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Griechenland

Wahl-Klatsche für die Sozialraub-Parteien – Chance für die Linke

Dave Stockton, Infomail 622, 11. Mai 2012

Die Wahlen am 6. Mai 2012 haben gezeigt, dass Griechenlands Bevölkerung die Regierungsparteien und ihr „Sparprogramm“ ablehnt und damit auch das Austeritätsprogramm von EU und Internationalem Währungsfonds, das die Bevölkerung Griechenlands in den letzten beiden Jahren hat leiden lassen.

Nea Dimokratia (ND) purzelte von 33,5% (2009) auf 18,9%, ist damit aber immer noch stärkste Parlamentspartei. PASOK ist gar von 43,9% auf 13,2% abgestürzt und nur noch dritte Kraft hinter dem linksreformistischen Syriza-Bündnis, das seinen Stimmenanteil mit nunmehr 16,7% nahezu vervierfacht hat. Die Syriza-Rechtsabspaltung Demokratische Linke Dimar erreichte etwas über 6%.

Linke Einheit?

Der Führer von Syriza, Alexis Tsipras, meinte, er wolle eine Koalition mit anderen linken Parteien bilden, die ebenfalls den Ausverkauf Griechenlands ablehnen: „Die Parteien, die das Troika (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank, Internationaler Währungsfonds)-Memorandum unterschrieben haben, sind nun in der Minderheit. Das öffentliche Urteil hat sie ihrer Legitimität enthoben. (...) Unser Vorschlag ist eine linke Regierung, die mit der Bevölkerung im Rücken das Memorandum ablehnt und den vorbestimmten Kurs unserer Nation ins Elend stoppen wird.“

Die Partei der militantesten, in der Industriearbeiterschaft verankerten Teile der griechischen Arbeiterklasse, die Griechische KP (KKE) gewann verhältnismäßig wenig angesichts der allgemeinen Polarisierung der griechischen Politik zwischen links und rechts. Sie erhielt 8,4% der Wählerstimmen, nur 0,9% mehr als 2009.

Natürlich sind wie bei allen Schattierungen der kapitalistischen Demokratie viele verzerrende Klauseln in der griechischen Verfassung festgeschrieben, um den Willen der Bevölkerung zu unterlaufen und zu sichern, dass das Ergebnis eben nicht die ‚Herrschaft des Volkes’ ist. Nea Dimokratia erhält als ‚Wahlsieger’ 50 Auffüllsitze, im ganzen 110 bei einer Gesamtanzahl von 300 Parlamentsabgeordneten - und das mit weniger als 20% der Stimmen. Die nicht einmal 3% dahinter rangierende Syriza muss sich dagegen mit über 50% weniger Sitzen (51) zufrieden geben!

Syriza hat sich zweifellos emporgeschwungen, wenn auch nur als reformistische Alternative zu den ‚großen Parteien’. Sie hat zu einem linken Bündnis aufgerufen, das die ‚Austeriät ablehnt’. Die KKE hat ziemlich schlecht abgeschnitten, denn trotz aller linken Töne und der mit ihr verbundenen militanten Gewerkschaft PAME behindert sie die Formierung einer solchen Regierung der Ablehnungsfront.

Außerdem haben KKE und PAME trotz ihrer linksstalinistischen ‚revolutionären’ Rhetorik zwei Jahre lang Aufrufe zum unbefristeten Generalstreik verweigert, der die Austeritätsregierung hätte stürzen können. Angesichts der Schärfe der griechischen Krise und der revolutionäre Lage, die sich in einer Reihe von ein- bis zweitägigen Generalstreiks manifestierte, zeigt allein diese Tatsache, dass ihre „Unbeugsamkeit“ frei erfunden ist.

Der Pendelschwung zu den linken Parteien und das Anwachsen der Nazi-Partei Chrysi Avgi“  („Goldene Morgenröte“) mit 6.9% und 21 Sitzen sind ein klarer Hinweis auf die ernste vorrevolutionäre Lage in Griechenland.

Unter solchen Umständen ist die Weigerung der KKE, eine Koalition mit anderen linken Parteien einzugehen, weil dies eine bürgerliche Regierung wäre, ein massives Hindernis, die rechten pro-Austeritäts Parteien von der Regierung fernzuhalten. Die Haltung der KKE ähnelt der Politik der KPD in der ‚Dritten Periode’ 1929-33, die auch eine Einheitsfront mit der reformistischen SPD und den großen Gewerkschaften gegen die Nazis verweigert hatte, weil jene reformistisch und pro-kapitalistisch wären.

Auch das Ergebnis von kleinen Gruppen der äußersten Linken, die sich in Antarsya zusammen geschlossen haben, ermutigt mit einer Steigerung auf rund 1,2%. Antarsya besteht aus 10 linken Organisationen, u.a. der Sektion der Vierten Internationale (OKDE-Spartakos) sowie der Internationalen Sozialistischen Tendenz (SEK). Antarsya steht für „Antikapitalistische Linke Allianz für den Umsturz“, klingt aber gleichzeitig wie das griechische Wort für Meuterei.

Antarsya hat eine militante Politik der Ablehnung der EU-Schuldenmemoranden und Schlüsselforderungen zur Verteidigung und Wahrung der sozialen Errungenschaften, Löhne und Arbeitsplätze der Arbeiter- und anderer unterdrückter Klassen vorgeschlagen. Ihre Schlüsselforderungen sind:

Sofortige Aufkündigung der Anleihenvereinbarung, aller Schulden-Memoranden und ähnlicher Auflagen;

Nichtanerkennung der Schulden, für Schuldenstreichung und gegen die Verzögerung der Auszahlungen;

Bruch mit dem System, mit dem Euro und der EU;

Entschädigungslose Verstaatlichung der Banken und Großunternehmen unter Arbeiterkontrolle;

Sofortige Lohn- und Rentenerhöhungen, Abschaffung der Kopfsteuer und Heraufsetzung der Kapitalsteuern;

Verhinderung von Entlassungen und voller Schutz für die Erwerbslosen, Verkürzung der Arbeitszeit und des Rentenalters;

  Enteignung der geschlossenen Betriebe und Wiederinbetriebnahme und unter Kontrolle durch die Beschäftigten;

Versorgung mit billigen und guten Lebensmitteln durch Landgenossenschaften, arme und Mittelbauern ohne Zwischenhandel und Großproduzenten.

Um diese Maßnahmen durchzusetzen, ruft Antarsya zu „einer Erhebung der gesamten Arbeitsbevölkerung“, zu einer „antikapitalistischen Revolution“ auf. Antarsya erklärt: „Unser Weg führt uns zum Bruch mit dem Kapitalismus, zum Sturz des derzeitigen autoritären politischen Systems und zu seiner Ersetzung durch eine Demokratie und die Macht der Arbeiter. Sie und das Volk sollen die weitestgehende Kontrolle ausüben. Wenn die Einheitsfront von Arbeitern, Intelligenz und schöpferisch tätigen Menschen die Führung übernimmt, können wir in Würde unsere gesellschaftlichen Produktivkräfte kollektiv nutzen und mit der Logik von Profit, Markt, ‚Konkurrenzfähigkeit’ und Umweltverschlechterung brechen.“

Antarsya

Zur Frage der Wahltaktik war das Antarsya-Programm jedoch ein schreckliches Wirrwarr. Es beschäftigte sich überhaupt nicht mit der Frage, dass die reformistischen Parteien Syriza, Dimar, KKE und die Gewerkschaften die große Masse der Arbeiterschaft repräsentieren und dass die Arbeiterklasse die Austeritätspläne ablehnt und nach einem Ausweg mit Hilfe dieser Organisationen sucht. Zwar stimmt es und muss auch klar gesagt werden, dass die ArbeiterInnen Illusionen haben und dass ‚ihre’ Parteien sie verraten werden, aber wir dürfen es nicht dabei belassen.

Die dringendste Frage ist, wie die ArbeiterInnen mit ihren FührerInnen brechen können, ehe sie verraten und besiegt worden sind. Die Führer nur anzuklagen, wird die Illusionen der ArbeiterInnen nie auslöschen und eine neue Führung bilden können. Selbst wenn die Herrschaft der Troika angeprangert wird, so bilden die reformistischen Parteien und Gewerkschaften bei ihrer derzeitigen Politik und Führung ein beträchtliches Hindernis für einen ‚Aufstand der arbeitenden Bevölkerung’ und einer ‚antikapitalistischen Revolution’. Die Frage lautet: Wie kann dieses Hindernis beseitigt werden?

Revolutionäre Strategie muss mehr leisten als Entlarvung und Aktivitäten, so tapfer und energisch auch immer auf lokaler und landesweiter Ebene Proteste, direkte Aktionen, Demonstrationen, Besetzungen und ein- oder zweitägige Generalstreiks sind.#

Antarsya ruft zu einer Einheitsfront auf, aber „mit all jenen, die mit dem System brechen und Revolution wollen“. Das bedeutet allerdings eine Einheitsfront nur mit jenen, die schon mit Antarsyas Zielen übereinstimmen. Das aber ist nicht die Einheitsfront, die die griechische Arbeiterklasse braucht - und schnell braucht -, um sich im gemeinsamen Kampf von der Notwendigkeit einer revolutionären Strategie zu überzeugen. Sie braucht eine Einheitsfront aller Kräfte, die die Austerität ablehnen, gleich ob reformistisch oder revolutionär.

Das darf nicht mit jener Einheit verwechselt werden, die Antarsya selbst braucht. D.h. die Vereinigung der 10 Organisationen in Antarsya zu einer einzigen, demokratischen, disziplinierten und zentralisierten Partei um ein Aktionsprogramm für Arbeitermacht.

Zugleich sollte jene Partei die reformistischen Parteien und Gewerkschaften auffordern, eine Arbeitermasseneinheitsfront zu formieren und sich dabei direkt an die Massenmitgliedschaft und deren Führungen richten.

Auf Stadt- und sogar Dorfebene sollte die Abwehrfront auf dem Widerstand gegen die Kürzungen und Schließungen beruhen, sollten Erwerbslose, SchülerInnen, StudentInnen und RentnerInnen an der Seite von ArbeiterInnen in Öffentlichem Dienst und Privatwirtschaft mobilisiert werden. Massenversammlungen an den Arbeitsplätzen und Örtlichkeiten sollten abwählbare Delegiertenräte wählen. In diesen Organen müssen RevolutionärInnen gegen Sektierertum auftreten und VertreterInnen aller Arbeiterparteien und darüber hinaus  einbeziehen. Das Wachstum der Neo-Nazi Partei „Goldene Morgenröte“ wie auch die Polizeirepression macht die Formierung von Arbeiter- und Jugendschutzbrigaden zu einer wichtigen Aufgabe auf lokaler Ebene.

Aber auch eine solche Einheitsfront wird ineffektiv sein, den Einfluss der reformistischen Führer über die Massen zu brechen. Erst wenn sie auch diese Führer auffordert, sich in den Kampf gegen die Krisenauswirkungen auf allen Ebenen einzureihen, kann dies geschehen. Dazu gehört die Aufforderung an diese Führer, mit den kapitalistischen Parteien, mit den EU-Memoranden und den Agenturen der Troika zu brechen und selbst eine Arbeiterregierung zu bilden, die die Austeritätsprogramme ablehnt und die Reichen, die milliardenschweren Anleihebesitzer Europas eingeschlossen, zahlen lässt. Sie dürfen nicht von Kräften und dem bürokratischen Staatsapparat des Kapitalismus abhängen, sondern von Aktionsräten, die von Gewerkschaften, Bevölkerungsversammlungen, der Jugend und den Erwerbslosen gegründet worden sind. Die Arbeiterregierung sollte eine Miliz der Arbeiterklasse und der kämpfenden Massen schaffen, um ihre Maßnahmen durchsetzen und absichern zu können.

Eine 65%ige Mehrheit der GriechInnen hat gegen die Austerität gestimmt. Somit ergibt sich ein populäres Mandat gegen eine Fortsetzung der ND-Pasok-geführten Zerstörung der sozialen Strukturen. Selbst eine parlamentarische Minderheitsregierung genösse die Sympathie der Massen, wenn sie sich anschicken würde, die Schulden zu streichen und mit der Troika zu brechen. Sie könnte sich auf die Massenmobilisierung der Gewerkschaften, die Versammlungen der Jugend und Erwerbslosen, der Kleinbauern und ruinierten kleinen Gewerbetreibenden verlassen und auch von ihnen verteidigt werden bei Sabotageakten der bürgerlichen Parteien und des Staatsapparats.

Natürlich würden die reformistischen Führer schwanken und danach trachten, Verrat zu begehen, aber wenn ihre AnhängerInnen an der Seite von revolutionären Kräften mobilisiert würden, könnte dies verhindert und der Weg zu einer wahrhaft antikapitalistischen Revolution beschritten werden, die die Macht den ArbeiterInnen, der Jugend und den Kleinbauern geben würde.

Eine solche aktive revolutionäre Strategie, die auf die Gewinnung der reformistischen ArbeiterInnen weg von ihren opportunistischen (Syriza) und sektiererischen (KKE) Führern abzielt, ist dringend notwendig. Wenn die griechische Arbeiterklasse aber gelähmt sein sollte und dem Kampf gegen ihre Führung ausweicht, werden die Kräfte der faschistischen Rechten weiter wachsen. Die Bedingungen, die für eine Revolution reif sind, drohen dann in ihr Gegenteil umzuschlagen.

Es ist nicht unbeschränkt Zeit - eine Neuerarbeitung revolutionärer Politik ist notwendig und ein entsprechendes Handeln auf dieser Grundlage.

 

Ausführlichere Analysen zu Griechenland:

Die Parlamentswahlen und die Revolution - für eine Regierung der Arbeiterparteien!

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