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Spanien

150.000 begrüßen Bergarbeitermarsch

K. D. Tait, Infomail 633, 20. Juli 2012

Massenhaft wurde der ‚schwarze Marsch’ der streikenden Bergleute aus Asturien, Leon, Palencia und Teruel auf den Straßen der spanischen Hauptstadt willkommen geheißen. Sprechchöre wie ‚Lang lebe der Kampf der Arbeiterklasse’ und die „Internationale“ erklangen immer wieder. Die Menge rief: „Bergleute, haltet aus, Spanien erhebt sich!“

Der Marsch zog sich durch die ganze Nacht hindurch, erhellt durch Grubenlampen und Fackeln und wurde erst durch Polizei mit Gummigeschossen gegen die DemonstrantInnen gestoppt, als die Menge sich anschickte, Absperrungen rund um das Industrieministerium zu durchbrechen. Bei Auseinandersetzungen kam es erstmals auch dazu, dass sich Feuerwehrleute in Uniform, die in Spanien als öffentlich Bedienstete zu Hilfspolizei-Tätigkeiten herangezogen werden, auf der Seite der DemonstrantInnen beteiligt und offen gegen die Staatsgewalt der Polizeitruppen gewendet haben.

Streik der Bergleute

Die Kohlebergleute gehören den Hauptgewerkschaften UGT und CCOO an und befinden sich seit 6 Wochen im Proteststreik gegen die Entscheidung des konservativen Premierministers Mariano Rajoy und seiner Volkspartei Partido Popular-Regierung, die Beihilfe für die Kohleindustrie um zwei Drittel zusammen zu streichen. Das bedeutet Grubenstilllegungen und die Verwüstung der Bergarbeitergemeinden.

Über 200 Bergleute waren in glühender Hitze von Nordspanien aus aufgebrochen mit Unterstützung durch die örtliche Arbeiterbewegung und linke AktivistInnen. Ihr Fußmarsch führte sie durch Städte und Dörfer. Weitere Bergarbeiter, deren Familien und Menschen aus den Bergbaugemeinden erreichten Madrid in 500 Bussen. Dieser Marsch spornte den Widerstand gegen das krasse Sozialvernichtungspaket an, das die Rajoy-Regierung seit ihrem Amtsantritt Ende 2011 aufgelegt hat und durchsetzen will.

Rezession

Spanien ist hart von der Rezession betroffen – und steht vor weiterem Niedergang. Die Wirtschaft wuchs von 1999 bis zum Krisenausbruch 2007 im Schnitt um 3,7%. Seitdem schrumpft sie jedoch jährlich um 1%. Der unmittelbare Grund für die spanische Krise liegt in den gewaltigen Anleihen der spanischen Banken, um die Immobilienspekulation in den Boomjahren anzuheizen. Der Umfang der Verkäufe der giftigen Schulden der Banken ist aufgrund des Geschäftsgeheimnisses nicht bekannt.

Natürlich stimmen alle PolitikerInnen der Sozialistischen Partei und der Volkspartei überein, dass diese Banken zu groß sind, um fallen gelassen zu werden. Deswegen wollen sie und das Kapital Stellen und Sozialleistungen für die arbeitende Bevölkerung opfern, damit die Spekulanten und milliardenschweren europäischen Investoren bezahlt werden, die ihnen Geld zu großzügigen Zinssätzen geliehen haben. Dieses Schmarotzerpack soll also nun zu Lasten der spanischen Arbeiterschaft, der Kleinbauern, der Jugend und von Regionen wie Asturien, die durch die Schließung von Versorgungsindustrien in eine Wüste verwandelt werden, ausgekauft werden.

Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass der Bankensektor eine Finanzspritze von mindestens 40 Mrd. Euro braucht, doch die von der spanischen Regierung eingesetzten Kommisionen haben die Summe auf 62 Milliarden beziffert. Der Europäische Finanzstabilitätsfonds bzw. der Europäische Stabilitätsmechanismus wollte den Banken des Landes Finanzhilfen von 30 Mrd. Euro gewähren und bereit sein, diesen Betrag nötigenfalls auf 100 Mrd. Euro aufzustocken. Dies zumindest haben die Finanzminister der Eurozone versprochen, erschreckt von dem Gedanken an die Auswirkungen eines spanischen Bankenzusammenbruchs, der das europäische Bankensystem zum Großteil in den Ruin treiben und dazu beitragen könnte, die Eurowährung in Stücke zu reißen.

Aber selbst diese beträchtliche Geldmenge konnte die Märkte nicht beschwichtigen, deren Geier von Griechenland herüber gekommen ist und nun über dem siechen spanischen Staat kreisen. Die Zinssätze für eine 10 Jahres-Anleihe haben sich kaum seit der Ankündigung der Bankenrettung verändert und stehen nahe der 7%-Marke, was allgemein als untragbar gilt.

Verarmung und weitere Angriffe

Die normale Bevölkerung ist in der Tat stark betroffen. Die Arbeitslosenquote hat fast 25% erreicht, steuert bei Jugendlichen gar die 50% an und steigt weiter. Für dieses Jahr wird ein wirtschaftliches Minuswachstum von 1,7% vorhergesagt. Wirtschaftsfachleute erwarten, dass die spanische Rezession sich 2012 und 2013 weiter vertieft.

Rajoy versucht, einen Teil der Arbeiterklasse gegen einen anderen auszuspielen und sagt, in der Privatwirtschaft wären seit 2007 zwar 3 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen, dafür seien aber im öffentlichen Dienst 289.000 neue Stellen entstanden.

Spaniens Staatshaushalt sieht  für 2012 Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen von 27 Mrd. Euro vor.

Als die Bergarbeiter in Madrid anrückten, hatte Regierungschef Rajoy einen höhnischen Gruß in Form der Ankündigung einer erneuten unverschämten Kürzungsrunde parat. Die Mehrwertsteuer soll von 18 auf 21% steigen, was die Lebenshaltungskosten deutlich verteuern würde. Auch den Kommunen werden die Geldmittel stark beschnitten. Eine Sondersteuer für den Energiesektor wird die Stromrechnungen für Privathaushalte in die Höhe treiben. Den ArbeiterInnen des öffentlichen Dienstes wird das Weihnachtsgeld gestrichen, den Arbeitslosen werden nach einem halben Jahr die Bezüge gekürzt.

Mit diesem 65 Milliarden-Kürzungsprogramm treibt Premier Rajoy einzig die Sorge um, Merkel und die Märkte zufrieden zu stellen, obwohl angeblich die Spanienhilfe der EU bedingungslos erfolgen soll. Aber wer soll das Geschwätz dieser Verbrecher eigentlich noch für bare Münze nehmen?

Zuspitzung

Doch Rajoy muss sich auch andere Sorgen machen. Der Bergarbeitermarsch, seine Aufnahme unterwegs und in Madrid wie auch die wiederholten Massendemonstrationen und Platzbesetzungen an Aktionstagen während des vergangenen Jahres haben weithin die Bereitschaft der Bevölkerung zum Aufstand gezeigt. Was also hält die Arbeiter- und Jugendmassen von einer entscheidenden Konfrontation mit der Regierung zurück? Mit einem Wort: die Führung, oder vielmehr das Nichtvorhandensein einer solchen.

Ähnlich wie mit einer falschen Führung wird die spanische Arbeiterklasse durch die anarchistischen und libertären Vorurteile, keine Führung zu brauchen, im Zaum gehalten, wie sich gerade wieder bei der ‚Empörten’-Bewegung 2011 gezeigt hat. Ihre hartnäckige Weigerung, sich eine revolutionäre Führung zu geben, verdammt sie zur Ohnmacht und utopischen Tagträumereien mit der Folge, die Chancen zu verpassen, einen entscheidenden Schlag zur wirklichen Verhinderung von Austerität zu führen.

Der einzige Weg, um Rajoy, genau wie Zapatero vor ihm, in die Knie zu zwingen, ist, diese Regierung auseinander zu jagen. Die Erreichung dieses Ziels ist unauflöslich mit dem Willen zur Machtübernahme der Arbeiterklasse verknüpft. Dazu bedarf es eines umfassenden unbefristeten Generalstreiks und massenhafter Erhebungen in der Bevölkerung.

Ein Generalstreik ist von den Gewerkschaften zwar angekündigt, doch bürokratische und reformistische Abwiegelei und Hinhaltetaktik sind zu erwarten. Dies kann durch Massenversammlungen auf Plätzen und in Betrieben, besonders aber durch demokratische Wahlen von Arbeiterräten, die dies organisieren und vorantreiben, abgewendet werden. Dann ist es möglich, die Macht des kapitalistischen Staates zu zerbrechen, die v.a. durch die verhasste paramilitärische Polizei Guardia Civil verkörpert wird, die die Bergarbeitergemeinden terrorisiert hat. Durch den Aufbau solcher eigener Kampforgane kann auch die Grundlage für einen Arbeiterstaat und eine Arbeiterregierung gelegt werden.

Spanien braucht eine Revolution! Ohne sie werden ihre ArbeiterInnen eine historische Niederlage durch die Rajoy-Regierung und die hinter ihr stehenden Merkel, Hollande und Cameron erleiden.

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