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Demo in Frankfurt/Main

Einige kritische Bemerkungen zum Aufruf des M31-Bündnis

Peter Lenz/Ninjana Berger, Infomail 614, 31. März 2012

Wir unterstützen die Mobilisierung des europäischen Aktionstags 31M am 31. März, möchten jedoch auch unsere Kritik am Aufruf (http://march31.net/de/call-for-action-german) und am generellen politischen Verständnis der dahinterstehenden Kräfte äußern. Wir halten diese Kritik für wichtig, da Kräfte wie die FAU oder das „Um´s ganze“-Bündnis unserer Ansicht nach grundlegende methodische und taktische Fehler begehen. Wir verstehen dies auch als eine solidarische Kritik. Wir unterstützen die Demo am 31.3. und begrüßen die europaweite Mobilisierung - doch wir  sehen auch große Hindernisse für den Aufbau einer breiten Anti-Krisenbewegung.

Nur keine Forderungen. Nur kein Plan.

Wer keine Forderungen stellt, kann auch nichts falsch machen, werden sich die AutorInnen des Aufrufs gedacht haben. So wird ein Aufruf, der eigentlich durch seinen Bezug auf einen zumindest europäischen Internationalismus positive Ansätze zeigt, im Grunde zu einem Manifest von (linksradikalen) „WutbürgerInnen“. Es gibt nicht eine Forderung, geschweige denn einen Adressaten für irgendetwas. Wenn dann auch noch ein konkret beschriebenes Ziel fehlt, wird das Ganze zur aktionsbezogenen Farce.

Wenn auch viel „Radikalität“ nach außen getragen wird, so fehlen große Teile von dem, was unserer Meinung zur Analyse der Krise gehören würde. Dann müssten nicht nur „Gier und Korruption“ als Krisenursachen abgelehnt werden, dann müsste auch darüber geredet werden, warum spekulative „Blasen platzen“, wie Spekulation entsteht und dass die  Ursachen dieser Spekulation in der Überakkumulation im produktiven Sektor liegen. Stattdessen wird auf die „alltägliche Profitlogik“ hingewiesen, dies erklärt vielleicht die Unterordnung aller sozialen Bereiche unter die Profitzwänge des Kapitals, aber nicht die Ursachen der Krise in der kapitalistischen Produktionsweise. So gerät die Beschreibung der Krisenursachen selbst für einen kurzen Aufruf bemerkenswert daneben.

Schuld an der Krise sind nicht die „Gier“ und die „Korruption“ einer kleinen Elite. Schuld wäre „die alltägliche Profitlogik“, der wir alle unterworfen sind, ob wir wollen oder nicht.“ Die Phrase von der „alltäglichen Profitlogik“ ersetzt eine präzise Benennung der Krisenursachen.

Das böse i-Wort

Um zu einem Verständnis der Krise vorzudringen, müssten sich die VerfasserInnen schon zum Terminus „Imperialismus“ durcharbeiten. Einen Begriff, den sie offensichtlich fürchten wie der Teufel das Weihwasser. So können sie auch weder die Rolle der imperialistischen Protagonisten noch deren Handlungsantriebe verstehen, geschweige denn die Widersprüche des EU-Staatenkonstrukts.

Dafür wird der Terminus „kapitalistische Globalisierung“ benutzt. Der aber ist seinem Inhalt nach nicht wirklich neu und in seinem Gebrauch eher ahistorisch. Die Weltmärkte sind spätestens seit Anfang des 20. Jahrhunderts Realität, werden aber schon im Kommunistischen Manifest thematisiert.

Das Charakteristikum dieser Epoche ist die des Imperialismus. Das Prägende im Imperialismus ist nicht der Wettbewerb, sondern sind Monopole, Finanzkapital, Aufteilung der Welt, Kriege usw.

Die VerfasserInnen des Aufrufs sehen lediglich eine „Verschärfung des marktradikalen Wettbewerbs“. Dabei neigt der Kapitalismus in seiner imperialistischen Epoche eher zur Durchsetzung von Monopolen und Kartellen, die auch aktuell die großen Gewinner weltweit und in Europa sind. Es sind die global agierenden multinationalen Konzerne, die auch in diesen Zeiten der Krise profitieren. Gleichzeitig können ganze Volkswirtschaften veröden. Diese Fragen sollten exakt abgearbeitet werden und nicht hinter Phrasen von„Profitlogik“ verschwinden.

„Kein Staat“

Die alte anarchistische Formel führte meist zum prinzipienlosen Eintritt der anarchistischen FührerInnen in bürgerliche Regierungen.

Der Staat verschwindet nicht, wenn er verschwiegen wird. Vor allem verschwindet er nicht, wenn das Proletariat keine Partei hat. Zur kommunistischen Politik gehört auch eine klare Vorstellung, wie der kapitalistische Staat abgeschafft und durch welche Art Staat der bisherige in einer Übergangsgesellschaft ersetzt werden soll. Seine Selbstabschaffung beinhaltet den Kampf gegen kapitalistische Restaurationsversuche ebenso wie gegen eine bürokratische Machtübernahme. Das kann man auch kurz und knackig formulieren, wenn man es denn will.

Dem Revolutionsbegriff  fehlt genauso die Definition. Von der „Überwindung des Kapitalismus“ ist die Rede. Zur „echten Demokratie“ wird festgestellt, dass sie nur ohne Kapitalismus, Staat und Nationalismus kommt.

Zum Weg dorthin und der politischen Form einer „echten Demokratie“ gibt es keine Aussage. Räte sind kein Thema mehr, vom kommunistischen Anspruch vieler Gruppen bleibt gerade hier vieles auf der Strecke, z.B. auch der Klassenbegriff.

Die Kehrseite des Reformismus und der Abgesang auf die Einheitsfront der ArbeiterInnen

Die Gewerkschaften werden kampflos den Bonzen überlassen, die ArbeiterInnen den reformistischen Formationen. Statt dessen Einheitsfront der „emanzipatorischen Initiativen“. Klassen - gibt es die? Das revolutionäre Subjekt - das sind „wir alle“. Wo keine Klassen existieren, gibt es auch keine Einheitsfront der ArbeiterInnenklasse. So einfach geht das. Weil die Gewerkschaften von einer Bürokratie beherrscht werden, können wir die Gewerkschaften vergessen oder bestenfalls durch Basisgewerkschaften ersetzen. Das Kapital sieht die Sache jedenfalls klarer und betreibt einen intensiven Klassenkampf von oben, wie jüngst gegen die gewerkschaftlich organisierten Belegschaftsmitglieder beim Steak-Brater MAREDO, die kurzerhand alle rausgeschmissen wurden.

Die Bewegung ist alles

Genauso wie die Analyse des Kapitalismus und seiner Krisen diffus ist, bleiben auch die Konzepte für eine alternative Bewegung im Nebel. Wer soll die Bewegung tragen, welche Klassen, Schichten usw. Was sind ihre nächsten und fernen politischen Ziele. Kaum konkrete Antworten, weder Forderungen noch Ziele, nur schmusige Slogans wie „Unser Leben in unsere Hände“.

So kommt man vielleicht zu einem Aktionstag, aber nicht zu einer längerfristigen Strategie und Bewegung, die dem europäischem Kapital, den entscheidenden imperialistischen Kräften wirklich gefährlich werden kann. Es trägt nichts dazu bei, die Masse der ArbeiterInnen dem Einfluss des Reformismus zu entziehen, sondern belässt sie unter dessen Einfluss.

„Organisieren wir uns für eine bessere Gesellschaft!“

Vor Jahrzehnten stand die „bessere Gesellschaft“ als Synonym für „gehobenere“, begüterte Gesellschaftsschichten. Diese Schwammigkeit kann zu Missverständnissen führen. Statt solcher Allerweltsphrasen sollte es besser heißen:

 „Organisieren wir uns für eine sozialistische Gesellschaft, für die Vereinigten Sozialistischen Staaten für Europa“. Natürlich wird diese Perspektive nicht entwickelt in diesem Aufruf. Stattdessen für ein „besseres Europa“.

„Unser Leben in unsere Hände“

ist ein schon fast pastoraler Slogan. So bleibt der Aufruf weitestgehend auf einer an Empörung und an Moral appellierenden Ebene, ohne ein Signal zu einer weitergehenden Bewegung zu geben.

Trotzdem werden viele Menschen ihren Protest am 31.3. nach Frankfurt tragen. Wir müssen dafür sorgen, dass ihre Wut und Empörung nicht in Resignation enden, was beim Aufruf M31 durchaus der Fall sein kann.

Für den Aufruf ist die Charakterisierung als aktionistisch geprägter Reformismus durchaus zutreffend. Es gibt keinen Übergang vom heute in eine neue politische Formation, es gibt keinen Plan für eine Revolution, höchstens einen diffusen Wunsch nach einer anderen Gesellschaft, nach einer „solidarischen Ökonomie“. Diese Ausrichtung wird scheitern und bestenfalls wirkungslos bleiben.

„Wir müssen uns außerhalb der staatstragenden Institutionen organisieren, und einen langen Atem haben.“ Was der Aufruf damit genau meint, wissen wir nicht. Parteien, Parlamente, Gewerkschaften, Campingclubs?

Der Aufruf endet mit folgendem Satz:

„Die Verteidigung bestehender sozialer Rechte ist wichtig, aber unsere Perspektive muss weiter sein. Wir müssen die fatalen Zwänge des Kapitalismus brechen. “Echte Demokratie”, wie sie in vielen Protesten gefordert wird, das geht nur ohne Kapitalismus, ohne Staat und ohne Nationalismus!“

So gibt dieser Aufruf keine Perspektive für die nächsten Kämpfe, geschweige denn eine Taktik, um den Widerstand zu verbreitern. Allgemeine Ideen über eine „Überwindung“ des Kapitalismus bleiben im Raum hängen, eine konkrete Perspektive für einen erfolgreichen Klassenkampf fehlt. Für Europa brauchen wir koordinierte Massenkämpfe, brauchen einen Kampf für ein sozialistisches Programm und ein sozialistisches Europa und keine isolierte selbsternannte Radikalität. Diese kann die AktivistInnen des 31.3. nur verwirren bzw. trennt sie im schlimmsten Fall von anderen Kämpfen und Bewegungen.

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