalistischen Ökonomie durch einen freiwilligen Zusammenschluss und Zusammenarbeit aller Völker Europas zu ersetzen – die vereinten sozialistischen Staaten von Europa.

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Nr. 210, Juni 2016
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