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Stuttgart

Etappen-Erfolg für gekündigte Behr-Kollegen

Kuno Benz, Infomail 549, 10. April 2011

Wie mehrfach in der Neuen Internationale und in der Infomail berichtet, kämpften KollegInnen von Behr lange gegen die Schließung des Werks 8 in Stuttgart und gegen die damit verbundenen betriebsbedingten Kündigungen. Ende 2010 wurde das Werk dann jedoch geschlossen, der Großteil der Beschäftigten akzeptierte Aufhebungsverträge oder ging in eine Transfergesellschaft. 37 von 222 KollegInnen werden inzwischen im nahe gelegenen Werk Mühlacker beschäftigt, 19 klagten gegen ihre Kündigungen vor dem Arbeitsgericht.

In den Verfahren von 6 Kollegen von Behr, die ein „Angebot“ von Behr im weit entfernten Neustadt/Donau bekamen, wurde nun das Urteil verkündet. Demnach waren die Kündigungen ungerechtfertigt. Die Kollegen bleiben somit weiterhin Beschäftigte bei Behr.

Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig, Behr kann noch in Berufung gehen. (she. auch: http://www.arbeitsgericht-Stuttgart.de/servlet/PB/menu/1267036/index.html?ROOT=1178125)

Auch wenn dieses Urteil ein Teilerfolg ist, bleiben noch Fragen offen und generelle Probleme bestehen:

- Wie in der Urteilsbegründung ausgeführt, werden die KollegInnen nicht zu unveränderten Bedingungen weiterbeschäftigt.

- Das Urteil bedeutet nicht, dass die Kündigungen als solche unrechtmäßig waren, nur die „Sozialauswahl war fehlerhaft“.

- Das Urteil sagt nichts darüber aus, ob Werk 8 ein eigenständiger Betrieb oder ein Teil des Standorts Stuttgart im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist. Dies hätte bedeutende Auswirkungen auf die Sozialauswahl gehabt, denn dann hätten die Werk-8-KollegInnen in der Sozialauswahl mit dem gesamten Standort Stuttgart verglichen werden müssen.

- Das Urteil sagt ebenso nichts darüber aus, dass im nahegelegenen Werk Mühlacker inzwischen befristet Beschäftigte auf Arbeitsplätzen eingestellt wurden, die ebenso die Kollegen aus Werk 8 hätten besetzen können.

Eine Ohrfeige für die Stuttgarter IG Metall

Für die Stuttgarter IG Metall, die die klagenden KollegInnen nicht oder nur halbherzig unterstützt hatte, bedeutet das Urteil eine schallende Ohrfeige, denn es waren die IG Metall Stuttgart und die in ihr organisierten Betriebsräte, die keinen Kampf gegen die Stilllegung des Werks führten und stattdessen ausschließlich auf Verhandlungen mit der Konzernleitung um Abfindungen und die Bedingungen der Transfergesellschaft setzten. Die Entlassenen sind sich sicher, dass ihr Werk 8 dem Mahle-Behr-Deal mit dem Ziel der Verbesserung der Wettbewerbsposition des Konzerns auf dem Weltmarkt geopfert wurde - „Industriepolitik zum Wohle des Konzerns und des Standorts Deutschland“. Die Gewerkschaftsführer verstanden es überhaupt nicht, dass die KollegInnen sich wehrten, um ihre Arbeitsplätze kämpften und die in ihren Augen so guten Angebote der Transfergesellschaft ablehnten.

Gerichtsverfahren statt Massenaktionen

So positiv der Erfolg vor dem Arbeitsgericht ist, so wenig darf dieser Erfolg darüber hinwegtäuschen, dass das Kernproblem der Kündigungen dadurch nicht gelöst wird. Massenentlassungen und Kündigungen in Folge von Betriebsschließungen werden von den Gerichten als „Einzelfälle“ behandelt. In der kapitalistischen Gesellschaft unterliegen Rechtsprechung und Gerichte grundsätzlich den kapitalistischen Rahmenbedingungen – und dazu gehört das Recht der Kapitalisten, bei Bedarf Arbeitskräfte einzustellen und auch wieder zu entlassen. Ein Arbeitsgericht wird niemals eine unternehmerische Entscheidung, die Arbeitsplätze betrifft, grundsätzlich in Frage stellen. So auch in dem Fall der Behr-KollegInnen: Lediglich „die Sozialauswahl war fehlerhaft“. Im Umkehrschluss bedeutet das: wenn die Fa. Behr bei der Vergabe der 37 Stellen in Mühlacker eine (bessere) Sozialauswahl angewandt hätte, wären die Klagen der Kollegen erfolglos geblieben. Im Endeffekt wären dann jedoch andere entlassen worden.

Im Fall von Behr-Werk 8 hätten nur größere Streiks und Betriebsbesetzungen die Schließung und die Entlassungen verhindern können. Dies wurde bei Behr erwogen, von der IG Metall und dem Betriebsrat jedoch zu Gunsten von Verhandlungen immer wieder verschoben und letztendlich nie wirklich gewollt.

Gerichtsverfahren können Massenaktionen nicht ersetzen!

Die Strategie und Ausrichtung der IG Metall muss sich ändern! Die IG Metall und ihre Verantwortlichen sind aufgefordert, künftig den Kampf gegen Betriebsschließungen und Massenentlassungen aufzunehmen. Statt der momentanen Politik fordern wir:

Streiks und Besetzungen im Kampf gegen Massenentlassungen und Betriebsschließungen!

Die Angriffe der Unternehmer und der Regierungen können nur durch die möglichst große, gemeinsame Aktion der Lohnabhängigen, durch die Kampfeinheit der Arbeiterklasse abgewehrt werden. Warum? Weil es sich nicht um einzelne Angriffe, sondern um einen politischen Generalangriff des Kapitals handelt, dem nur gemeinsam begegnet werden kann.

Die Strategie der Zusammenarbeit und der Sozialpartnerschaft führt zu Demobilisierung, Demoralisierung und zur Niederlage. Statt „das größere Übel“, also noch mehr Entlassungen, zu verhindern, bereitet dies nur ebendieses größere Übel vor, es spaltet die Klasse und schwächt die Kampfkraft. Die Gewerkschaftsführungen und Betriebsräte hoffen, dass das Opfern von Arbeitsplätzen andere Arbeitsplätze sichert. In Wirklichkeit sichern sie nur die Profite der Kapitalisten und erleichtern diesen die nächsten Angriffe.

Die Politik der „Standortsicherung“ und Sozialpartnerschaft ist Klassenverrat! Sie bindet die ArbeiterInnen an „ihre“ Unternehmer und spaltet sie.

Wir kritisieren nicht nur Stillhaltepolitik, Verrat und „Partnerschaft“ mit dem Kapital. Wir fordern stattdessen den Bruch mit der Politik der Sozialpartnerschaft und Klassenzusammenarbeit! Wir fordern den Bruch mit der Unterordnung unter das Kapital!

Wir fordern von den Gewerkschaftsführungen, von SPD und Linkspartei, Aktionsbündnisse und den Aufbau einer Bewegung gegen die Krise, gegen Entlassungen, Verlagerungen und Betriebsschließungen zu unterstützen!

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