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Marx21

Wer nicht sagt, was ist, verfängt sich in den eigenen Widersprüchen

Arbeitermacht-Flugblatt zu den MarxIsMuss-Tagen von Marx21, Infomail 560, 6. Juni 2011

Sagen, was ist”, galt für Rosa Luxemburg als Richtschnur revolutionären Handelns. Diese Maxime stellt kein abstraktes moralisches Gebot dar, sie ergibt sich vielmehr aus dem Charakter der proletarischen Revolution und den Aufgaben von revolutionären KommunistInnen.

Schon für Marx galt, dass es KommunistInnen verabscheuen, ihre Ziele und Methoden zu verheimlichen. Nur so können sie überhaupt etwas Spezifisches zur Arbeiterbewegung beitragen, deren Erfahrungen verallgemeinern, theoretisch fundieren, aktuelle Entwicklungen analysieren und politische Führung im Kampf erringen und geben.

Anders als die bürgerliche Revolution setzt die sozialistische Umwälzung nämlich Bewusstheit über ihre gesellschaftlichen Voraussetzungen, ihren internationalen Charakters, ihre Ziele und Methoden voraus. Eine proletarische Revolution kann nicht „spontan“ siegen, sie bedarf einer klassenbewussten, revolutionären Führung. Nur so kann die Arbeiterklasse von einer „Klasse an sich“ zu einer „Klasse für sich“ werden.

Daher muss eine revolutionäre Organisation auf einer klaren, wissenschaftlichen Grundlage und Programmatik aufgebaut werden. Sie muss deutlich aussprechen, was ihrer Meinung nach notwendig ist im Kampf gegen die aktuellen Angriffe - und wie dieser mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbunden werden kann und muss.

Wir wissen, dass die GenossInnen von Marx 21 und viele, die mit ihnen in der Linkspartei kämpfen wollen, grundsätzlich davon überzeugt sind,

a) dass wir in einer tiefen Krisenperiode des Kapitalismus leben, die revolutionäre Antworten erfordert und

b) dass eine sozialistische Revolution notwendig ist, um die Herrschaft der Bourgeoisie zu stürzen, den bürgerlichen Staat zu zerschlagen und die Herrschaft der Arbeiterklasse zu errichten.

Praktische Relevanz?

Doch diese Erkenntnisse haben für die praktische Politik von Marx 21 offenkundig keine Relevanz. Wenn überhaupt, so spielen sie bei einzelnen Tagungen, Seminaren oder im „inneren Kreis“ der Strömung eine Rolle. Für die praktische Tagespolitik von Marx 21 sind sie bestenfalls schmückendes Beiwerk, Sonntagsreden, denen ansonsten eine reformistische Praxis in der Linkspartei und im SDS gegenübersteht.

Beispiel Programmdebatte

Im jüngsten Entwurf der „Programmkommission“ hat die Linkspartei - wieder einmal ihren reformistischen Charakter bekräftigt. Zur Regierungsfrage heißt es dort:

“Parlamentarische Opposition wie auch das Wirken in Regierungen sind für DIE LINKE Mittel politischen Handelns und gesellschaftlicher Gestaltung. Der Kampf für die Verbesserung der Lage von Benachteiligten, die Entwicklung und Durchsetzung linker Projekte und Reformvorhaben, die Veränderung der Kräfteverhältnisse und die Einleitung eines Politikwechsels sind der Maßstab für den Erfolg unseres politischen Handelns.“

Und weiter: „DIE LINKE strebt dann eine Regierungsbeteiligung an, wenn wir damit eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen erreichen können. So lässt sich die politische Kraft der LINKEN und der sozialen Bewegungen stärken und das bei vielen Menschen existierende Gefühl von Ohnmacht und Alternativlosigkeit zurückdrängen. Regierungsbeteiligungen sind konkret unter den jeweiligen Bedingungen zu diskutieren und an diesen politischen Anforderungen zu messen.“

Solche Aussagen der Linkspartei verwundern sicher nicht. Doch wie verhält sich Marx 21 dazu, wie verhielt sich die Frontfrau des Netzwerks - Christine Buchholz - dazu, die Mitglied der Programmkommission ist? Hat sie den reformistischen Text verurteilt? Hat sie in der Tradition des revolutionären Marxismus wenigstens diesmal die Alarmglocken geläutet? Im Gegenteil:

“Die Art und Weise, wie die Debatte gelaufen ist, stimmt mich da sehr zuversichtlich: Wir haben am Wochenende eine konstruktive Diskussion gehabt, nach der es weder Sieger noch Besiegte gibt. Ich persönlich bedaure z.B., dass unsere ‚Haltelinien' geschwächt sind, andere kritisieren andere Punkte - aber die Richtung stimmt.” (Christine Buchholz in einem Interview mit der Tageszeitung Junge Welt vom 24.05.11)

Von der „Richtigkeit“ der Richtung können sich die Beschäftigten und Arbeitslosen in Berlin und Brandenburg seit Jahr und Tag praktisch überzeugen.

Und was die „Bedingungen“ für eine Regierungsbeteiligung betrifft, kann die natürlich auch die SPD unterschreiben. „Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen“ hat schließlich noch jede/r bürgerliche PolitikerIn versprochen.

Gegenüber solchen Allerweltsversprechen kümmert der Klassencharakter einer Regierung erst gar nicht. Dass eine Regierung, die sich auf das bürgerliche Parlament und den bürgerlichen, bürokratischen Staat stützt, immer - auch ganz ohne jeden Sozialabbau übrigens! - eine Regierung des Kapitals sein muss, von dieser Grunderkenntnis des Marxismus findet sich nicht nur bei der Linkspartei, sondern auch bei der „Sozialistin“ Buchholz keine Spur.

Während Luxemburg, Trotzki und Lenin herausgearbeitet haben, dass der „parlamentarische“ Weg zum Sozialismus und die Beteiligung an bürgerlichen Regierungen nicht nur einen anderen Weg, sondern auch ein anderes Ziel darstellt, schlägt Marx 21 dieser Erkenntnis ins Gesicht.

Dass Marx 21-UnterstützerInnen das wahrscheinlich wider besseres eigenes Wissen tun, dass sich Marx 21 „intern“ dessen durchaus bewusst ist, macht die Sache nicht besser, sondern nur verlogener. Wahrscheinlich stimmt ein beträchtlicher Teil der GenossInnen „off the record“ zu, dass DIE LINKE eine reformistische Partei ist, eine Partei, die fest auf dem Boden des Kapitalismus steht, deren Klassencharakter also bürgerlich ist. Sie werden wohl auch zustimmen, dass DIE LINKE eine besondere bürgerliche Partei darstellt, die sich v.a. auf die Lohnabhängigen und deren Organisationen organisch stützt, also eine bürgerliche Arbeiterpartei ist.

Allerdings: Dieses Wissen hat, wird es nicht offen ausgesprochen, überhaupt keine reale Bedeutung. Im Gegenteil, in der Partei tritt das Marx 21-Netzwerk als Verteidiger der reformistischen Politik der LINKEN auf, genauer des linksreformistischen Flügels um Lafontaine und die „Sozialistische Linke“.

Ganz in diesem Sinn verzichten Marx 21 und seine VorläuferInnen in Linksruck seit den Tagen der WASG darauf, gegen die reformistische Programmatik und Politik der Partei mit einem revolutionären Programm, auf offen revolutionärer Grundlage anzukämpfen. Marx 21 lehnt das offen ab. DIE LINKE soll eine „pluralistische“, keine revolutionäre Partei sein. Damit wird verharmlost, dass DIE LINKE - Strömungen hin oder - längst eine Partei mit klarem konterrevolutionären Klassenstandpunkt verkörpert, fest auf dem Boden von Grundgesetz und bürgerlicher Ordnung steht. Hier von „Pluralismus“ zu sprechen, heißt nur, die Wahrheit über den Klassencharakter der Partei zu verwischen.

Natürlich würde eine revolutionäre Partei verschiedene Strömungen und Fraktionen zulassen - aber sie würde dies nur tun können, wenn es sich um verschiedene Strömungen handelt, die ein gemeinsames revolutionäres Programm als Handlungsgrundlage anerkennen.

Die Linkspartei hat aber ein lupenrein reformistisches, bürgerliches Programm. Was also tun? Dieses Programm anerkennen oder einen unversöhnlichen Kampf nicht nur gegen die „Regierungssozialisten“, sondern alle Spielarten des Reformismus in der Linkspartei führen?

Marx 21 hat sich für den ersteren Weg entschieden. Daher verteidigt Frau Buchholz auch den Entwurf der Programmkommission der Partei.

Hauptsache, niemand - weder die angeblichen „ SozialistInnen von unten“ noch die Parteirechte - verliert sein Gesicht. Hauptsache, es gibt weder Sieger noch Besiegte, nachdem Marxismus und Sozialismus offenkundig längst auf der Strecke geblieben sind.

Anpassung entstellt den Marxismus

Dummerweise nützt das politische Versteckspiel von Marx 21 nichts, wie sich an jüngsten Debatten im SDS und dem Austritt etlicher Marx 21-UnterstützerInnen zeigt.

Im Gegenteil, die Tatsache, dass in der Öffentlichkeit Marx 21 als nur als kämpferischerer, antikapitalistischerer und aktivistischerer Flügel erscheint und auch nur erscheinen will, führt dazu, dass sich neu gewonnene UnterstützerInnen des Netzwerks nach ein, zwei Jahren immer wieder getäuscht vorkommen, weil sie plötzlich „entdecken“, dass Marx 21 doch eine politische Strömung in der Partei ist. Eine Strömung, deren politische Grundlagen nicht offen ausgesprochen werden, die daher selbst manchen AnhängerInnen verborgen bleiben und von diesen erst „entdeckt“ werden müssen. Mit Recht fühlen sich diese  betrogen.

Schließlich will niemand zu irgendeiner politischen Überzeugung hinter seinem/ihrem Rücken manipuliert werden. Noch wichtiger ist jedoch, dass es dem Wesen des revolutionären Marxismus vollkommen widerspricht, jemanden „unbewusst“ zu einer kommunistischen Politik zu gewinnen. Das kann nicht gut gehen und führt neben regelmäßigen inneren Krisen vor allem dazu, dass Theorie und Programmatik unwillkürlich je nach „Tagesopportunität“ von der Praxis getrennt werden. So werden letztlich beide ihres revolutionären Charakters beraubt, wird also auch der Marxismus systematisch verfälscht - ein Zug, der sich nicht nur durch die Politik von Marx 21, sondern auch der internationalen Strömung, der sie angehört, der „International Socialist Tendency (IST)“, zieht.

Versteckspiel spielt Parteirechten in die Hände

Diese falsche Methode macht Marx 21 aber nicht nur für ständige Krisen anfällig. Sie liefert auch noch treffliche Vorwände für die rechten GegnerInnen von Marx 21 in der Linkspartei gegen „Marxismus“, „Trotzkismus“, „demo-kratischen Zentralismus“, „Amoralismus“ usw.

Natürlich sind deren Anfeindungen von Grund auf verlogen. Andere hinter's Licht zu führen, zu manipulieren, ist in der bürgerlichen Politik und natürlich auch in der Linkspartei Tagesgeschäft. Verglichen mit vielen ihrer KritikerInnen - zumal aus dem Lager der Parteirechten - spielen die UnterstützerInnen von Marx 21 sogar vergleichsweise offen mit ihren politischen Karten.

In Wirklichkeit werden sie auch nicht wegen ihrer Tricksereien angegriffen, sondern weil sie in der Partei am linken Flügel angesiedelt sind und dort als leichter angreifbar gelten als  die „echten“ linkeren Reformisten um Oskar Lafontaine oder Klaus Ernst. Schließlich bezweifelt niemand ernsthaft deren Regierungswilligkeit, während Marx 21 unterstellt wird, „letztlich“ doch mehr zu wollen als eine reformistische Apparatpartei, die sich im Parlament für zukünftige Regierungsjobs empfiehlt. Die Parteirechten greifen also das Marx 21-Netzwerk für das an, was es positiv vom Mainstream der Linkspartei abhebt, für seinen sozialistischen Anspruch.

Die Tragik besteht freilich darin, dass Marx 21 diesen nirgendwo erfüllt. Bei Angriffen ist es eifrig bemüht, jeden Anschein grundlegender Differenzen mit anderen Strömungen abzustreiten, zu verwischen und sich immer mehr dem linksreformistischen Flügel anzupassen.

Eine solche Politik wird letztlich Marx 21 nichts nutzen. Sie wird nur zu immer neuen „Enthüllungen“ und kriecherischen Anpas-sungsleistungen führen. Für jede sozialistische oder kommunistische Perspektive ist sie schon jetzt ein Desaster, weil sie den Marxismus und Kommunismus diskreditiert, ihn als bloß linkere Variante bürgerlicher Politik und Manipulation erscheinen lässt.

Zurück zu Luxemburg!

Für Marx 21 und die UnterstützerInnen des Netzwerks wird es höchste Zeit, die Grundlagen der eigenen Politik kritisch zu reflektieren, das politische Versteckspiel in der Linkspartei, das Fehlen einer eigenen revolutionären Programmatik, die sie dem reformistischen Plunder der Parteiführung entgegenhalten könnte, die systematische Anpassung an den Reformismus, die bis zur Ununterscheidbarkeit geht.

Es ist Zeit, mit dieser dem Marxismus fremden Methode zu brechen und zum Marxismus einer Rosa Luxemburg zurückzukehren, zu sagen, was ist.

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