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Pakistan

Ärzte nehmen den Kampf wieder auf

Shahzad Arshad, Revolutionary Socialist Movement, Pakistan, Infomail 637, 15. August 2012

Im Juni 2012 traten junge Ärzte und Ärztinnen im Bundesstaat Punjab für drei Wochen in den Streik. Sie kämpften gegen schlechte Bezahlung, lange Arbeitszeiten und Personalmangel.

Ein mutiger und militanter Kampf entwickelte sich. Obwohl in der Öffentlichkeit  Dankbarkeit für die Arbeit der ÄrztInnen als hohes Gut gilt, haben die bürgerlichen Medien den Streik als „unmenschlich“ verdammt. Sie behaupteten, der Streik sei verantwortlich für den Tod von PatientInnen, dass die Bezahlung der MedizinerInnen schon hoch genug sei und dass der Staat kein Geld hätte, um dies zu erhöhen.

Die Medien stellten die Behauptung auf, die ÄrztInnen würden die Gesellschaft „erpressen“ und riefen den Staat auf, hart einzugreifen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. In Wirklichkeit wiederholten die Medien nur die Linie der Punjab-Regierung.

Der Kampf der Ärzte stand isoliert da - die Regierung nutzte diese Lage aus, um brutale Repression gegen die Streikenden einzusetzen: 450 wurden festgenommen, 50 eingesperrt und etliche schwer verletzt.

Ende Juni schritt die Justiz ein. Sie forderte die Regierung auf, in Verhandlungen einzutreten - die Ärzte wurden gezwungen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Jede Streikaktion im Juli wurde verboten und als illegal eingestuft. Die Regierung hat es abgelehnt, irgendwelche Kompromisse auszuhandeln - in der Hoffnung, dass die angeordnete Rückkehr zur Arbeit die Moral  und Willenskraft des Streiks brechen würde.

Doch damit lag sie falsch! Trotz des reaktionären Verbots des Streiks, trotz der  Beschimpfungen der Medien, haben die Ärzte diskutiert und bereiteten sich vor, den  Kampf wieder aufzunehmen. In den letzten Wochen haben sie wieder größere Kundgebungen und Demonstrationen abgehalten. Sie haben jedoch nicht zu einem Streik aufgerufen, weil sie Angst vor Repressionen haben und dass man sie wieder isolieren würde.

Um mehr Druck aufzubauen, haben Sie ihre Taktik nun geändert. Ihr Ziel ist es, sich nicht nur mit anderen ArbeiterInnen im Krankenhausbereich zu verbinden, sondern auch die PatientInnen und deren Angehörige einzubeziehen und sie zu den  Kundgebungen und Demonstrationen zu  mobilisieren. So hoffen sie auf eine breitere öffentliche Unterstützung und wollen die Lügen von Regierung und Medien bloßlegen.

Gesundheitssystem

Während der Auseinandersetzung haben Staat und Presse versucht, den Kampf als einen zwischen einzelnen Ärzten und der Gesellschaft darzustellen. Sie behaupten, dass die ÄrztInnen nur auf Kosten ihrer PatientInnen streiken.

Die Propaganda der Regierung, die die Verantwortung, Leben zu retten, in die Hände einzelner Ärzte legt, ist an sich schon ein Betrug. Unter modernen Bedingungen ist es das Gesundheitssystem als ganzes, von dem die Überlebenschancen und die Versorgung der Masse abhängigen - nicht nur das Geschick des einzelnen Arztes. Der überwiegende Teil der ÄrztInnen - und besonders der jüngeren - haben aufgehört, zur Bourgeoisie oder zur gehobenen Mittelklasse mit mehr oder weniger Privilegien zu gehören. Zunehmend arbeiten gerade AssistenzärztInnen unter Bedingungen und Arbeitsverträgen, die jenen der Masse der Lohnabhängigen gleichen.

In mancher Hinsicht sind ihre Bezahlung und Arbeitsbedingungen - wie die von nicht-ärztlichem Personal im Gesundheitswesen - schlechter als die der Angestellten im Öffentlichen Dienst. Grundsätzlich gilt für den Öffentlichen Dienst, dass die Eingruppierung, und damit die Bezahlung, im Laufe der Dienstjahre automatisch erhöht wird. Dies gilt in Pakistan aber nicht für den medizinischen Dienst. Das ist der Grund, warum die ÄrztInnen eine ähnliche Struktur fordern, wie sie in anderen Bereichen üblich sind.

Auf der anderen Seite ist es so, das die arbeitende Klasse und die Armen oft keine  moderne medizinische Versorgung bekommen, sondern auf traditionelle und  unwissenschaftliche Behandlungen angewiesen sind. Doch dies hat nichts damit zu tun, dass die ÄrztInnen ihre PatientInnen fehlerhaft behandeln.

Es liegt daran, dass der Staat nur 1,2% des gesamten Etats für die medizinische Versorgung ausgibt, während Milliarden und Abermilliarden von Rupien für das Militärbudget und die Bedienung der Auslandsschulden ausgegeben werden. Der katastrophale Niedergang des Gesundheitssystems wird schon daran, dass ein Arzt im Durchschnitt für 18.000 Menschen zuständig ist.

Die Gewerkschaften haben errechnet, dass eine angemessene Erhöhung des Personals, die Steigerung der Löhne und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie der Bau oder die Verbesserung von Krankenhäusern, eine Erhöhung das Staatshaushalts für die medizinische Versorgung auf mindestens 8% erfordern würde.

In dieser Situation fordern die jungen AssistenzärztInnen:

eine neue Einkommens- und Karrierestruktur;

eine Erhöhung des Gesundheitsbudgets;

das Ende der Privatisierung von medizinischen Diensten;

mehr Krankenhäuser und mehr ÄrztInnen;

eine neue Einkommensstruktur auch für Krankenschwestern und medizinisches Hilfspersonal.

Ausbreitung der Bewegung

Das Gejammer und Geschrei gegen die Bewegung der AssistenzärztInnen ist leicht zu verstehen. Die Regierung fürchtet ähnliche Bewegungen in anderen Sektoren des Öffentlichen Dienstes, wenn Sie den Forderungen der ÄrztInnen nachgibt. In Wahrheit richtet sich der Kampf der Ärztebewegung gegen die neoliberalen Wirtschaftsmaßnahmen und gegen die unglaubliche Bereicherung der Kapitalisten und Großgrundbesitzer auf der einen Seite und die immer größere Verarmung der arbeitenden Menschen in Stadt und Land auf der anderen Seite.

Sollten die Ärztinnen Erfolg haben, könnte dies zu einem mächtigen Antrieb im Kampf der arbeitenden Klasse für  bessere Bezahlung und bessere öffentliche Dienstleistungen führen. Das erklärt, warum der Punjab-Regierung jedes Mittel recht ist, um die Bewegung zu zerstören. Im Juni setzten sie sogar Militärärzte als Streikbrecher ein, aber damit konnten Sie das Problem nicht lösen. Stattdessen gab es Zeichen einer steigenden Kampfbereitschaft. Der Kampf wird unterstützt von jungen Ärzten aus anderen Regionen, auch die Krankenschwestern und Helfer drohen mit einem Streik, sollte die Regierung nicht die gefangenen Ärzte freilassen und ihre Forderungen akzeptieren.

Erfolge der Bewegung

Soll die Streikbewegung noch einmal beginnen und siegen, braucht sie die Solidarität der Krankenschwestern, der Helfer und der gesamten Arbeiterbewegung. Unter diesen Umständen ist es wichtig, dass die Ärzte Kontakt aufnehmen mit Gewerkschaften, StudentInnen, Rechtsanwälten, der Arbeiterklasse und den Armen, damit diese  verstehen, wofür sie kämpfen.

„Revolutionary Socialist Movement“, die pakistanische Sektion der Liga der Fünfte  Internationale, steht geschlossen hinter der Bewegung. Dafür haben wir von einzelnen Linken Kritik geerntet. Die Ärzte, so behaupten Sie, würden hoch bezahlt und wir sollten die „Seite der armen Patienten“ unterstützen. Wir glauben dagegen, dass dies eine komplette Kapitulation vor die Hegemonie der neoliberalen Ideologie wäre. Der Kampf wird nicht zwischen Ärzten und PatientInnen ausgetragen, sondern zwischen Ärzten und der Regierung. Jeder Linke sollte eigentlich wissen, auf welcher Seite er in dieser Auseinandersetzung steht. Oder sollen wir gegen jede Bewegung und jeden Streik sein, der Auswirkungen auf die Bevölkerung hat? Sollen wir gegen Streiks der BahnarbeiterInnen sein, weil diese die Fahrpreise erhöhen könnten?! Oder gegen Streiks bei den Wasser- und Energieunternehmen (WAPDA) o.a. Dienstleistern? Nein! Revolutionäre Sozialisten müssen  hinter diesen Arbeitskämpfen stehen, die durch die Krise des Systems entstanden sind. Sie müssen darauf hinweisen, dass die Reichen, die korrupten Politiker und das Militärs zahlen sollen  und dass die Interessen der Beschäftigten im Gesundheitswesen - auch der Ärzte - und die der Nutzer dieser Dienste die gleichen sind.

Wir fordern:

eine anständige Einkommensstruktur für junge ÄrztInnen;

eine Erhöhung des Gesundheitsbudgets auf 8%, um damit die Bezahlung und das gesamte Gesundheitssystem zu verbessern;

freie und öffentliche medizinische Versorgung für alle - bezahlt durch die Besteuerung der Reichen, Profite, Vermögen und des Grundbesitzes;

Öffnung der Bücher und Verträge zwischen Pharmaunternehmen, Krankenhäusern und staatlichen Stellen und deren Untersuchung durch Arbeiterinspektionen;

Reorganisierung des Gesundheitssektors unter Arbeiterkontrolle.

Um unsere Forderungen zu erfüllen, brauchen wir einen unbefristeten Streik im  Gesundheitswesen. Selbstverständlich bedarf es einer Notversorgung während des Kampfes, aber die sollte unter der Kontrolle der Streikenden in Zusammenarbeit mit den PatientInnen organisiert werden. Um zu verhindern, dass der Kampf der AssistenzärztInnen isoliert wird, rufen wir alle Gewerkschaften auf, den Kampf zu unterstützen. Wir treten für Vollversammlungen für alle Angestellten, Ärzte und  Krankenschwester u.a. Personal ein, für gewerkschaftlich Organisierte und Unorganisierte. Diese Versammlungen sollen Streikkomitees wählen, um den Kampf zu führen und die Streiks zu koordinieren.

Wie das Urteil des Obersten Gerichts zeigt, werden alle Institutionen des Staates benutzt, um gegen die Streikenden vorzugehen. Die gesamte Arbeiterbewegung muss daher den Kampf unterstützen und fordern, dass die Anklagen gegen die ÄrztInnen und alle Einschränkungen des Streikrechts aufgehoben werden.

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