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Bundestagsdebatte zum rechten Terror

Das ganz breite Bündnis der Weißwäscher

Martin Suchanek, Infomail 591, 24. November 2011

Einstimmig hat der Bundestag am 22. November einen Entschließungsantrag aller Bundestagsfraktionen zu „der vereinbarten Debatte Mordserie der Neonazi-Bande und die Arbeit der Sicherheitsbehörden“ angenommen (Link zur pdf-Datei mit dem Antrag: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/ 36618004_kw47_vorschau/index.html).

So wird des komplette Versagen der gegenwärtigen wie früherer Regierungen, aus jahrzehntelang tolerierter, wenn nicht provozierter Verstrickung des Verfassungsschutzes in den braunen Sumpf noch eine „Sternstunde des Parlamentarismus“. Dabei ist die gemeinsame Entschließung nur ein weiteres Dokument der Heuchelei.

Immer schon für die Opfer?

Plötzlich trauern alle. Den Opfern wird ihr Mitgefühl ausgesprochen und „zügige“ und „umfassende“ Aufklärung versprochen. Zügig? Nach über zehn Jahren?! Und natürlich sind die Abgeordneten auch betroffen:

„Wir sind zutiefst beschämt, dass nach den ungeheuren Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Mordtaten hervorbringt.“

Betroffen mögen sie ja sein. Doch verkommt das Ganze zur kompletten Heuchelei angesichts der Tatsache, dass die Bundesrepublik selbst nach dem Zweiten Weltkrieg unter Einbindung nationalsozialistischer Funktionäre in allen Staatsämtern „wieder aufgebaut“ wurde, dass die deutschen Geheimdienste immer fest auf Kontinuität zum NS-Staat setzen.

Auch wenn die Nazi-Morde - jedenfalls für die breite Öffentlichkeit - neu ans Tageslicht gekommen sind, so sind Morde, Anschläge, Angriffe durch Nazis auf MigrantInnen, auf Linke, auf Antifas, selbst auf GewerkschafterInnen und die Linkspartei keine Ausnahme, sondern brutaler Alltag.

Statt sich mit dieser Realität zu beschäftigen, verklären die ParlamentarierInnen Deutschland lieber:

„ Wir stehen ein für ein Deutschland, in dem alle ohne Angst verschieden sein können und sich sicher fühlen – ein Land, in dem Freiheit und Respekt, Vielfalt und Weltoffenheit lebendig sind.“

Allein, dieses Deutschland gibt es nicht. Wie sicher soll sich denn ein Flüchtling fühlen, der kurz vor seine Abschiebung in Hunger, Elend, Folter oder gar den Tod steht? Und wer steht für diese Abschiebungen denn ein? Sind das nicht jene PolitikerInnen, jener Staat, die nun für „Respekt, Vielfalt und Weltoffenheit“ einstehen?

Wie sicher sollen sich jugendliche AntifaschistInnen fühlen, die in den letzten Jahren nicht nur von Nazis angegriffen, verletzt oder gar ermordet wurden? Wie sicher sollen sich MigrantInnen fühlen, die von Rassisten wie Sarazin diffamiert werden, deren reaktionäre Thesen den brauen Sumpf erst recht zu Taten ermutigen?

Wie sicher sollen sich beispielsweise Muslime fühlen, die nicht nur von Nazis, sondern auch von Staat und bürgerlicher Gesellschaft unter einen Generalverdacht als „islamistische Terroristen“ gestellt werden. Und wer stellt sie überhaupt unter diesen? Braune Banden oder doch „respektvolle und weltoffene“ RepräsentantInnen „unseres“ Staates, „unserer“ Demokratie?

Der Staats soll’s richten

Hinter der ganzen Schönrederei der ParlamenterierInnen verbirgt sich im Grund nur, dass es den meisten der Abgeordneten nicht in erster Linie um die Opfer der Nazis, sondern um das „Ansehen“ des Landes, den guten Ruf Deutschlands geht, dem die Nazi-Jungs und -Mädels schaden.

Angesichts der Verstrickung von V-Leuten des Verfassungsschutzes in die Nazi-Mordserie, kommen freilich auch die ParlamenterInnen nicht umhin, hier „Aufklärung“ zu verlangen.

„Die jetzt bekannt gewordenen Zusammenhänge dieser unmenschlichen Verbrechen belegen auf traurige Weise, dass die Strukturen der Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Länderebene dringend überprüft werden müssen.“

Viel schwammiger und doppeldeutiger geht’s nicht. Die Linkspartei mag wider besseren Wissens in diesen Satz ihre Forderung nach Abschaffung der Geheimdienste hineininterpretieren. Die „SicherheitspolitikerInnen“ der Union samt zahlreicher Adlaten in anderen Parteien werden das als Argumentationsgrundlage für mehr Zentralisierung und Ausbau des Verfassungsschutzes, von staatlicher Überwachung und Aushebelung von Bürgerrechten betrachten.

Daran lässt bei allem demokratischen Getue letztlich auch die Entschließung des Bundestages keinen Zweifel:

„Wir sind entschlossen, sowohl die politisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten und ihren Verbündeten vertieft fortzusetzen als auch die unabdingbaren Konsequenzen für die Arbeit der Sicherheitsbehörden rasch zu ziehen.“

Wer ist „wir“? Sicher könnten die Partei DIE LINKE und einzelne Abgeordnete von Grünen und SPD sowie GewerkschafterInnen, die im Parlament sitzen, noch mit einem gewissen Recht für sich beanspruchen, Mobilisierungen gegen Nazi-Aufmärsche und RassistInnen unterstützt zu haben. Es ist daher auch kein Zufall, dass die Partei DIE LINKE mehr als alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien zur Zielschiebe von Nazi-Angriffen wurde. Eine Tabelle der Bundestagsfraktion belegt z.B., dass seit Anfang 2010 jeden Monat mehrere Büros und Mitglieder der LINKEN Ziel von rechten Anschlägen wurden.

Auch GewerkschafterInnen wurden in den letzten Jahren immer wieder - gerade im Osten - von Nazis angegriffen.

Auch wenn wir mit der politischen Strategie und Taktik dieser Organisationen im Kampf gegen die Nazis nicht übereinstimmen, so ist es ganz klar, dass auch sie wirklich ins Visier der Rechten gekommen sind - z.T. wegen ihres anti-faschistischen Engagements, zum Teil, weil es sich um Organisationen handelt, die aus der Tradition der Arbeiterbewegung, dem Todfeind des Faschismus kommen.

Am anderen Extrem des parlamentarischen Spektrums wiederum sind CDU/CSU durch ihr anti-faschistisches Engagement bisher wenig aufgefallen. Statt dessen wurden sie nicht müde, die Gefahr des „islamistischen Terrorismus“ oder gar des „Linksterrorismus“ an die Wand zu malen, wenn in Berlin ein paar Autos brannten, die, wie sich nun herausgestellt hat, gar nicht von Linken angezündet worden waren.

Doch was ergibt sich für die ParlamentarierInnen neben einer „fassenden Fehleranalyse“, die noch zu machen wäre. Die Möglichkeit eines NPD-Verbot soll „überprüft“ werden. Und sonst?

„Wir müssen gerade jetzt alle demokratischen Gruppen stärken, die sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus engagieren. Wir werden prüfen, wo dem Hindernisse entgegenstehen. Wir brauchen eine gesellschaftliche Atmosphäre, die ermutigt, gegen politischen Extremismus und Gewalt das Wort zu erheben. Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem Umfeld muss der gesellschaftliche und finanzielle Boden entzogen werden.

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Hier zeigt sich auch, worauf die „Konsequenzen“ für die Arbeit der Sicherheitsbehörden hinauslaufen. Sie - die „staatliche Gewalt“ - soll weiter ihre Pflicht tun, nur besser.

Antifaschismus von „demokratischen Gruppen“ ist dabei immerhin ausdrücklich erlaubt, ja die finanziellen Mittel dafür sollen nicht einmal beschnitten werden - solange deren Aktivitäten brav zivilgesellschaftlich, gewaltfrei und frei von „politischem Extremismus“ von links bleiben.

Dass CDU/CSU und FDP, dass die offen staatstragende Opposition aus SPD und GRÜNEN solche Erklärungen einbringen und unterstützen, wird niemand verwundern. Doch auch die Linkspartei hat dem nicht nur zugestimmt, sie durfte den Antrag sogar mit einbringen. Und sie will damit, wie Gregor Gysi in seiner Rede vor dem Bundestag deutlich machte, bei solchen Anlässen aus der Ecke des parlamentarischen Schmuddelkindes kommen. Nachdem Gysi in seiner Rede auch manche Kritik an anderen Parteien vorgebracht hat, schloss er seine Rede am 22. November mit folgenden Worten:

“Herr Präsident, meine Damen und Herren, zu begrüßen ist trotzdem -  das ist mein letzter Satz  - die erste gemeinsame Erklärung hoffentlich aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Die Bedeutung besteht darin, dass wir trotz unterschiedlichster Auffassung in vielen Fragen den Rechtsterroristen in Deutschland sagen: Ihr scheitert an uns gemeinsam  von der CSU bis zur Linken.“ (http://www.linksfraktion.de/reden/rechtsterroristen-scheitern-uns-gemeinsam-csu-linken/)

Dieser Schluss dokumentiert die politische Blindheit und Alternativlosigkeit der Linkspartei in Sachen Antifaschismus und Antirassismus. Während die rechten Morde und die Verstrickung der Verfassungsschutzes wieder einmal beweisen, dass weder Staat, Geheimdienst noch die bürgerlichen Parteien wie die CSU etwas zum Kampf gegen den Faschismus taugen, freut sich Gysi über einen gemeinsamen Antrag, der zu nichts verpflichtet, dessen ganze politische Bedeutung darin besteht, dass die Verantwortung der bürgerlichen Parteien und ihres Systems für den Aufstieg der Nazis verharmlost werden.

Mehr noch, die Linkspartei erschwert mit ihrer Zustimmung die Entwicklung eines wirklich effektiven Widerstandes gegen die FaschistInnen. Dieser liegt niemals in inhaltlich leeren, gemeinsamen Erklärungen mit allen möglichen ParlamentarierInnen.  Vielmehr geht es um den Aufbau einer Arbeitereinheitsfront, eines breiten, von den Organisationen der Lohnabhängigen wie Gewerkschaften, Sozialdemokraten, Linkspartei, von Anti-KapitalistInnen, von Jugendlichen, MigrantInnen, militanten Antifas samt ihrer Gruppierungen getragenen Aktionsbündnisses, das sich zum Ziel setzt, die faschistischen Organisationen, ihre Vorfeldstrukturen offen zu bekämpfen und zu zerschlagen.

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