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Anti-Nazi-Aktionen in Magdeburg

Stadt, Land und Polizei geben Nazis Geleitschutz

Ninjana Berger, Infomail 665, 21. Januar 2013

Es war ein guter Tag für die knapp 1.000 am 12. Januar in Magdeburg marschierenden Neonazis, deren Motto „Ehrenhaftes Gedenken statt Anpassung an den Zeitgeist“ hieß.

Die politisch Verantwortlichen, die Polizei - in enger Kooperation mit der Deutschen Bahn - hatten den Aufmarsch der Nazis sicher gestellt. Als Zugabe, sozusagen als Zuckerstück, durften die Nazis eine Kundgebung direkt vor einem linken Zentrum abhalten, während die Polizei nur darauf zu warten schien, den linken Infoladen zu stürmen. Solch einen politischen Beistand hatten selbst die hartgesottensten Nazis nicht erwarten können. Da blieb ihnen nur ein „dickes Dankeschön“ an die Einsatzleitung und die Polizei.

Sachsen-Anhalts Innenminister Stahlknecht (CDU), Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) und die Mandatsträger der Stadt Magdeburg hatten das sonst oft übliche Verbot der braunen Demo nicht einmal in Erwägung gezogen.

Anderes war möglich

Dabei hätte alles ganz anders laufen können. Ein erst im Mai 2012 gegründetes antifaschistisches Bündnis hatte ganz klar auf die Blockade des alljährlichen grotesken und geschichtsrevisionistischen Trauermarsches der Nazis gesetzt.

Das war schon deshalb wichtig, weil der Aufmarsch in Magdeburg neben Dresden, Dortmund oder Bad Nenndorf zu einem der größten Naziaufmärsche in Deutschland zu werden droht. Dass diesmal weniger Nazis als erwartet kamen, sollte nicht als Trendwende interpretiert werden, denn schwankende Zahlen gab es schon in der Vergangenheit.

Schon zum 14. Mal nahmen die Nazis die Bombardierung der Stadt Magdeburg im 2. Weltkrieg durch alliierte Kräfte zum Anlass, ihre menschenverachtende und rassistische „Gedenkkultur“ auf die Straße zu tragen. Dabei dient dieses absurde Schauspiel neben der Präsenz nach außen v.a. als der Konsolidierung nach innen. Nach den erfolgreichen Blockaden in Dresden und dem Desaster in Dortmund scheint Magdeburg in ihren Augen offensichtlich zur Alternative zu werden.

Magdeburg als ehemalige Rüstungsstadt Nazi-Deutschlands, wo mehr als 50.000 ZwangsarbeiterInnen allein in der Kriegsproduktion geschunden wurden, eignet sich zwar nicht so gut als „Opfer“ wie Dresden. Doch solange man dort ungehindert marschieren kann, ist das nebensächlich. Darum geht es den Nazis in Magdeburg auch um die “Helden der deutschen Wehrmacht”, um die Opfer der Bombenangriffe und letztlich um die Trauer über das Ende eines brutalen faschistischen Regimes.

Der meist stumme, von dramatischen Wagnerklängen begleitete braune „Trauerzug“ wurde im letzten Jahr trotz des engmaschigen Geleitschutzes der Polizei durch kleinere Blockaden und pyrotechnische Attacken gestört. Dieses Szenario sollte in diesem Jahr unter allen Umständen verhindert werden. Das schienen sich Stahlknecht und seine Schergen auf die Fahnen geschrieben zu haben.

Das linke Bündnis „Magdeburg nazifrei“ hatte es nicht leicht, den Blockadeaufruf in breiten Schichten der Bevölkerung zu etablieren. Das konkurrierende Magdeburger „Bündnis gegen rechts“ lud zur 5. „Meile der Demokratie“ ein, einem Spektakel, das längst zum festen Bestandteil der Magdeburger Fest-, Feier- und Kommerzkultur geworden ist. „Magdeburg Nazifrei“ warb dagegen bundesweit für ein Blockadekonzept und hatte sehr detailliert und präzise verschiedene Blockadeszenarien ausgearbeitet. Die BürgerInnengesellschaft hat das bewusst ignoriert und sich vom „Extremismus“ abgegrenzt – zu dem für so manche „BürgerInnen“ auch verschiedene Formen von kämpferischem Antifaschismus gehören.

Auch Innenminister Holger Stahlknecht (CDU), der Blockadeaufrufe gegen Nazidemos aus „Demokratiegründen“ ablehnt, warnte eindeutig vor „Gewalt“ aus dem Spektrum der AntifaschistInnen, die dem Blockadeaufruf gefolgt waren. Dafür holte Stahlknecht 2.000 Bereitschaftsbullen aus dem Bundesgebiet.

Was am 12. Januar folgte, war ein Mix aus massiver Repression und Irreführung der 3.000, aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten AntifaschistInnen. Während die angemeldete und frühzeitig blockierte Naziroute von den Bullen zeitweise unbehelligt, zeitweise massiv bedrängt wurde, war die Verwirrung perfekt.

Die Infostrukturen des Bündnisses waren nicht ausgereift genug, um aus den Ereignissen und Indikatoren einer sich abzeichnenden Strategie der Bullen wirksame Blockaden und  Gegenaktionen abzuleiten.

So war die Staatsmacht immer zwei Schritte voraus. Sie konnte den Nazis einen sicheren Geleitschutz bieten und nebenbei aktive AntifaschistInnen reprimieren, um den von  Stahlknecht befürchteten „Demonstrationstourismus“ möglichst zu verhindern.

Mehr als 100 verletzte AntifaschistInnen, davon zwei schwer, sprechen Bände - v.a., weil zwischen den marschierenden Nazis und den Gegenaktionen mehrere Kilometer abgeriegeltes Gelände lag und es keine Möglichkeit zur „Eskalation“ gab. Eskaliert hat in diesem Sinne nur einer: die Polizei selbst.

Dass dieses vehemente Engagement gegen AntifaschistInnen in der nachfolgenden Woche von höchstrichterlichen Entscheidungen flankiert wurde, ist natürlich kein Zufall. Es zeigt vielmehr ein weiteres Mal, wo der „demokratische Staat“ und seiner Institutionen stehen.

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